Redebeitrag zur Kiezdemo über Gentrifizierung
Von wie vielen Bekannten habt ihr in den letzten Monaten schon gehört, dass sie sich Sorgen machen, ihre Miete nicht bezahlen zu können? Von wie vielen Fällen, in denen Menschen aus diesem und anderen teils rechtmäßig umstrittenen Gründen aus ihrer Wohnung geworfen wurden? Wie oft seid ihr schon durch Dresden gelaufen und habt euch über wieder neue Bonzen-Bauten geärgert, die beispielsweise ehemalige Grünflächen ersetzen? Wie viele Kneipen, in die ihr mal gerne gegangen seid, haben über die Jahre schließen müssen?
All das sind Beispiele für die Gentrifizierung, die auch hier in Dresden vor sich geht. Gezielte Investitionen in verschiedene Stadtteile, von denen man sich einen möglichst hohen Profit verspricht, verdrängen jahrelange Mieter*innen aus ihren Häusern und ziehen zeitgleich reichere Bevölkerungsgruppen an. Damit geht auch in der Regel ein starker sozialer und kultureller Wandel einher, was man hier beispielsweise merkt, wenn eines nach dem anderen überteuerten, hippen Restaurant öffnet, von denen letzten Endes fast nur Touris etwas haben, während Kulturprojekte hinten herunterfallen.
In Dresden - oder um genauer zu sein hier in der Äußeren Neustadt – hat der Gentrifizierungsprozess schon etwa in den 90er-Jahren angefangen. Zuvor war in der DDR auf sozialen Wohnungsbau gesetzt worden, während Sanierungen in Altbauquartieren wie beispielsweise der Äußeren Neustadt eher selten durchgeführt wurden. Deshalb befanden sich die Altbauten Anfang der 90er größtenteils in einem schlechten, dem Verfall nahen Zustand, wodurch dieser Stadtteil zu einem „Ort der Subkulturen“ wurde: Es gab einige besetzte Häuser, Kulturprojekte, Stadtteilzeitungen, autonome Cafés; es wurde ein Rückzugsort für Menschen, die der alltäglichen kapitalistischen Verwertungslogik entfliehen wollten. So schön das klingt und vermutlich auch war – man muss sagen, diese Entwicklung war ein erster Schritt in Richtung Gentrifizierung. Die Klärung der Eigentumsverhältnisse und die Rückführung von Wohnungen in private Hand Mitte der 90er ebnete der Gentrifizierung dann endgültig den Weg. Sanierungen und Renovierungen führten zu einem Steigen der Mieten um etwa 700 % innerhalb von 4 Jahren, teils wurden brutale Verdrängungsmethoden angewandt und die Bewohner*innen des Stadtteils wechselten in großen Teilen.
Und heute vollzieht sich ein Prozess, der dazu zwar auch deutliche Unterschiede aufweist, dem beschriebenen Prozess dennoch in den Grundzügen ähnelt. Wie anfangs erwähnt: steigende Mieten, Bauprojekte verschiedener Investor*innen und und und. Dazu kommt, dass die Neustadt sich immer mehr zu einem Ort entwickelt, an den abends betrunkene Touris kommen, die kaum Rücksicht auf Anwohnende geben, und an dem sich Faschos und andere Rechte wohl genug fühlen, um ein paar Runden zu gehen oder gar queere und linke Menschen anzugreifen.
Wir haben uns im Klaren zu sein, dass wir uns bei diesen Problemen nicht auf bürgerliche Politiker*innen verlassen können, die sich nach den Interessen von Unternehmen und Investor*innen richten. Das beste Beispiel dafür ist der Ausgang der „Deutsche Wohnen enteignen“-Bürgerinitiative in Berlin, deren Ziele unter Mithilfe des ach so sozialen Rot-Rot-Grünen Senat leider vermutlich untergraben werden. Während wir uns also bewusst sind, dass eine Lösung nicht innerhalb des Kapitalismus existiert, setzen wir uns für die Erhaltung von linken Freiräumen, Szenecafés und möglichst bezahlbaren Wohnraum ein. Es wird Zeit, dass das Verdrängen von Anwohner*innen wie Arbeiter*innen und ihren Familien ein Ende hat. Genauso wird es Zeit, dass wir die Äußere Neustadt als Freiraum und Schutzraum vor Nazis begreifen können!
Wir sagen nein dazu, dass sich Bonzen und Investoren auch die letzten Räume nehmen und die letzten Mieten erhöhen. Unsere Devise lautet daher: Lasst uns den Widerstand organisieren, bekämpfen wir dieses System!