Der große Bullshit - Bemerkungen zum Geraune rechter Ideologie anlässlich der Leipziger Buchmesse
Nun also Leipzig. Was vergangenes Jahr auf der Frankfurter Buchmesse zu Wort- und Handgreiflichkeiten führte, findet dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse statt: die Präsenz rechter Verlage mitsamt entsprechender Ideologieträger. Das Geschwätz ist stets dasselbe, auch beim Organisationsteam der Buchmesse. Es müsse Meinungsfreiheit für alle gelten, weswegen geradezu bettelnd das Gespräch mit jeder noch so lächerlichen Ideologie eingefordert wird.
Das diskursive Spiel ist altbekannt und sorgt trotzdem immer wieder für mediale Furore: auf den vermeintlichen Tabubruch hin folgen vielfältige Empörungen in den üblichen Presseorganen. Worte und Phrasen werden wiederholt und finden so ihren Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch. Besonders eifrige Faschisten beklagen anschließend mangelnde Meinungsfreiheit, inszenieren sich als Opfer und nonkonforme Opposition. Eine Win-Win-Situation für rechte Ideologie. Selbst die bürgerliche Wunschvorstellung von der natürlichen Durchsetzung des besseren Arguments wird obsolet, wenn die rechten Opfer bei jeglicher Kritik Krokodilstränen vergießen und es dabei belassen. Herrschende Kritik empört sich am Jargon völkischer Ethnopluralisten, doch bleibt bei der Analyse weitestgehend sprachlos. Doch überlassen wir einem medial besonders geliebten Opfer das Wort:
„Wozu sich erklären? Wozu sich auf ein Gespräch einlassen, auf eine Beteiligung an einer Debatte? Weil Ihr Angst vor der Abrechnung habt, bittet Ihr uns nun an einen Eurer runden Tische? Nein, diese Mittel sind aufgebraucht, und von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.“
( Götz Kubitschek)
Es wird deutlich, dass das Gerede von Meinungsfreiheit natürlich nur Fassade ist. Das ist nicht weiter dramatisch, nur eben falsch und strategisches Kalkül. Denn der alleinige Verlass auf Dialog verhindert den Blick auf Privilegien und reale Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Doch eben um von Menschen gemachte Verhältnisse geht es rechter Ideologie nicht. Die Welt wird in Zwangskollektive aufgeteilt, die qua Mythos und irrationalen Erklärungen zum gemeinsamen Schicksal verdammt sind. Daher auch die Einbildung einen „Volkswillen“ zu repräsentieren, auch wenn selbst Statistiken keine Mehrheit feststellt. An allgemeiner (materieller) Gleichheit besteht kein Interesse und autoritäre Systeme werden zugespitzt. Individuen werden zu Gehorsam diszipliniert. Es droht staatliches Gewaltmonopol, sobald Verhalten als nicht dem Volk eigen wahrgenommen wird. Riots können dabei als Ausbruch aus der Enge gesellschaftlicher Zwänge betrachtet werden, wenn der Dialog folgenlos bleibt oder durch bestimmte Strukturen grundsätzlich verneint wird. Die These der sozialen Kämpfe als treibende Kraft von Geschichte bleibt aktuell, wenn auch nicht im starren Fortschrittsglauben verhaftet. Die Interessen sind entscheidend bei der Reise ins Utopia und eine Analyse von Gesellschaft ohne Hirngespinste von scheinbar natürlichen Eigenschaften. Letzteres ist Antrieb rechter Bewegungen um eine Dystopie starrer Zwänge und allgemeinen Gehorsams zu verwirklichen.
Es gibt Kritik an der Anwesenheit rechter Verlage auf der Buchmesse. Unter dem Slogan #verlagegegenrechts finden sich zahlreiche Verlage und Initiativen um Kritik zu schärfen und diese praktisch werden zu lassen. Getreu deutscher Zustände findet eine Unterstützung hiesiger Verlage nicht statt, soll doch der angeblich unpolitische Literaturbetrieb bewahrt werden. In dieser Hinsicht waren einige Intellektuelle aus Frankreich im Jahr 1993 diesen voraus. In einem „Aufruf zur Wachsamkeit“ wurde festgehalten: „Man kann über alles, aber nicht mit allen reden. Man hat das Recht, nein zu sagen und Rechtsradikale aus der Debatte auszuschließen. Voilà!“