War das schon das Bild aus der Zukunft?
Thesen im Rückblick auf das Protestspektakel vergangenen Montag in Leipzig und im Ausblick auf eine Eskalation des Heißen Herbstes
1.Ein Bild aus der Zukunft…
Mit großen Erwartungen wurde dem vergangenen Montag (5.9) entgegen geblickt: Sören Pellmann, MdB der Linkspartei, initiierte mehr oder weniger im Alleingang eine Montagsdemonstration gegen die Teuerungen und die kommende Krise, die sich offen an die Proteste gegen die Hartz4-Reformen im Jahr 2004 anlehnen wollte. Während der Elsässer Jürgen und Ziegenbauer Kubitschek sich eine kommenden Querfront herbeisehnten, standen die Irene Kokot und Jürgen Kasek mit einem derart flauen Gefühl am Morgen auf, dass sie gleich ganz Linkstwitter davon in Kenntnis setzen mussten, sämtliche Journaillie von MDR über Sat.1, Compact oder gar ServusTV war mit Kamerateams vor Ort, der Auftakt zum heißen Herbst wollte gründlich aufgezeichnet werden. Nicht gering daher auch die Aufregung unter den eigenen Gefährt*innen, sodass doch das ein oder andere Gesicht zu sehen war, was sich zuletzt nicht mehr allzu häufig auf die Straße verirrt hatte. Auch die Vorbereitung auf die Demo war gründlicher – aber aufgrund der Unklarheit der Situation auch etwas schwieriger als üblich. All die Aufregung: wenig verwunderlich, steht der Bevölkerung der Bundesrepublik doch die größte soziale Verwerfung mindestens seit den Hartz-Reformen der rot-grünen Bundesregierung ins Haus – mitunter sogar recht handfest in Form abenteuerlich teuren Einkäufen in Supermärkten oder den kommenden abstrus Erhöhungen von Gas, Strom, Energie.
2. Wo gehts hier, bitteschön, zum Handgemenge?
Der Rückblick auf dem Montag macht dann aber deutlich: nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird – was angesichts der kommenden Krise eher beunruhigt als dass es uns ruhig schlafen lässt. Den Schweinen gelang es weitestgehend eine Lagertrennung durchzusetzen, sodass es, von den leipzigtypischen kleineren Scharmützeln abgesehen, weder den Rechten gelang auf der Kundgebung der Linkspartei – gemäß der Strategie von Compact – offen mit Deutschlandfahnen, noch anderweitig präsent zu sein. Noch gelang es der parlamentarischen wie außerparlamentarischen Linken eine Massendynamik der Empörung über die Preissteigerungen zu erzeugen oder, wenigstens, systematisch rechte Kader zu konfrontieren, sondern es blieb bei den üblichen Sitzblockaden-Spielchen, die keinen Wutkleinbürger davon abhalten werden, weiterhin bei den Rechten herumzulaufen.
Alles wie immer also? Im großen und ganzen leider ja. Nun, zunächst kann keine der beteiligten Gruppen wirklich glücklich mit dem Verlauf des Montagabends sein. Am wenigsten die Rechten, weshalb AfD gegen Freie Sachsen und Kubitschek gegen beide herumgiften: weder gelang es ihnen, mehr oder andere Leute als die, dieohnehin zu diesem Milieu sich zählen, zu mobilisieren, noch gelang es eine Querfront mit Teilen der Linkspartei zu bilden. Ähnliches gilt zugleich aber auch für die Linkspartei: eine Teilnehmer*innenzahl im niedrigen vierstelligen Bereich erzeugt kaum Schwung für den beschworenen „heißen Herbst“. Außerdem sind Linkspartei und die außerparlamentarische Linke Leipzigs im Wesentlichen unter sichgeblieben. Bisher unorganisierte, aber von den Preissteigerungen frustrierte Proletarier*innen blieben der linken ebenso wie der rechten Demo fern. Von der Dynamik der als Referenz so bemühten Montagsdemos gegen Hartz4 2004 war kaum etwas zu spüren. Beide Demos blieben ihren Ritualisierungen verhaftet, es ist daher kaum zu antizipieren, welche Rolle beide Akteure in den kommenden Krisenprotesten spielen werden.
Tendenziell von Vorteil ist diese Lage für die radikale, außerparlamentarische Linke, denn diese zieht ihre – im Verhältnis zu den genannten Akteuren aber unvergleichlich geringere – politische Handlungsmacht nicht aus leeren Versprechen des Linksparlamentarismus oder rechter Ressentimentmobilisierung. Sie ist im Gegensatz zu populistischen Bewegungen weniger auf zentrale Ereignisse angewiesen, sondern zieht – sofern sie es schafft, sich aus ihren Sektenhaftigkeit zu emanzipieren – ihre Handlungsmacht aus dem Prozess der Selbstorganisierung in den sozialen Kämpfen. Im Gegensatz zur Rechten und zum Linkspopulismus kann sie im besten Fall nicht nur Versprechungen, sondern konkrete gegenseitige Hilfe anbieten: in Form von Arbeitskämpfen bei FAU oder in gewerkschaftsoppositionellen und klassenkämpferischen Gruppierungen, die die Verwaltung des Kapitalverhältnisses durch den DGB sabotieren, in Form von Mieter*innenvernetzung, in Form von Stadtteilpolitik oder Solidarischen Netzwerken, in Form handfester Verteidigung vor Faschos in oder ohne Uniform.
Gleichwohl verlief auch für die außerparlamentarische radikale Linke der Montagabend nicht erfolgreich: durch die Blockade der rechten Demo wurde allenfalls der Status Quo auf der Straße bestätigt, an den Kräfteverhältnissen wurde nicht gerüttelt. Da dieses Verhältnis aber insbesondere in Sachsen eine Hegemonie der Rechten außerhalb einschlägiger Szenehochburgen wie Dresden-Neustadt sowie im Leipziger Süden, Osten und Westen bedeutet, die sich in der Hinnahme rechter Mobilisierungen weitestgehend ohne Widerspruch ausdrückt, ist dieser Status Quo angesichts der kommenden Proteste zu wenig, um eine rechte Massenmobilisierung abzuwehren. Selten standen die Chancen im Vorfeld zu gut, Elsässer zwischen die Hände zu bekommen und mit den Bildern eines blutenden Jürgen viele Wutkleinbürger von ihrem hohen Ross der kulturellen Hegemonie in Sachsen herunterzuholen. Das diese Chance ebenso verpasst wurde als auch die Wahlkampfinszenierung der Linkspartei zu sabotieren, sondern Kokot und Kasek im Interesse ihrer Bundesparteien und diese wiederum im Interesse des Kapitals und des Standorts Deutschland, sich freuen dürfen, dass die Proteste so harmlos verliefen, macht deutlich, dass auch die außerparlamentarische Linke keine Gewinnerin des vergangenen Montagabends ist.
Gleichwohl zeichnet die Lage vom Montag zumindest im Negativ die Linien des Bildes aus der Zukunft: in den kommenden Kämpfen wird einerseits die Beharrlichkeit und Geduld der Militanten in den Basiskämpfen, in der Begegnung und den gemeinsamen Kämpfen unter den aus der linken Szene oder auch nicht stammenden Betroffenen der Teuerungen sein, aber auch der Erfolg der Organisierung gegenseitiger Hilfe und kollektiven Kampfes gegen die Wahlkampfversprechen der Linkspartei und der Mobilisierung von Ressentiments durch die Rechte entscheidend sein. Damit konnte die radikale Linke zumindest Erfahrung mitnehmen, die es ihr ermöglichen würde, die sich abzeichnende Protestkonstellation zu antizipieren und sich entsprechend auf den Herbst und Winter vorzubereiten.
Zufrieden sein können allerdings die Schweine, denen es trotz ihrer knappen Personalzumessung gelang, abgesehen von ritualisierten Scharmützeln, die Kontrolle über die Leipziger Innenstadt zu behalten ebenso wie die regierenden Parteien und ihre Lakaien wie Jürgen Kasek und Irene Kokot: vor derartigen Krisenprotesten müssen sie bedauerlicherweise keine Angst haben. Bleiben diese weiter in der Ritualisierung verhaftet und behäbig, droht dem neoliberalen Krisenmanagement keine gefährliche Gegenmacht – weder aus der Rechten, noch aus der staatstragenden wie der außerparlamentarischen Linken. Gelänge es hingegen der außerparlamentarischen Linken, diese Kundgebungen zu nutzen, um die Wahlkampfinszenierung der Linkspartei zu durchkreuzen und sie zu einem Ort proletarischer Ermächtigungserfahrung zu machen, könnten Massenkundgebungen durchaus ein Moment der Eskalation des sozialen Kampfes um die Teuerungen bilden. Die Möglichkeitsbedingungen dieser Ermächtigungserfahrung sind lokal jedoch verschieden, sodass sie nur entlang der konkreten Zusammensetzung der Proteste antizipiert werden können; vorstellbar erscheint jedoch eine weites Feld an Aktionsformen von Wortergreifung oder Begegnung und Vernetzung von Betroffenen auf den Kundgebungen über wilde Demoverläufe wie manif sauvage bis zu Plünderungen und out of control-Szenarien, sofern sich im Verlauf des Kampfes eine soziale Basis einer derartige Eskalation des Kampfes gebildet hat.
3. Das Spektakel des Ereignisses zerstören
Wie wirkt sich ein derart enttäuschender Montag auf die kommenden Krisenproteste aus? Vermutlich weniger als es sich Sören Pellmann oder Götz Kubitschek gewünscht haben. Sie machen aber deutlich, dass die außerparlamentarische radikale Linke sich durchaus in Geduld üben wird müssen: einzelne Protestevents werden nicht ausreichen, um die Krisenproteste zum praktischen Stellen der Systemfrage eskalieren zu lassen. Der Montag hat deutlich gemacht, dass es nicht einzelne Demos oder Kampagnen sein werden, die entscheiden werden, wie der Heiße Herbst und der Wutwinter verlaufen werden. Denn dafür hat man im Kampf um die Hegemonie im wutkleinbürgerlichen Milieu bereits viel zu viel Boden gegenüber der zersplitterten Rechten verloren. Ein Mob an WutbürgerInnen sammelte sich zwar am Rand der Auftaktkundgebung der Linkspartei und spekulierte über einen Auftritt von Querfronthoffnung Sarah Wagenknecht, sofern sie aber nicht von Jungantifas oder dem Ordnungsdienst der Linkspartei verscheucht wurden, verschwanden sie spätestens als die Demo der Freien Sachsen sich auf der gegenüberliegenden Seite des Augustusplatzes in Bewegung setzten. Während der Demo war die Linkspartei, verstärkt von autoritären Sozialist*innen und anderen Splittern der radikalen Linken, im wesentlichen unter sich selbst. Pellmanns Kalkül, ein wutkleinbürgerliches Milieu von der Rechten zu rekrutieren und als Wahlvieh der Linkspartei zu vereinnahmen, misslang somit. Der verführerischen Triebökonomie des Faschismus, die eigenen Ressentiments hemmungslos aussprechen und ausleben zu können und sich dabei zugleich von „denen da oben“ unterdrückt, aber auch an der Spitze einer unvermeidlichen Volkserhebung zu fühlen, kann kein Kampagnenslogan der außerparlamentarischen Linken, keine Wahlkampfversprechen der Linkspartei das Wasser reichen. Zugleich werden aber auch die die politikfernen- oder verdrossenen Milieus für linke Kampagnen, sei es Linkspartei, sei es Interventionistische Linke, genauso wenig zu erreichen sein wie sie sich von AfD, Freien Sachsen, Compact und so weiter konkrete Hilfe erhoffen und erwarten bei der Bezahlung von Strom- und Gasrechnung – zumal die Betroffenheit von den Teuerungen nicht nur vor Migrationsgeschichten nicht Halt macht, sondern aus einfachen Gründen der Sozialstruktur davon auszugehen ist, dass viele postmigrantische Milieus von den Teuerungen mit besondere Härte betroffen sein werden.
4. Der Antagonismus gegen den Antifaschismus
Die linksradikale Antwort auf die Teuerungen darf dennoch nicht im Spektakel des Antifaschismus verhaftet bleiben: erstens würde sich die die Szene andernfalls immer weiter von den gesellschaftlichen Kämpfen entfernen, aus welchen die Rechte überhaupt ihre Dynamik schöpfen kann – so ungenügend auch die rechten Krisenlösungen sein wollen, ihnen gelingt es dennoch gegenwärtig noch die Lücke zu schließen, die die Linke dort hinterlassen hat. Zudem verstellt der Antifaschismus die korrekte Feindbestimmung in der aktuellen Auseinandersetzung, denn für die Teuerungen ist nicht der linke Universalfeind, die braunen Jungs aus der Platte, verantwortlich, sondern ausgerechnet diejenigen, mit denen man sonst in Aktionseinheit gegen ebenjene braunen Jungs protestiert: die Avantgarde des grünen Umbaus des Kapitalismus, einer SPD, die deutlich macht, dass ihre Diagnose als Sozialfaschisten durchaus ihren Wahrheitsgehalt hatte, und eine neoliberale Klientelpartei der Bonzen, die im Gegensatz zu ihren Koalitionspartnern immerhin stets ehrlich war in ihrem Hass auf unsere Klasse sowie, bei aller Vermitteltheit, jene Einzelkapitale und Kapitalfraktionen, die gerade die Preise erhöhen. All das macht die rechten Krisenlösungen nicht richtiger, besser und erst recht nicht unterstützenswert, aber wenn der Antifaschismus nicht mehr Selbstschutz der von den FaschistInnen bedrohten gesellschaftlichen Spektren – und eines dieser Spektren ist eben auch die revolutionäre Linke – ist, sondern dem gegenwärtigen Trend folgend aus moralischer Sorge um den wiedergutgewordenen Standort Deutschland entspringt und dann das Bündnis mit staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Krisenverursachern und -profiteuren sucht, befriedet er einen gesellschaftlichen Kampf anstelle ihn aufzunehmen und zu gewinnen.
Zweitens gerät der Antifaschismus in die Gefahr, sich selbst zum Hauptwiederspruch zu erheben und sodann von jeder Realdialektik der sozialen Kämpfe zu abstrahieren: ihm entgeht dann die Dynamik, dass eine (mögliche) rechte Hegemonie nicht allein durch eine Isolation und – im besten Falle – Ausschaltung neofaschistischer Kader zu brechen ist, sondern indem eine radikale Linke mit konkreten Utopien in die antagonistische Offensive kommt: eine Offensive, die sich insbesondere angesichts von Staatsantifa und Zivilgesellschaft gegen Rechts, nur im Bündnis mit den konkret Betroffenen, nicht aber mit den Agenturen des demokratischen Krisenmanagements herausbilden kann. Um es nochmal in aller Deutlichkeit zu sagen: in der Krise ist der Staat und die ihm vorgelagerte Zivilgesellschaft der besseren Deutschen kein Verbündeter gegen die braunen Jungs aus der Platte, sondern sie sind selbst elementare Bestandteile des Krisenarragements, das es zu zerstören gilt. Diese Zerstörung setzt aber die Verwirklichung konkreter Utopien voraus, wobei die Verwirklichung auf permanenter und offensiver Konfliktualität mit den Organen der Herrschaft wie auf der gegenseitigen Hilfe in den Basiskämpfen baut und nicht auf einer vermeintlichen Übernahme des Staates durch das Proletariat oder ähnliche neostalinistische Phantasien. So sehr der Antifaschismus in den kommenden Kämpfen seine Notwendigkeit in der konkreten Abwehr neofaschistischer Angriffe auf die Träger*innenschaft der Krisenproteste hat, darf er den Antagonismus nicht überdecken und das heißt: eine gewisse Konfusion, Verwirrtheit und Diffusität der einzelnen Subjekte in diesen Kämpfen nicht als Bedrohung, sondern als individuelle Verarbeitung eines umkämpfen sozialen Terrains zu verstehen. Dieses Terrain zu erobern heißt: die eigene konkrete Utopie im selbstorganisierten Kampf zu verwirklichen.
5. 2022 – das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen.
Im Prozess der aufständischen Zuspitzung der gegenwärtigen Krise dürfen zudem die psychologischen Beharrungskräfte eines Großteils der Betroffenen von den Teuerungen nicht übergangen werden. Dass soll nicht heißen, dass die Militanten der außerparlamentarischen Linken ihrerseits nicht betroffen sind und sein werden. Aber wenn auch nur ein Anteil der 40% der Bevölkerung, die sich aktueller Marktforschung nach vorstellen können, im Zuge der Krisenproteste auf die Straße zu gehen, das wirklich machen, wird man dort eben nicht nur die üblichen Verdächtigen treffen, sondern viele Menschen, die linksradikalen Antworten auf die Krise skeptisch und ablehnend gegenüber stehen – selbst wenn sie sich schon im Antagonismus zur staatlichen Krisenverwaltung sehen. Von der Kritik am Block an der Macht zur Verallgemeinerung des Ladendiebstahls oder der Autoriduzione ist es eben ein manchmal längerer Weg als unsere spontanistischen Hoffnungen es sich wünschen. Wie aus dem Protestspektakel zur Zerstörung der herrschenden Ordnung übergegangen werden kann, ist dabei nicht durch eine Generallinie á la iL zu bestimmen, sondern ist in einem hohen Grad von der (Klassen-)Zusammensetzung der lokalen Kämpfe abhängig. Für den Ausgang der Krisenproteste im Sinne einer Eskalation wird es, unserer Ansicht nach, daher wichtiger sein, selbst als Betroffene in den lokalen Kämpfen aktiv zu sein als eine große allgemeine Strategie vorzuschlagen, zu befolgen und Abweichungen im Sinne des bekannten linken Sektenwesens zu befolgen. Will die radikale Linke die Krisenproteste nicht befrieden, sondern eskalieren lassen, wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als ihre eigene Betroffenheit als Teil der Allgemeinheit der Betroffenheit unserer Klasse zu erkennen und nicht als irgendwie geartete Avantgarde, als Politpfaffen die Menschen für dumm zu verkaufen. Konsequenz dieser Betroffenheit ist die gegenseitige Hilfe als kollektivem Egoismus von Teilen der Arbeiter*innenklasse, die sich die höheren Gas- oder Essenspreise einfach nicht mehr leisten können und daher auf verschiedenen Arten und Weisen die Preise hinabsetzen werden müssen: angefangen von KüfAs, Wärmestuben und Selbstverteidigung von Zwangsräumungen, wenn die Leute sich die Miete nicht mehr leisten können bis zu Verallgemeinerung von Ladendiebstahl, massenhaften proletarischem Einkauf, Besetzungen und selbstständiger Herabsetzung der Energiepreise (autoriduzione).
Die Basiskämpfe stehen dabei nicht im Widerspruch zur aufständischen Methodologie der permanenten Konfliktualität in der Autonomie der Kämpfe! Vielmehr ist der Basiskampf der einzige Ort, wo der gesellschaftliche Antagonismus von Kapital und Arbeit, konkret in Lohn, Preis, Profit erscheint. Will die Eskalation der Krisenproteste nicht einfach der Privatkrieg einiger revolutionärer Militanten sein, muss der kommende Aufstand am gesellschaftlichen Antagonismus angesiedelt werden. Dieser ist aber gerade der Basiskampf als Kampf der konkret betroffenen Proletarier*innen, Mieter*innen usw. und das Alltagsleben als konkrete Erscheinung der gesellschaftlichen Widersprüche. Damit ist keine revolutionäre Reinheit des Basiskampfes im Alltagsleben behauptet, sondern gerade die Zuspitzung des sozialen Kampfes in und zwischen den einzelnen Kämpfenden. Insofern ist es wesentlich offensiver und näher an der permanenten Konfliktualität, wenn man die Nachbar*innen vielleicht davon überzeugen kann, anstelle bei einer Petition zu unterzeichnen, lieber eine selbstorganisierte KüfA aufzubauen, als wenn die üblichen Verdächtigen den üblichen Black Block auf der üblichen Demo mit den leider zu wenig üblichen, offensiven Momenten des Straßenkampfes bilden. Gleichwohl ist natürlich richtig, dass zwischen den beiden Optionen keinesfalls ein sich ausschließender Widerspruch besteht, in der gegenwärtigen Zuspitzung des sozialen Kampfes erscheint nur eine Konzentration der Kräfte der marginalisierten Militanz sinnvoll – wenngleich freilich nur jede Affinitätsgruppe für sich entscheiden kann, wo der Ort dieser Konzentration auf dem sozialen Terrain sich befindet.
6. Gegen die Logik der Politik
Wer die Propaganda der Rechten – sei es in den Medien oder vergangene Montag in Leipzig – halbwegs verfolgt, kann beobachten, dass sich das reaktionäre Narrativ bezüglich der Preissteigerungen um zwei „Argumente“ gruppiert: zum einen wird eine Öffnung von Nordstream2 genauso wie ein Ende der Sanktionen gegenüber Russland, zum anderen eine Wiederin- oder Weiterbetriebnahme der deutschen AKWs gefordert. Es ist hier nicht der Ort, um dieses Narrativ zu widerlegen, derlei findet sich woanders; an dieser Stelle muss genügen, dass die Teuerungen nicht Ergebnis von ökologischer Transformation und dem Krieg in der Ukraine sind, sondern Ergebnis von Preiserhöhungen durch einzelnen Kapitalfraktionen sind, die sich als Krisengewinner profilieren wollen. Gleichwohl wird die radikale Linke in den kommenden Auseinandersetzungen mit der Frage ihres Verhältnisses zum russischen Angriffskrieg konfrontiert sein, welches bisher entweder aus liberaler Euphorie für das tapfere ukrainische Volk bestand oder, wesentlich sympathischer, aus Ignoranz gegenüber der Versuchung des Feldherrenhügels, den die radikale Linke doch nur besteigen könnte, wenn sie ihre Klasse verraten würde. Dementsprechend dünn wie richtig ist demnach, sich auch hier nicht auf das Feld der Politik zu begeben, sondern sich der imperialistischen Aufteilung der Welt zu entziehen, haben die Arbeiter*innen doch immer noch kein Vaterland. Damit einher geht weder die Leugnung eines Angriffskrieges durch Russland, des reaktionären Charakter des Putin-Regimes, der strategischen und wirtschaftlichen Interessen Russland, der NATO und der EU in der Ukraine, dem unermesslichen Leides, dass der russische Angriffskrieg unter der Bevölkerung der Ukraine hervorgerufen hat – sie ist vielmehr der Versuch der Parteinahme nicht für diese oder jene imperialistische Partei, die deren Differenzen nicht vertuscht, sondern für die von Krieg und Preissteigerungen betroffenen Segmente der Arbeiter*innenklasse. Versucht das rechte Narrativ den sozialen Kampf um die Teuerungen auf dieses Feld der (Welt-)politik zu ziehen und eine Stellungnahme und ein daraus folgendes Schisma zu provozieren, so wird die linksradikale Antwort sich genau dieser politischen Parteilichkeit entziehen und stattdessen in strikter Parteilichkeit die Konkretion des allgemeinen Antagonismus in den Basiskämpfen suchen müssen; in Basiskämpfen, deren Zuspitzung die Rechte nur im Sinne einer Verteidigung des Bestehenden verhindern kann. Der revolutionären Linken muss es aber um die Zerstörung des Bestehenden gehen: sie ersucht nicht die Rückkehr zur Normalität, denn sie weiß, dass die Krise die Normalität ist. Zerschlagen wir die Normalität und spielen wir mit ihren Trümmern. Basiskampf statt Parlamentarismus! Konkrete Utopie statt Wahlkampfversprechen! Aufstand statt Politik!
Für den Kommunismus!
Ergänzungen
Nachfrage
Mir gefällt euer Tet ja weitestgehend, auch wenn ich wohl eine etwas andere Vorstellung davon habe, wie sich sozialer Fortschritt entfaltet und welche Rolle der Staat dabei spielt. An einer Stelle erschließt sich mir jedoch ganz und gar nicht, wie ihr argumentiert:
Elsässer zu boxen ist nun grundsätzlich ein sympatischer Vorschlag, aber was genau würde das an der rechten kulturellen Hegemonie in Sachsen ändern? Zumal ihr ja die Insel-Lage Leipzigs diesbezüglichrichtig erkannt habt.
Die vorgeblich wissenschaftliche Analyse zum Auftakt des "Hei...
Die vorgeblich wissenschaftliche Analyse zum Auftakt des „Heißen Herbstes“ auf de.indymedia.org
Aus einer linken Perspektive die Welt zu betrachten, eröffnet viele Quellen für Unzufriedenheit und Aversionen. Es gibt auch derzeit keinen Grund für euphorische Äußerungen zur gegenwärtigen Entwicklung, nicht in der BRD und nicht global betrachtet. Es ist ein schier unlösbarer Knoten aus verschiedensten Problemfeldern entstanden oder vielmehr sichtbar geworden, der aber nicht in der Manier des Makedonen-Königs einfach durchgehauen werden kann. Um es vorwegzunehmen, der vorliegende Text auf Indymedia schlägt aber genau das vor. Die Metapher des Knotens setzt nämlich den zur Machtausübung fähigen und willigen Akteur voraus, der zudem das passende Instrument – in der Erzählung das symbolische Schwert – geschickt und selbstbewusst führt.
Wer wäre das aber in der hier bemühten Erzählung vom konsequenten Klassenkampf? Wer ist mit dieser Darstellung und dem daraus abgeleiteten Aufruf adressiert? Das lässt der Text bewusst im Ungenauen, auch wenn an mancher Stelle die Begriffe Proletariat und Betroffene der hiesigen Kapitalverhältnisse bemüht werden. Um anschlussfähig zu erscheinen, werden explizit auch Betroffene beschrieben, die (noch) nicht der linken Szene entstammen. Weiterhin werden mit den Handlungsvorschlägen potenziell dann nur die gemeint sein, welche bei gewerkschaftlichen Kämpfen auf die FAU setzen und in mietrechtlichen Auseinandersetzungen den offenen Schlagabtausch beabsichtigen. Ausgeschlossen sind, auch wenn das Wort „Bevölkerung der Bundesrepublik“ fällt, die „Schweine“ (vermutlich die Cops), die Kapitalnutznießenden selbstredend, das wutkleinbürgerliche Milieu, die Rechten jeglicher Spielart, sogar mit der Nennung konkreter Personen. Soweit scheint die Freund-Feind-Kennung zu funktionieren. Doch dann holt man zum Schlag gegen einige gesellschaftliche Akteur*innen aus, denen man hier dezidiert die progressive Attitüde abspricht. An dieser Stelle offenbart das Autor*innenkollektiv (ich unterstelle mal die Urheberschaft mehrerer Personen) eine tiefsitzende analytische Schwäche, welche auf eine dogmatische Einteilung in Kategorien hindeutet. Es wird das sattsam bekannte Lied vom parlamentarischen System und den Machenschaften der politischen Parteien gesungen. Gleich mehrfach wird von den Autor*innen bewusst falsch behauptet, jene Parteien seien thematisch homogene Blöcke und die öffentlich wirksamen Mitglieder willfährige Lakaien entlang der Parteilinie. Dabei wird unterschlagen, dass mandatierte Parteimitglieder durchaus andere Meinungen haben und qua Amt Entscheidungen im Widerspruch zu Parteibeschlüssen fällen. Ferner sind Parteimitglieder, selbst oder gerade von aktuellen Regierungsparteien, mitunter so gefestigte Persönlichkeiten, dass sie wie Irena Rudolph-Kokot (Schreibweise mittlerweile geläufig) und Jürgen Kasek eine parteiunabhängige Agenda verfolgen können. Diese Parteien sind eben nur eine Organisationsform politisch aktiver Menschen und letztlich ein Instrument zum Bündeln gemeinsamer Überzeugungen. Für die beiden eben genannten und im Text, vermutlich aus Neid und Missgunst, diffamierten Menschen sind ihre Parteien mitnichten der unhinterfragte Dienstherr. Über die Strukturen, gesellschaftlichen Anliegen und tatsächlichen Machtverhältnisse im Wirtschaftsleben täuscht man sich bei den Gewerkschaften des DGB auch hinweg oder man lügt unverfroren, wenn man hier eine Komplizenschaft mit den Kapitaleignern und deren Verwaltung unterstellt. Proletarische Basiskämpfe ohne die etablierten Strukturen und deren aus Jahrzehnten gespeiste Erfahrung führen zu wollen, ist weltfremd. Eine solche Botschaft schwächt sogar die Wehrfähigkeit der abhängig Beschäftigten, deren Schlagkraft nur in der solidarisch orientierten Verbundenheit liegt. Gewerkschaften sind kein Selbstzweck. Sie sind wie die Parteien Instrumente zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen. Bei beiden Organisationsformen sprechen die Autor*innen den darin handelnden Personen per se lautere Intentionen ab. Das ist weder redlich, noch dient es dem selbst gesteckten Ziel, die Verhältnisse gerechter zu gestalten. Wenn man dann einen konsequenten Antifaschismus in Demonstrations- und Protestform auch noch als eine Art ritualisiertes Bühnenstück hinstellt, ist der analytische Fehlschluss vollkommen. Hier wird der rechte Straßenmob, auch braune Jungs genannt, als der Universalfeind für die, implizit als naiv eingestuften, Antifaschist*innen in den Blockaden genannt. Dass deren Analyse der Verhältnisse wegen breiter gesellschaftlicher Vernetzung via LnP und dem dort geführten offenen Diskurs nichts mit solchen Stereotypen gemein hat, unterschlagen die Autor*innen. Der Grund für all diese falschen Darstellungen dürfte einleuchten. Es geht um eine unverhohlene Selbstbeweihräucherung. Man wähnt sich als Verfechter*innen der reinen Lehre – des Kommunismus. Dieser Kampfbegriff wird dabei bewusst unscharf gelassen. An der Beschreibung dieser beschworenen Gesellschaftsutopie haben sich schon ganz andere Geistesgrößen versucht und bislang auch kein umsetzbares Programm entwickelt. Hier wird der große Wurf beschworen und quasireligiös beworben. Die profanen Tippelschritte (frei nach Hagen Rether) am Anfang und die langen ermüdenden Waffengänge gegen die reaktionären Kräfte auf verfassungsrechtlichem Boden lehnt man dagegen ab, würdigt gar die dabei Aktiven als Verirrte und schadhaft Handelnde herab. Ergänzend sollte hier erwähnt werden, dass der gesellschaftliche („allgemeine“) Antagonismus hiermit nicht geleugnet wird. Die als Reinform der angestrebten Auseinandersetzungen ökonomischer Klassen glorifizierten „Basiskämpfe“ werden auch von Menschen geführt, deren Ansinnen gesellschaftliche Fairness ist und nicht permanent die „Zerschlagung der Normalität“ des real existierenden Kapitalismus in vollem Umfang und sofort.
So geht die mit Vehemenz betriebene Spaltung des linken Politspektrums in Deutschland weiter voran. Vortreffliche Leistung, wertes Autor*innenkollektiv! Ihr seid hierbei noch nicht einmal besonders kreativ. Die Klassifizierung der Sozialdemokratie als Sozialfaschisten und somit als Hauptfeind gab es schon mal. Damals waren die Folgen verheerend. Nicht nur die kapitalistische Wirtschaftsordnung ließ man ungeschoren. Die Kräfte, die sich gegen die schlimmste Ausprägungsform dieser Wirtschaftsordnung hätten wehren können, wurden durch dieses spaltende Element neutralisiert. Insofern ist es widersinnig, die politische Verlorenheit des sogenannten „Wutkleinbürgers“ anzuprangern und gleichzeitig den ihm Entgegenwirkenden mit feindlicher Gesinnung zu begegnen. Zugutehalten kann man dem Text, dass die Orientierung in der Querfront als das wiederholte Tappen in die politische Falle beschrieben wird. Die konsequente historische Bewertung müsste hier jedoch die heikle Verwendung des Montags durch die Linke einordnen. Der Missbrauch der Montagsdemos von 1989 hier in dieser Stadt und des damals verwendeten Wortlauts der Botschaften durch eindeutig rechte bis rechtsextreme Kräfte, von Legida bis Bewegung Leipzig, ist als Vehikel ebendieser politischen Brandstifter für ihre kruden Theorien zu begreifen. Daher müsste dem eigensinnig vorgepreschten MdB der Linken fehlendes politisches Fingerspitzengefühl attestiert werden. Die Einzelaktion des Sören Pellmann als gescheiterte Menschenfischerei darzustellen, genügt keinesfalls.
Wenn ich Perfidie unterstellte, würde ich ja behaupten, das sei in sich passend. In der Überzeugung, der eigenen Utopie genau so fern zu sein, wie der Pfaffe vom Himmelreich muss das eigene Handeln und das darin angelegte Scheitern irgendwie glorifiziert werden. Da wird ein nicht eben schlaues Stoßgebet des deutschen Trotzes umgesetzt: Viel Feind, viel Ehr´! Indem die Vielzahl der Feinde, in eigener Lesart offen deklarierte wie auch unehrlich feige, als unüberwindliche Phalanx inszeniert wird, schlägt man sich selbst zum treuen Ritter. Diese Rolle als tragischer Held ist vielleicht dem eigenen Ego dienlich, bei der Gestaltung einer gerechten Gesellschaft behindert sie nur.
Liam Lykos