Zusammenfassung und Aktualisierung zu verschiedenen Operationen in Spanien gegen die anarchistische Bewegung, zur Geschichte des Antiterrorgesetzes und der Isolationshaft dort.

Hier den letzten Artikel, den wir in der Nummer 415 der Gefangenen Info veröffentlicht haben.

Von der Soligruppe für Gefangene

panopticon.blogsport.eu

Columna

Am 13. November 2013 fand die Operation Columna statt. Der Richter Velasco von der Audiencia Nacional ordnete die Verhaftungen von fünf Anarchist*innen an, wegen dem Antiterrorgesetz. Vorwurf war das Deponieren eines Sprengsatzes im Dom von Zaragoza. Es entstand ein Sachschaden und eine Person wurde leicht verletzt. In dem Dom befindet sich eine Darstellung der Jungfrau Maria, die auch die Schutzheilige der Hispanität („Ideologie der Konservativen diesseits und jenseits des Atlantik, (die) im Wesentlichen rückschrittlich-nostalgisches, auf geistig-kultureller Ebene sich in hohler Rhetorik erschöpfendes Programm des längst obsoleten Imperialismus und Kolonialismus“) ist.
Die verhafteten Personen wurden auch beschuldigt, Mitglieder des „Aufständischen Kommandos Mateo Morral“ zu sein, der sich für den Anschlag, mittels eines Bekenner*innenschreiben, auf den Dom verantwortlich machte. Seit dem ersten Moment wurde diese Gruppe von den Medien, der Polizei und der Staatsanwaltschaft, mit der GAC sowie auch mit der FAI-FRI in Verbindung gebracht. Jahre zuvor, versuchte die Polizei, die Medien, die Staatsanwaltschaft und die Richter*innen, jeden Widerstand in Zusammenhang mit der bewaffneten Gruppe ETA in Verbindung zu bringen. Ab der Operation Columna, wurde ein neuer Akzent gesetzt, alles war nur noch GAC, FAI-FRI und anarchistischer Terrorismus seitens insurrektionaler Anarchist*innen.
Von den fünf Beschuldigten, wurden drei freigelassen und die beiden chilenischen Anarchist*innen – Mónica und Francisco – wurden in U-Haft eingesperrt. Jahre zuvor, während sie noch in Chile lebten, waren beide Mitangeklagte bei dem großen Verfahren gegen die anarchistische Bewegung die den Namen Caso Bombas (Bomben Fall) trug. Insgesamt wurden 14 Anarchist*innen bei diesem Verfahren verhaftet, die für eine Reihe von Anschlägen verdächtigt wurden, 2012 wurden sie freigesprochen.
Am Anfang verlangte die Staatsanwaltschaft 44 Jahre für jeden einzelnen, davon waren neun Jahre für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe, zwölf Jahre für Verletzungen im Gehör eines Opfers im Pilar und 18 Jahre für terroristische Schäden (Sprengung eines Artefaktes im Dom). Sie wurden im März 2016 letztendlich für eine Haftstrafe von zwölf Jahren verurteilt und am 19. Oktober 2016 fand das Berufungsverfahren gegen Francisco und Mónica statt, wo ihr Urteil auf 4,5 Jahre reduziert wurde.
Am 30. Januar 2017 entschieden sich die spanischen Behörden beide abzuschieben. Was im März desselben Jahres auch passierte. Nach dem spanischen Gesetzbuch werden alle ausländischen Bürger*innen, die einen irregulären Aufenthalt in Spanien haben und ein Urteil von mehr als einen Jahr und nicht länger als sechs Jahre haben, des Landes verwiesen.

Pandora

Am 16. Dezember 2014 fand im Zusammenhang mit der Operation Columna, die Operation Pandora statt. Mehrere Wohnungen, besetzte Häuser und anarchistische Zentren wurden in Barcelona durchsucht sowie auch eine Wohnung in Madrid. Elf Personen wurden unter dem Verdacht, „Mitglieder einer terroristischen Organisation“ festgenommen und auch bei ihnen wurde das Antiterrorgesetz angewandt. Sieben Personen saßen ungefähr 45 Tage in verschiedenen Gefängnissen um Madrid in U-Haft, der Rest wurde unter Auflagen freigelassen, die Anklage bestand trotzdem. Auch hier war seitens der Medien, der Polizei und der Staatsanwaltschaft die Rede davon, es gäbe eine Verbindung zu der GAC und dem „anarchistischen Terrorismus“.
Der Richter äußerte sich später, dass er nicht genauere Verbrechen verfolgen würde, sondern auf präventiver Art eine „organisierte Struktur“ verfolgen würde. Zuständig dafür war der Richter Bermudez von der Audiencia Nacional.
Dieser Fall wurde im Mai 2017 eingestellt. Im Bericht dazu wurde es so begründet, „Bis jetzt, trotz der vergangen Zeit, was fast drei Jahre her ist, obwohl einige und sukzessive Telefonate überwacht wurden und die Ermittlungen aller Art eingefordert wurden, ist das Ergebnis der Ermittlung, dass die Beschuldigten in Kontakt mit Menschen aus dem anarchistischen Kollektiv standen. Einige von ihnen sind vorbestraft und einige wurden für die Mitgliedschaft in der GAC verurteilt.“ Somit waren alle Beschuldigten frei von jeder Anschuldigung.
Piñata
Am 30. März 2015 fand auf Anordnung des Richters Velasco die Operation Piñata statt. Im Laufe dieser wurden wieder mehrere Wohnungen, besetzte Häuser und anarchistische Zentren in Madrid, Barcelona, Palencia und Granada durchsucht. Da mehrere Haftbefehle vorlagen, wurden insgesamt 15 Personen verhaftet. 24 weitere Personen wurden wegen der „Verhinderung der Durchsuchungen“, „Widerstand“ und „Einbruches“ angeklagt und festgenommen, weil sie eine Verhaftung, die an einem besetzten Haus stattfand, versucht hatten zu verhindern. Da die Türen des Hauses zerstört waren und sie diese wieder reparierten, wurden sie des Einbruches beschuldigt, weil das Haus ja besetzt war.
Von den 15 Verhafteten die dem Richter vorgeführt wurden, lies man fünf davon in U-Haft einsperren und die restlichen wurden unter Auflagen freigelassen, die Anklage blieb weiterhin bestehen. Im Laufe der nächsten 2 bis 3 Monate wurden die Beschuldigten, die in U-Haft waren, aus dem Knast entlassen. Außer in der Operation Columna, wo Mónica und Francisco eine konkrete Tat vorgeworfen wurde, wurde in diesen Operationen den Gefährt*innen nur „Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe“ vorgeworfen. Es war nie die Rede von konkreten Aktionen oder Taten.
Am 31. Januar 2018 wurde auch dieser Fall eingestellt und alle Beschuldigten waren frei von der Anklage, Mitglieder in einer „terroristischen Organisation“ zu sein.

Pandora 2.0

Am 28. Oktober 2015 wurden wieder 9 Personen verhaftet, wovon acht von ihnen gegen eine hohe Kautionen (4000-5000 Euro) entlassen wurden. Ein weiteres Mal wurden mehrere Wohnungen und anarchistische Zentren in Barcelona und Manresa durchsucht und ein weiterer Gefährte saß für drei Wochen in U-Haft und kam später auf Kaution ebenfalls raus.
Im Juni 2016 erreichte uns die Nachricht, dass der Fall von der Richterin eingestellt wurde und somit alle Beschuldigten frei waren. Die Richterin war der Meinung, dass die Polizeieinheiten die die Ermittlung führten (in diesem Fall die Mossos d´Esquadra) „nur feststellen konnten, dass die ermittelten Personen mit Personen aus dem anarchistischen Kollektiv in Verbindung standen, einige von ihnen mit Vorstrafen“. Die Berichte der Cops konnten nur darüber informieren, dass „Treffen stattgefunden haben, sowie Besuche in Gefängnissen“. Die Richterin konnte daher keinen Zusammenhang und keinen Beweis für die Mitgliedschaft in einer „terroristischen Organisation“ sehen. Mehr als 500 Cops waren notwendig, Monate lang zu ermitteln, um festzustellen, dass die Verhafteten in Beziehung mit Menschen aus den anarchistischen Kreisen standen.

Ice

Die Operation Ice fand am 4. November 2015 statt und es wurden 6 Personen in Madrid festgenommen. Von denen wurden zwei in U-Haft eingesperrt, einer wurde nach zwei Wochen entlassen. Ihnen wurde auch die „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ vorgeworfen sowie auch „Apologie des Terrorismus“, von dem bis dahin nie die Rede war. Leider können wir über diesen Fall nicht viel mehr berichten, weil es seit Jahren dazu auch keine neuen Infos mehr gab.
In allen Fällen wurde mit der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ eine direkte Verbindung mit den GAC-Grupos Anarquistas Coordinados/Koordinierte Anarchistische Gruppen gesucht. Diese Verbindung wurde auch internationalisiert, als gesagt wurde, dass die GAC die spanischen Zellen der FAI-FRI (Informelle Anarchistische Föderation, Internationale Revolutionäre Front) wären. Dies wurde in fast allen Fällen von der Polizei und auch der Presse so dargestellt und veröffentlicht. Die GAC hat sich nie für einen Anschlag oder sonstiges verantwortlich gemacht, sondern eher für die Veröffentlichung eines Buches und ein paar Texten. Die Presse hatte immer wieder von Anschlägen gegen Banken und sonstigen Institutionen geschrieben, bis jetzt (außer im Falle von Monica und Francisco) konnte dies von den Richter*innen nie bestätigt werden, bzw. es führte zur Einstellung aller Verfahren, außer im Falle von Operation Ice von der wir es nicht wissen.

Nicht zuletzt Aachen

Im Sommer 2016 wurden zwei weitere Anarchist*innen in Barcelona verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert. Im November 2014 fand eine Bankenteignung in Aachen statt und die beiden wurden beschuldigt, sich daran beteiligt zu haben. Nach einem 24 tägigen Verfahren im Jahre 2017 kam es zu einem Freispruch und zu einer Verurteilung von 7 Jahren und 6 Monaten. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte die beiden, das erbeutete Geld für anarchistische Zwecke in Spanien verwendet zu haben. Eine der Beiden war in einer der oben genannten Operationen betroffen.

Resumeé

15 Anarchist*innen landeten im Laufe dieser Operationen im Knast, von denen zwei verurteilt wurden und insgesamt gab es 69 Verhaftungen unter dem Antiterrorgesetz. Für die anarchistische Bewegung bedeuteten diese Fälle auch ein Bündeln ihrer Kräfte, weil viel Energie, Zeit und Geld in diese Sachen reingesteckt wurden. Alleine das Aufbringen von mindestens 85.000 Euro hat die Bewegung finanziell zerschlagen und durch die Solidaritätsarbeit konnten andere Kämpfe nicht geführt werden.
Diese Welle ist in ihrer Kontinuität ein neues Ereignis innerhalb der anarchistischen Bewegung in Spanien was seit der Diktatur nicht bekannt war. Andere Schläge in der Vergangenheit differenzierten sich durch hohe Strafen, wie in den Spät 90ern und Anfang 2000. Die Qualität dieser Operationen zeigte sich auch in der drauf folgenden Kontinuität der Verhaftungen. Es ging Schlag auf Schlag. Diese waren aber nicht die einzigen Repressionsfälle in den letzten Jahren, denn in den letzten Jahren gab es in unterschiedlichen Städten in Spanien mehrere Repressionsschläge, bei denen immer wieder Gefährt*innen Haftstrafen absitzen mussten.

Antiterrorgesetz

– Erstes „Antiterrorgesetz“ in Spanien vom 10. Juli 1894, „über Anschläge gegen Menschen oder Schaden an Dingen, die mittels Gegenständen oder Sprengstoff vollbracht wurden“.
– Am 2. September 1896 wurde dieser mit der Betonung auf den Gebrauch von Sprengstoff und der Verbindung zu einer politischen Idee als wichtige Eigenschaften für Verbrechen des Terrorismus erweitert.
– Im Oktober des Jahres 1934 wurde das erste Antiterrorgesetz, welches als solches verstanden werden kann, eingeführt. Denn die subjektive Verbindung zwischen dem Ziel und dem Mittel wurde festgelegt.
– Im Jahr 1935 war dann in diesem Gesetz, das erste mal von „Terrorismus“ die Rede.
– 1940 – 1964 Tribunal Especial para la Represión de la Masonería y el Comunismo (Sondergerichtshof für die Repression gegen Freimaurerei und Kommunismus), dieses Gericht befasste sich unter anderem auch mit der Bekämpfung von Terrorismus (auch wenn es noch nicht so benannt wurde). Die Machtergreifung durch Franco und seine faschistischen Büttel erfolgte im Jahr 1939. Um die Fassade der Justiz zu bewahren, gründete das Regime unter Franco solche Sondergerichte. Denn sie würden die Instanzen werden, die die landesweiten Guerillas, illegalen Streiks (Streiks waren unter Franco verboten), verbotene Parteien und Organisationen bekämpfen und verfolgen würden.
Der Vorläufer des jetzigen Antiterrorgesetztes welches 1971 eingeführt wurde, beruhte auf dem „Gesetz der öffentlichen Ordnung“ von 1959. Vor allem weil in Spanien von 1936 bis 1953 das Kriegsrecht geltend war. Von da aus wurden alle Verbrechen, die als terroristische eingestuft, aber nicht als solche definiert wurden, in einem Militärgericht verhandelt. Es erlaubte den Cops alle möglichen Aktionen durchzuführen. Dieses Gesetz wurde auch als die Erweiterung eines permanenten „Ausnahmezustandes“ bezeichnet, da alle Rechte und Freiheiten durch die polizeiliche Ermittlung aufgehoben wurden.
Das erste mal wo es in ganz Spanien eingesetzt wurde, war am 24. Januar 1969. In Madrid z.B., wurden alle Universitäten geschlossen und über 300 Student*innen verhaftet. Sämtliche „Bürgerrechte“ wurden aufgehoben. Der damalige Informations – und Tourismusminister Fraga Iribarne sagte folgendes: „ gegen die Aktionen einer Minderheit zu kämpfen, die systematisch darauf zielen die spanische Ordnung zu stören… und die Jugend in eine Orgie des Nihilismus und der Anarchie bewegen.“ Der Grund dafür waren Proteste von Student*innen auf verschiedenen Universitäten, die sich radikalisierten und Tage davor begonnen hatten, Symbole des Regimes zu zerstörten und sich stundenlange Krawalle mit den Cops lieferten.
Am 20. Januar sprang der Student Enrique Ruano Casanova aus dem 7ten Stock einer Polizeiwache, wo er sich seit 48 Stunden befand und gefoltert wurde. Dies führte zu großen Protesten auf den Straßen des ganzen Landes.
Mit dem Ausnahmezustand konnte jeder Mensch zu jeder Zeit ohne Gründe festgenommen werden.
– 1963 – 1977 Tribunal de Orden Público (Öffentliches Ordnungsgericht), dieses Sondergericht war zuständig für die Bekämpfung von Terrorismus, Streiks und Aufständen. Die meisten Richter*innen der TOP übten in der Demokratie weiterhin ihre Berufe aus. Die ersten demokratischen Wahlen waren im Jahr 1978. In Spanien wurde der Fassade ein neuer Anstrich gegeben, die Institutionen wurden demokratisiert, die Beamt*innen waren aber immer noch die gleichen alten Faschist*innen.
Das Strafgesetz von 1973 verurteilte schon die „Mitglieder einer bewaffneten Gruppe oder terroristischen – rebellischen Gruppe, die in Zusammenarbeit mit ihren Zielen jedes Verbrechen beging, um ihren Zielen näher zu kommen. Sowie die Benutzung von Waffen, Bomben, Granaten, Brandsätzen, etc.“
Um dieses Gesetz zu erfüllen, musste jede Bande oder Gruppe mehr als zwei Mitglieder haben und Waffen besitzen. Da eine Gruppe von Einbrechern auch mal Waffen besitzt, heißt dies noch lange nicht, dass sie die gegenwärtige Ordnung stürzen wollen, daher war das Gesetz auch auf die politische Orientierung der Gruppen fixiert. Das heißt, wenn eine Gruppe von vier „Roten“ Propaganda gegen das Regime verteilt hat und/oder einen Brandsatz gegen eine Polizeiwache geworfen hat, wurden sie als eine bewaffnete Gruppe eingestuft. Normalerweise nachdem sie volles Programm auf die Fresse bekommen hatten, wären sie für so eine Strafe nicht mit voller Härte verurteilt worden. Dafür gab es andere Gruppen und Beispiele.
1975 wurde noch ein härteres Antiterrorgesetz verabschiedet, welches zu der Schließung „fortschrittlicher“ Zeitungen führte und auch die Todesstrafe ins Gesetz einführte. In den Jahren davor wurden in der Diktatur in Spanien Menschen in den Militärgerichten zum Tode verurteilt, diese Änderung war für das zivile Recht. Jenes Gesetz richtete sich gegen:
„kommunistische, anarchistische, separatistische Gruppen oder Organisationen, genauso wie jene, die das Benutzten und die Befürwortung von Gewalt als Mittel der sozialen und politischen Gewalt benutzten. Sowie jene, die egal in welcher Form, die Propaganda der ernannten Gruppen oder Organisationen verbreiteten, welches abzielte ihre Ideen und Tätigkeiten zu verbreiten.“
Mit diesem neuen Gesetz wurde erstmals auch die Unterstützung verurteilt.
Audiencia nacional 1977 (Terrorismus, Drogenhandel und organisiertes Verbrechen)
Seit dem Tod von Franco und der Einführung der Demokratie, hat die Definition und die Bekämpfung von Terrorismus neue Formen bekommen. Dennoch wurde erst 1995 das Strafgesetzbuch verändert, welches auf dem Gesetz von 1973 basierte. Das Verbrechen von „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe“ wurde umgeändert in „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“. Dies heißt, dass das Benutzen oder Besitzen von Waffen nicht mehr eine Voraussetzung sein sollte, um nach diesem Gesetz festgenommen zu werden. Auch war es das erste mal, wo das Verbrechen des individuellen Terrorismus geltend gemacht wurde, aber noch nicht so hart, wie im Falle einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation.
2001 wurden in Spanien die Gesetzte nach den Anschlägen in den USA verschärft. In Spanien wurde alles, was mit politischer Gewalt zu tun hatte, mit der baskischen Organisation ETA verglichen oder in Verbindung gebracht. Auch wenn diese Gesetzesänderung etwas spät kam, wo gerade in den 80ern und 90ern es noch einige ArbeiterInnenkämpfe und Konflikte gegeben hatte, sollte es den Konflikt im Baskenland ein für allemal zugunsten des spanischen Staates entscheiden. Vor allem, weil in Spanien lange ein Unterschied gemacht wurde, ob politische Straftaten im Baskenland oder außerhalb dessen stattfanden. Für das Verbrennen eines Containers oder das Werfen eines Brandsatzes im Baskenland wurde das Antiterrorgesetz angewandt, im Rest Spaniens nicht oder eher sehr selten.
2010 wurde das Antiterrorgesetz auf jene erweitert die „auf einer schlimmen Art den öffentlichen Frieden beeinträchtigten“. Jedes mal wurden auch die Strafen härter.
2015 wurde in Spanien das berühmte Maulkorbgesetz sowie ein neues Antiterrorgesetz und das Anti-Dschihadismus Paket verabschiedet (anwendbar auf vieles). Es war das erste Mal, wo Gewalt nicht mehr eine Voraussetzung für die Beeinträchtigung der öffentlichen bzw. gesetzlichen Ordnung war und ein einzelner Mensch als eine gesamte terroristische Organisation verurteilt werden konnte. In Spanien ist seitdem die Definition des Terrorismus dehnbar wie ein Kaugummi geworden. Nicht nur deswegen, sondern auch weil es eines der härtesten in Europa ist.
Die Festnahme. Im Normalfall wenn ein Mensch in Spanien unter dem Antiterrorgesetz festgenommen wird, wird diese Person nachts von einem Spezialkommando der Polizei (alle Einheiten der Polizei in Spanien haben solche Kommandos) zu Hause festgenommen. Die Türen der Wohnung werden gesprengt oder eingeschlagen und die Verdächtigen werden mit gezogener Waffe aus dem Bett gezerrt. Danach wird die Person nach Madrid abtransportiert. Auf diesen Reisen fängt die Folter auch meistens schon an, weil die Cops die verhaftete Person zusammenschlagen, wo sie fünf Tage lang ohne Kontakt zu der Familie oder des Anwalts verhört wird, Folter ist meistens der Fall. Nach dem Verhör wird die Person vor den Richter gebracht, der dann entscheidet, ob diese ins Gefängnis kommt oder nicht. In den jüngeren Ereignissen, wie die der Repression gegen die anarchistische Bewegung, haben wir gesehen, dass dies nicht immer zustande kommen muss. Die Repressionsbehörden verwenden diese Maßnahmen fast immer.

F. I. E. S.
Ficheros de Internos de Especial Seguimiento

Ist eine Reihe von Maßnahmen, welche von den spanischen Knastbehörden benutzt wird. Es dient dazu Gefangene, sei es aufgrund ihrer Urteile/Verbrechen, der Laufbahn im Knast, Mitgliedschaft in einer kriminellen oder bewaffneten Gruppe, abzusondern, um eine größere Kontrolle auf sie ausüben zu können. Denn in den Augen der Behörden geht eine Gefahr von diesen Gefangenen aus, die die Ordnung innerhalb des Knastes aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Die Gefangenen sollen mit FIES zerstört werden. Vor allem geistig. Es ist der höchste Ausdruck der Folter im Knast.
Die PSOE (Partido Socialista Obrero Español, spanische sozialistische Arbeiterpartei) hatte 1989 geplant FIES an Mitglieder bewaffneter Gruppen anzuwenden, jedoch passierte dies zuerst bei rebellischen Gefangenen, die an Revolten, versuchten Ausbrüchen oder Entführungen von Schließern teilgenommen hatten.
1991 wurde FIES offiziell in die Dienstanweisung der spanischen Gefängnisse eingeführt und ab 1996 regulär angewendet. Seit 2009 ist es offiziell als illegal erklärt worden, weil es die Rechte der Gefangenen verletzt. Trotzdem wird es weiterhin benutzt.
Alle Gefangenen in Spanien, die wegen politischen Taten verurteilt wurden, sind immer sofort FIES-Gefangene. Die Anzahl anderer FIES-Gefangener ist gerade unbekannt, aber man rechnet mit mehr als 600 Personen.

Kategorien

FIES 1 Direkte Kontrolle: Knackis, die als sehr gefährlich eingestuft werden. Knastausbrüche begangen haben, Schließer oder andere Autoritäten innerhalb der Knäste verletzt haben.
FIES 2 Organisiertes Verbrechen: Mitglieder krimineller Organisationen, die finanzielle Profite durch Drogenhandel, Geldwäsche oder Menschenhandel betrieben und erwirtschaftet haben.
FIES 3 Bewaffnete Gruppe: ETA, GRAPO, Anarchist*innen, Separatist*innen aus Katalonien und Galizien…
FIES 4 Cops oder Schließer*innen: Um sie von den anderen Knackis zu schützen.
FIES 5 Besondere Fälle: Gilt für die Verbrechen, die mit viel Gewalt oder besonderen Charakteristiken ausgeübt wurden. Genauso für Mitglieder rassistischer oder faschistischer Gruppen, Menschen die auch ohne islamischen Terrorismus verurteilt wurden, aber eine sehr affine Haltung zu dem radikalen Islamismus haben. Sowohl als auch für Aussteiger*innen von Gruppen, die andere verraten haben, Pädophile… und bis 2006 auch für Totalverweigerer, sprich Menschen die den Militär- und Sozialdienst verweigert haben.
In den Dateien von FIES sind alle Informationen eines Gefangenen enthalten, sowie von den Auseinandersetzungen im Knast, Urteile und jegliche Kommunikation mit der Außenwelt. Die Überwachung ist allumfassend.

Charakteristiken von F.I.E.S.

Mehr oder weniger folgende, auch wenn sie variieren können
Um eine bessere Kontrolle ausüben zu können, werden folgende Maßnahmen angewendet:
– Eingriff in den Briefverkehr (alle Briefe werden gelesen und fotokopiert), genauso werden Informationen über den Absender gesucht.
g Eingriff bei Besuchen (alle Gespräche werden gefilmt und aufgenommen).
– Eingriff auf die Zeitschriften, Bücher und Zeitungen, vor allem wenn es keine Pflichtexemplare sind. Oder sie werden von der Knastdirektion als gefährlich eingestuft. Es muss auch immer eine genaue Angabe der Lektüre gegeben werden (Autor, Verlag, ISBN…).
– Tägliche Beobachtung seitens der Schließer*innen zu den Tätigkeiten des Gefangenen (Freund*innen, Spaziergänge im Hof, Lektüre, etc)
– Überwachung der Anwaltsgespräche.
– Kontrolle der Anwälte, deren Namen, etc.
– Jede Beschwerde an die Behörde wird den Knastalltag beeinträchtigen.

Beschränkungen

Einige der Beschränkungen, die angewendet werden, sind folgende:
– Wenn ein Arzt außerhalb des Knastes besucht werden soll, muss ein Antrag bei der Knastleitung beantragt werden. Für einen Besuch innerhalb des Knastes, muss es begründet sein.
– Spezifische Kontrollen bei Verlegungen.
– Regelmäßige Verlegungen in Gefängnisse, ohne dass die Nähe der Familie eine Rolle spielt.
– Die Gefangenen dürfen nach 2/3 der Strafe nicht frühzeitig entlassen werden. Bei guter Führung erst nach ¾ der Strafe.
– Häufige Zellendurchsuchungen.
– Verbot mit anderen Gefangenen eine Zelle zu teilen.
– Verbot an irgendwelchen Aktivitäten oder Arbeiten teilzunehmen.
– Dürfen nicht mehr als zwei Bücher, sowie zwei Kleidungsstücke besitzen, manchmal auch nur jeweils eins.
– Die im geschlossen Vollzug sind (in FIES) müssen alleine in ihrer Zelle essen und dürfen eine bis zwei Stunden am Tag auf den Hof (10m2) alleine.
– In einigen Fällen befinden sich in der Zelle keine Möbel oder Spiegel.

Bei FIES 1 gilt zusätzlich:

– Alle zwei Wochen werden alle Räumlichkeiten des Knastes durchsucht und täglich jene, wo mehrere Gefangene miteinander Kontakt haben.
– Regelmäßige Zellendurchsuchung.
– Tägliche Berichte an die Knastbehörden über die Gefangenen (Verhalten, Beziehungen zu anderen Gefangenen).
– Regelmäßiger Zellentausch innerhalb des Knastes.

Reflexion

Seit dem Ende der bewaffneten Aktionen von der ETA und deren vermutlich baldigen Auflösung muss der spanische Staat eine neue Gefahr schüren. Denn in Spanien werden so Wahlen gewonnen und für die herrschenden Parteien ist es eine wichtige Quelle ihres Daseins. Inwieweit sich die Hysterie um Terrorismus noch auf soziale Bewegungen und die anarchistische Bewegung verschieben wird, werden wir in den folgenden Jahren sehen. Was wir dennoch sehen können ist, dass innerhalb Spaniens, jede Form von Dissidenz im Keim erstickt wird. Sie muss nicht mal revolutionär sein, sondern nur innerhalb der Augen der Herrschenden stören. Dies beweist die Inhaftierung von Rappern, Menschen die sich an Streiks beteiligt haben sowie anderen sozialen Kämpfen und letztendlich bei der anarchistischen Bewegung. Innerhalb und außerhalb des Baskenlands werden nach wie vor viele im Zusammenhang mit der baskischen Befreiungsbewegung verhaftet und der spanische Staat hat vor einigen Tagen verkündet, dass er die Gefangenen der ETA nach wie vor in Isolationshaft behalten wird.
Die Repression in Spanien, ähnelt jener Hexenverfolgung der Vergangenheit, wo eine perfekte Synchronisation zwischen den Medien, der Repressionsbehörden und dem Staat den Alltag bestimmte. Denn die Operationen, die in diesem Text erwähnt werden, folgten einer langen medialen Kampagne, in der sehr lange über die anarchistische Gefahr in Spanien berichtet wurde. Zeitungen, wie EL PAIS oder La Vanguardia, veröffentlichten vor einigen Jahren immer wieder lange Artikel darüber.
Die Jahre vor der Krise in Spanien ließen sich durch einen perfekten sozialen Frieden ausdrücken, es gab fast keine sozialen Kämpfe und die Menschen vertrauten den Herrschenden, solange sie ihren elendigen Lohn am Ende des Monats erhielten. Seit dem Einbruch der Krise, wo vielen bewusst geworden ist, dass ihr Leben ein Dreck wert ist, wuchs eine Unzufriedenheit. Auch wenn sehr reformistisch und nie eine Gefahr für das Kapital bestand, mussten innerhalb dieser Proteste die radikaleren Flügel zerschlagen werden. Obwohl diese nur von einer Minderheit getragen wurden und nach wie vor getragen werden.
Die Repression gegen die anarchistische Bewegung hat ihr nicht erlaubt sich mehr in die sozialen Kämpfe einzubinden, um diese evtl. zu radikalisieren oder um eben Kämpfe aus einer anarchistischen Praxis führen zu können. Stattdessen bindet die Solidaritätsarbeit viele Menschen sowie viele Mittel und Zeit. Die Repression hat auch dazu geführt, dass einige aus Angst, denn Repression wirkt auch immer Präventiv, aufgehört haben zu kämpfen oder sich reformistischen und bequemeren Positionen angeschlossen und angeeignet haben, von denen sie sich erhoffen keine Repression erleiden zu müssen.
Sowie es häufig der Fall ist, wird sich in Spanien mit der Zeit aus den jetzigen Trümmern eine neue anarchistische Bewegung gründen, finden und aufbauen die hoffentlich aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und sich vom Trugbild des Reformismus, von dem Spektakel der Politik, von den leicht verdaulichen Ideen los sagt.

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