„Grill-Affäre“ in der Freiburger Sicherungsverwahrung
„Grill-Affäre“ in der Freiburger Sicherungsverwahrung
Das Leben in der Freiburger Sicherungsverwahrung SV) ist nicht immer leicht, aber das Anstaltspersonal ist zumindest gelegentlich bemüht, durch lustige Taten die Stimmung aufzulockern. Hier wird nun endlich nicht mehr nur gestorben, hier wird nämlich jetzt gegrillt – und dann erst gestorben.
Sicherungsverwahrung in Freiburg
Seit 2013 berichtete ich über den Vollzugsalltag in der SV, der aus Sicht nicht weniger Insassen von Verwahrung und Warten auf den Tod gekennzeichnet ist. Es gibt ein kleines eigenes Hofareal für die Verwahrten und so kam einige von ihnen die Idee auf, dort während der milden und warmen Jahreszeit zu grillen.
Allerdings lehnte dies die Anstalt ab. Sie erklärte sich nur bereit, im Rahmen des jährlichen Sommerfests,das unter Beteiligung der Anstaltsleitung, der SozialarbeiterInnen, der PsychologInnen und der uniformierten Bediensteten stattfindet, einen Grill aufzustellen. Der erste Fortschritt war dann, dass 2016/17 den einzelnen Wohngruppen, derer gibt es vier, die Möglichkeit eingeräumt wurde auch außerhalb dieses 'Events',jedoch nur unter Beteiligung von Bediensteten des uniformierten Dienstes, zu grillen. Was aber in der Praxis nicht von vielen Verwahrten in Anspruch genommen wurde, denn es gibt diverse Insassen die keine Lust haben sich zusammen mit dem Knastpersonal zu vergnügen.
Die Verfügung vom 25.April 2018
Vermittels eines eineinhalb Seiten umfassenden Aushangs in kleiner Schriftgröße wurde verfügt, dass nunmehr endlich auch ohne Aufsicht von Bediensteten gegrillt werden dürfe. Yeah, endlich!! Wären da nur nicht die Haken, Ösen und Fallstricke. Klar, erstens man muss seinen Grillwunsch im Vorfeld anmelden. Danach muss dieser Wunsch vom „Stationsteam genehmigt werden“ (alles Orginalzitate).
Wer darf denn aber nun grillen?! Nicht jedermann. Nur jene dürfen den Wunsch äußern, die zum einen über den sogenannten „Sonderausführungsstatus“ verfügen, „keinen Sicherungsmaßnahmen“ unterliegen, sich durch „hausordnungsgemäßes Verhalten“ auszeichnen und sich zudem als „absprachefähig“ erweisen. Dieses Anforderungsprofil ist kumulativ zu erfüllen.
Sodann, also nach der Genehmigung durch das Stationsteam, muss zuvörderst der genaue Grilltermin mit dem „Team abgeklärt“ werden, denn die Beamten haben einen „Grillkalender“ zu führen. So solle verhindert werden, dass es zu terminlichen Kollisionen komme. Der Grill und die benötigten Utensilien, so wird angeordnet, erhalte man dann zu gegebener Zeit vom „Fachdienst“ ausgehändigt.
Einer der Grillwütigen muss verständlicherweise „die Gesamtverantwortung“ übernehmen und erhält deshalb vom Personal eine „Einweisung in die Anleitung zum Grillen“,sowie die entsprechenden „Brandschutzbestimmungen“. All dies habe der Insasse durch Unterschrift zu bestätigen. Kann man nun endlich grillen?
Nein, jetzt kann noch nicht gegrillt werden, denn nun erläutert die Verfügung detailverliebt wie am Grilltag vorzugehen sei: der Grillanzünder,der wird ausschließlich durch „Bedienstete hinzugegeben“. Erst jetzt dürfe angezündet werden. Danach habe man zu warten. Denn erst wenn die Kohle „gleichmäßig glüht und mit einer feinen, weißen Ascheschicht bedeckt ist“ dürfe mit dem Grillen begonnen werden. Unabdingbar, so die Verfügung der Anstalt, sei jetzt ein „regelmäßiges Kontrollieren und Wenden des Grillguts“.
Selbstverständlich müsse zur „Sicherheit immer eine Löschdecke bereitliegen“.
Auch das Grillende und Säubern des Grills ist weitschweifig geregelt, aber ich erspare der verehrten LeserInnenschaft die Bestimmungen hierzu.
Die Reaktion der Verwahrten
Gerüchteweise hatte sich der Inhalt der Verfügung schon herumgesprochen, bevor er ausgehängt wurde; erst herrschte ungläubiges Staunen, mittlerweile Empörung. Empörung selbst bei jenen mit dem Sonderausführungs-Status. Dieser Status berechtigt die an den Therapieangeboten umfänglich teilnehmenden und sich in den Gruppenprozess einbringende Verwahrten, mehr als die obligatorischen vier Ausführungen im Jahr in Anspruch zu nehmen. Bei einer „Sonderausführung“ verlässt der Insasse, bewacht von den Vollzugsbeamten, für rund zwei Stunden die Anstalt, geht einkaufen, spazieren oder einen Kaffee trinken.
Dumm nur, dass bis auf weiteres keine solche Sonderausführungen stattfinden werden, denn es fehle schlicht an Personal, so die Anstaltsleitung. Nun wird eben das Grillen im Hof als eine recht magere „Ersatzveranstaltung“ erlebt. Statt also vor den Mauern das Leben zu erfahren, durch die Freiburger Gassen zu flanieren, sitzt man in dem kleinen Gefängnishof und grillt sich ne Wurst. Der Jubel hielt sich folglich in Grenzen.
Und jene Insassen die die Zugangsvoraussetzungen, das umfangreiche Anforderungsprofil nicht erfüllen, auf der Station auf der ich wohne ist das die Mehrzahl, werden niemals in den Genuss des autonomen Grillens kommen. Ein langjähriger Bediensteter, dem gegenüber ich sarkastisch die 'Poesie' des Verfügungstextes lobte, meinte nur, er halte diese Verfügung für-Zitat-einen „Kindergarten“.
Ob für das zu erwartende künftige Sterben von Untergebrachten ähnlich detaillierte Regelungen erdacht wurden oder in Planung sind, bspw. dass das Sterben im Vorfeld anzumelden und dann erst genehmigt werden müsse, nur ein bestimmter Teil der Insassen sterbeberechtigt ist, der exakte Termin dann noch mit dem Team abzuklären wäre und - ganz wichtig!!- eine 'Anleitung zum Sterben' und damit korrespondierender 'Schutzbestimmungen' zur Kenntnis zu nehmen sein wird, das bleibt im Dunkeln. In diesem Sinne: fröhliches Grillen!
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV)
Hermann-Herder-Str.8, 79104 Freiburg
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