Den Bürgis die Kohlen aus dem Feuer holen?
Ein Aufschrei ging durchs Land. Ein Mail aus dem Innenministerium an die Polizeidienststellen zeigt: die Informationen für kritische Medien sollen beschränkt werden, linientreue Medien bekommen Zuckerl.(Das Mail enthält auch andere Gemeinheiten. Sexualisierte Übergriffe im öffentlichen Raum sollen in den Fokus gerückt werden, die große Mehrheit der Übergriffe, die in den eigenen 4 Wänden passiert, wird dadurch verschwiegen, etc.) Es tönte laut, die Pressefreiheit sei in Gefahr, der Innenminister müsse zurücktreten. Für mich war das wenig verwunderlich. Es war ein logischer nächster Schritt. Auf einen kritischen Kommentar bei einer Führung durchs Yad Vashem folgte eine Beschwerde durch das Büro des Bundeskanzlers (sorry, die Beschwerde kam von de Botschaft) – und tatsächlich entschuldigte sich der Direktor für die Worte des Guides. Eine Direktorin, die offen gegen die diskriminierenden Deutschklassen auftritt, erhält Besuch vom Ministrium. Die freundlichen Männer weisen sie auf ihre Mitwirkungspflicht hin. Die Anweisung an die Polizei passt gut in dieses Bild (und nicht nur deswegen sind die Rechtfertigungen des Kanzlers auch ziemlich unglaubwürdig, aber dazu später)
Von Anfang an legte die Regierung einen Schwerpunkt auf Message Control – und das ist nur ein Schritt von Informationsblockade und Zensur entfrent. Vielleicht war das Mail eine neue Qualität, vielleicht war es der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Empörung bei den Bürgis war jedenfalls groß.
Der Zufall wollte es, dass an diesem Tag zwei Kundgebungen gegen die Regierung geplannt waren. Die Gruppe „Music4Human Rights“ hielt ihre wöchentliche Mahnwache vor dem Innenministerium ab. Im Anschluss dazu ging am Heldenplatz ein tagelanger Protest gegen das Ausgehverbot für Refugees in Niederösterreich mit einer größeren Kundgebung zu Ende. Doch an beiden Orten war von der Wut wenig zu spüren. Es trafen sich die übliche Verdächtigen. Am Minoritenplatz waren es ca. 50 Menschen, zum Heldenplatz kamen immerhin 150. Die Bürgis tobten sich nur im Netz aus.
https://www.youtube.com/watch?v=T-2vDYIo7Ew
Liebe Bürgis, ich kann euch eine Tip geben: Sich im Internet aufregen ist zu wenig. Ihr müsst euch schon bewegen, ansonsten wird sich nichts bewegen. Und ja, das bedeutet, die sichere Comefortzone zu verlassen. Es bedeutet,auch mal auf die Nase fallen und mal kräftig deneben liegen. Aber es hilft nichts. Denn wenn sich nichts bewegt, kommt es zu diesen miesen Lügen und Ausreden: Der Innenminister: Es war eine unglückliche Formulierung. Der Pressesprecher ist schuld. Der Bundeskanzler: Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das nicht angegriffen werden darf (und warum macht er das dann?). Der Bundespräsident: Innenminister hat den Fehler eingesehen, und damit ist die Sache gut. Und wir müssen diesen Scheiss kaufen; nicht weil wir ihn glauben (macht das wirklich irgendwer?), sondern wil wir keine Alternative haben. Währenddessen ist die Weisung, die natürlich total „freiwillig“ ist, weiter in Kraft. Und wir haben wieder ein Stück Freiheit verloren.
Ja,lieber Bürgi, ich sag „wir“, denn, ob wir wollen oder nicht, wir sitzen da im gleichen Boot. Ich könnt jetzt die Unterschiede aufzählen. Darauf beharren, dass ein Rücktritt wenig bringt, dass es egal ist, welche*r Menschenfeind gerade Innenminister*in spielt. Viel wichitger ist es, den Spielraum der Polizei und der Politik der inneren Sicherheit einzuengen. Dass ich die Freiheit des Wortes verteidige. Das ist was Ähnliches, aber doch was grundlegend Änderes als die journalistische Freiheit in der kapitalistischen Verwertungslogik.Und überhaupt, Anarchie ist viel geiler als Liberalismus. Es nutzt nur nicht viel. Denn die autoritäre Wende betrifft uns alle, wenn auch in unterschiedlichen Ausmaß.
Aber nur weil wir gemeinsam in der Scheisse stecken, heisst das nicht, dass ich die Kohlen für dich aus dem Feuer hole. Denn selbst wenn ich wollte, ich könnte es nicht. Ich bin einer der üblichen Verdächtigen, der sowie gegen Gott und die Welt demomstriert; der eh nicht ganz ernst genommen wird. Aber du, lieber Bürgi hast die Wahl: Entweder deine virtuelle Wut wird die kakophonische Begleitmusik der autoritären Wende, oder es folgen Taten auf deine Worte. Dann sehen wir uns auf der Straße.
( Ich befürchte, dass wird eine Woche dauern)
Donnerstag, 4.Oktober 18:00 Ballhasuplatz
(Und es wird nicht mit einer Demo erledigt sein)
https://www.youtube.com/watch?v=O-KxifFBQ7k