Privater Sicherheitsdienstleister bestreift Herrenberg

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Vor kurzem erschien auf Indymedia (Link ganz unten) ein Bericht über den Einsatz privater Sicherheitsfirmen in Heimsheim und anderen Kommunen im Enzkreis. Demzufolge werden in Heimsheim polizeiliche Befugnisse entgegen geltendem Recht auf die private Citystreife übertragen. Für uns war der Bericht ein Anstoß, sich mit dem Thema "public-private-partnership (ppp)“ und “public-private-security (pps)" näher zu befassen.

Der Begriff "Public-private-Partnership" bezeichnet eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft. Public private security bezeichnet eine öffentlichen Beauftragung privater Sicherheitsdienste für den öffentlichen Raum. Diese Art von Kooperationen nehmen seit Jahren immer mehr zu, besonders auch in Baden-Württemberg.

In Herrenberg fährt die private Sicherheitsfirma „S.O.S. Sicherheitsorganisation zum Schutz GmbH“ im Auftrag der Stadtverwaltung Streife. Durch ihre Uniformen, polizeiliches Einsatz-Equipment wie Handschellen, Schlagstock oder Pfefferspray und Fahrzeuge im Polizeidesign wirken sogenannte Citystreifen wie S.O.S seriös, offiziell und strahlen Autorität aus. Wir haben uns gefragt, wann und wo wird die Firma in unserer Stadt eingesetzt und was für Befugnisse hat der private Sicherheitsdienstleister. Mit diesem Infopost wollen wir unsere Erkenntnisse dazu mit euch teilen.

Die Firma „S.O.S. Sicherheitsorganisation zum Schutz GmbH“ mit Sitz in Ammerbuch-Altingen wird nach unseren Recherchen seit 2013 im Auftrag der Stadtverwaltung zur Unterstützung der Polizei und des Ordnungsamtes in Herrenberg eingesetzt. Sobald die Citystreife ihren Einsatz in Herrenberg beginnt, meldet sie sich bei der Polizeidienststelle an, bei Beendigung ihres Einsatzes meldet sie sich ab. Durch einen „direkten Draht“ kann sich der private Sicherheitsdienst schnell mit den Cops in Verbindung setzen und Unterstützung anfordern.

Da wir den Eindruck hatten, dass die Einsätze der Securityfirma SOS in letzter Zeit zunahmen, haben wir beim Ordnungsamt erkundigt, wann deren genauen Einsatzzeiten sind. Wir bekamen die Auskunft, dass die Firma jeden Mittwoch und Freitag, Abends und Nachts, im Auftrag der Stadt Herrenberg Streife fährt. Dass die Firma, wie wir beobachtet haben (das sharepic z. B. entstand diesen Dienstagabend vor dem Klosterhof)auch an anderen Wochentagen in der Stadt unterwegs ist, geschieht laut Ordnungsamt nicht im Auftrag der Stadt, sondern weil sie an diesen Tagen „privat“ engagiert werden. Wie und was das genau heißt, wer diese privaten Auftraggeber*innen sind, darüber haben wir keine Erkenntnisse.

Laut Ordnungsamt liegt der Einsatzschwerpunkt der Citystreife in der Altstadt und rund um die Schulen, aber auch am Bahnhof und anderen Plätzen sehen wir sie immer wieder Streife fahren. Diese Einsätze haben laut Ordnungsamt vorrangig das Ziel der „soziale Kontrolle“, das Verhindern von Vandalismus (auf und um Schulhöfe)und dem Ahnden von Falschparken in Feuergassen.

Was darf die S.O.S. Sicherheitsorganisation zum Schutz GmbH in Herrenberg nicht?

Ohne eure Zustimmung darf die Citystreife:

- nicht eure Ausweise kontrollieren

- euch keinen Platzverweis erteilen

- nicht ohne Zustimmung eure privaten Räumlichkeiten betreten

- Außerdem darf SOS Security keine Ordnungswidrigkeiten ahnden sowie den Alkoholkonsum eindämmen.

Allerdings ist zu beachten: Kommt ihr den rechtlich unverbindlichen Weisungen und Hinweisen der Citystreife nicht nach, wird die Firma sehr wahrscheinlich schnell die Cops hinzuziehen.

Was darf die S.O.S. Sicherheitsorganisation zum Schutz GmbH?

Die Sicherheitsfirma hat lediglich (wie wir alle) sogenannte „Jedermannsrechte" (Notwehr, Nothilfe u. vorläufige Festnahme n. § 127 Abs. 1 StPO) sowie das Hausrecht für kommunale Einrichtungen und Liegenschaften.

Das bedeutet SOS Security darf:

- Beweismittel sichern und dokumentieren (z. B. herumliegende Spraydosen aufsammeln oder Fotos von Straftaten machen)

- Hinweise geben (z. B. hier ist Parken verboten, Rauchen ist erst ab 18 Jahren erlaubt, die Musik ist zu laut, usw.)

- Nothilfe leisten

- mit Erlaubnis und im Auftrag der Stadtverwaltung kommunale Einrichtungen und Liegenschaften betreten

- Personen, die eine Straftat begangen haben, unter bestimmten Voraussetzungen bis zum Eintreffen der Cops festhalten, aber nur, wenn der/die Täter*in auf frischer Tat ertappt wurde. Als „frisch“ gilt in diesem Zusammenhang, dass die aktuelle Situation in einem zeitlichen und/oder räumlichen Zusammenhang stehen muss. Der/die Täter*in muss also noch am Tatort oder in unmittelbarer Nähe festgenommen werden. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Identität unbekannt ist und nicht festgestellt werden kann, weil die Identitätsfeststellung verweigert wird. Ist der Citystreife der/die Täter*in hingegen bekannt, dürfen sie nur Festnahmen tätigen, wenn die Entziehung von den Strafverfolgungsbehörden droht.

Wurde nur eine verhältnismäßig geringe Tat begangen, so darf der/die Täter*in bei der Festnahme keine erhebliche Verletzung davon tragen. Das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 StPO darf also nicht mit allen Mitteln durchgesetzt werden.

Wichtig zu wissen ist außerdem: Bei Nachfrage müssen die Securitys sich euch gegenüber ausweisen.

Zur weiteren Vertiefung mit dem Thema „Security private Partnership“ empfehlen wir euch die nachfolgenden Links.

 

Quellen:

Privatisierung der kommunalen Sicherheit & Ordnung in Ba.-Wü.

https://de.indymedia.org/node/190224

 

Beschwerde über private Security Herrenberg (2013)

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.herrenberg-beschwerde-ueber-pr...

 

Citystreifen und Bürgerrechte – am Beispiel der Stadt Heimsheim

https://www.labournet.de/?p=200649

 

FAQ: Jedermannsrecht

https://www.anwalt.org/jedermannsrecht/

 

DER ZWECK HEILIGT EBEN NICHT DIE MITTEL

Wie private Sicherheitsdienste in der Corona-Krise rechtswidrig für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgen

https://www.cilip.de/2020/05/19/kommentar-der-zweck-heiligt-eben-nicht-d...

 

 

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Ergänzungen

"(…) Anschließend wird der Parkplatz vor dem Bahnhof in Mühlacker angefahren. Dies sei ein Platz, an dem sich häufig Jugendliche treffen und zusammensitzen. Wir treffen eine Gruppe von 5 Personen an, die zusammensitzen, reden und Alkohol konsumieren. Die Citystreife spricht auch diese Gruppe mit „Du“ an und unterhält sich eher auf freundschaftlicher Basis mit ihnen. Sie werden nach ihren Ausweisen befragt, welche sie der Citystreife auch zeigen. Einer von ihnen ist erst 17, hat jedoch den Ausweis nicht dabei. Der Rest der Gruppe ist bereits 18. Mitarbeiter 2 klärt die Jugendlichen auf, dass der von der Gruppe mitgeführte Schnaps nur von den über 18-Jährigen konsumiert werden darf. Er nimmt zudem auch die Personalien eines Volljährigen auf und überträgt diesem gleichzeitig die Verantwortung, dass der 17- Jährige keinen Schnaps bekommt. Er weist ihn darauf hin, dass im Falle sollte etwas passieren, ansonsten er belangt wird. Zudem wird auf die Beseitigung des Mülles hingewiesen und alles fotografisch dokumentiert. (...)“

Danach wurde die Eisenbahnbrücke in Mühlacker angefahren, eine etwa 4 Meter breite Fußgängerbrücke, die über die Schienen führt. Auch hier wurden zwei Jugendliche angetroffen, die Schnaps dabei hatten.

Als diese die Citystreife kommen sahen, holten sie schon ohne Aufforderung die Ausweise hervor. Wieder wurde die Gruppe von der Citystreife mit „Du“ angesprochen. Während Mitarbeiter 2 die Daten der zwei Personen aufnahm, unterhielt sich Mitarbeiter 1 mit den zweien und scherzte, warum hier heute so wenig los sei, ob dies an den Ferien liege. Die beiden meinten, dass viele Ihrer Freunde zum Seenachtsfest nach Konstanz gegangen seien. Der Mitarbeiter unterhielt sich noch ein wenig locker mit den Jugendlichen, bis der Kollege die Daten vollends aufgenommen hat. (...)"

 

https://opus-hslb.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/400/file/Anlagen+1-11.pdf

Sehr guter Artikel über nicht vorhandene hoheitliche Ordnungsbefugnisse privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum! Ein Kritikpunkt an privaten Citystreifen im öffentlichen (kommunalen) Auftrag setzt direkt an der - mittels Steuergeldern - eingekauften, externenen Sicherheitsdienstleistung an. Warum werden die Bürgerinnen und Bürger gezwungen - zusätzlich zur Polizei, Stadtpolizei & Ordnungsämtern - noch Sicherheitsfirmen als "bessere Zeugen" zu finanzieren? Eine Ersparnis, durch eine grundrechtswidrige (schleichende) Privatisierung der öffentl. Sicherheit & Ordnung vermag hierbei (public private security) kaum jemand zu erkennen.

Private Citystreifen sind eine "uniformierte Mogelpackung", welche den Bürgerinnen und Bürger oftmals von den Rathäusern aufgezwungen und teuer verkauft werden. Heraus kommt ein beispielloser "Befugniswildwuchs" (siehe Enzkreis) privater Sicherheitsdienste zu Lasten von Grundrechten: 

"(...) Die Rolle der City-Streife

In diesem Kapitel soll das Konzept der City-Streife näher betrachtet werden. Die konkreten Aufgaben der City-Streife können je nach Kommune marginal unterschiedlich sein. Grundsätzlich lässt sich jedoch festhalten, dass sie Streifengänge im öffentlichen Raum durchführt. Zu den weiteren Aufgaben gehören das Verhindern von Vandalismus und Ruhestörungen, sowie die Kontrolle ob Auflagen des Ordnungsamtes eingehalten wurden. Als Beispiel kann hier das Überprüfen von Nutzungszeiten eines Spielplatzes angeführt werden.[26]

Wie bereits im Unterpunkt 3.1 festgestellt wurde, können diese Streifen nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet werden, sodass sie sich im Rahmen ihrer Auftragsausübung lediglich auf die Jedermannsrechte berufen können. Zu diesen Rechten zählen die Notwehr- und Nothilferechte nach § 227 BGB und § 32 StGB und das Festnahmerecht nach § 127 StPO. Weiterhin kann dem Sicherheitsunternehmen das Hausrecht übertragen werden, sodass sie Personen aus privaten Gebäuden des Platzes verweisen kann. Diese Befugnis ist jedoch nicht auf den öffentlichen Raum zu übertragen. Bei einem Platzverweis im öffentlichen Raum würde es sich um einen Verwaltungsakt handeln, welcher hoheitliche Befugnisse voraussetzt.

Aufgrund dieser begrenzten Befugnisse stellt sich die Frage, in welchen Bereichen die City-Streife eine Entlastung für die polizeiliche Arbeit darstellen würde. (...)"

https://www.grin.com/document/351435