We are all Antifa – Solidaritätserklärung mit den verfolgten Genoss:innen in Ostdeutschland und überall

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 In den letzten Jahren ist die faschistische Rechte in Deutschland auf dem Vormarsch: Ob im Parlament, auf der Straße oder nachts mit Anschlägen gegen Geflüchtetenunterkünfte. Dabei ist die Rolle des deutschen Staates und seiner Politik eindeutig: Er fördert, finanziert und heißt diese Gewalt von rechts willkommen. Dies verdeutlichen unendliche Skandale – von geleakten persönlichen Informationen von Antifaschist:innen, über Neonazis bei Polizei und Bundeswehr, bis hin zu gedeckten Terrorgruppen wie dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), der über Jahre ungestört zehn Menschen töten konnte.

Besonders in Sachsen, wo die neofaschistische Partei AfD stärkste politische Kraft ist und in den letzten Jahren immer wieder große Neonaziaktionen stattfanden, ist die Situation noch gefährlicher. Noch beunruhigender ist, dass alle Menschen, die sich dieser Gefahr entgegenstellen, potentiell verfolgt werden können. Dafür hat das sächsische Innenministerium sich etwas Besonderes einfallen lassen: Die Gründung der Soko LinX – eine Sonderkommission der Polizei, die zum Ziel hat, die antifaschistische Szene zu durchleuchten und Antifaschist:innen und Antiautoritäre auf die Anklagebank zu zerren.

Seit November 2020 sitzt unsere Genossin Lina im Rahmen dieser Ermittlungen mit Hilfe der Bundesanwaltschaft in Untersuchungshaft. In einem ersten Prozess werden nun sie und drei weitere Antifas vor dem Oberlandesgericht Dresden angeklagt. Gleichzeitig läuft eine Kampagne von Neonazis und Medien mit dem Ziel der Vorverurteilung. Dabei ist einigen Medien nichts zu schade: Lina wird mit der NSU-Naziterroristin Beate Zschäpe verglichen oder es werden interne Prozessakten samt Fotos von faschistischen Magazinen geleakt. Es ist davon auszugehen, dass der deutsche Staat alles geben wird, um unsere Genoss:innen zu hohen Haftstrafen zu verurteilen.

 

Terrorparagraphen – Nicht nur eine deutsche Spezialität

Der Paragraph 129, Bildung einer kriminellen Vereinigung, wurde in Deutschland schon seit seiner Einführung im 19. Jahrhundert immer wieder gegen vor allem progressive Strukturen eingesetzt. Im Lauf der Jahre wurde er immer mehr erweitert und auch die Mitgliedschaft, beziehungsweise die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a unter Strafe gestellt. Vor allem in den 1970er Jahren wurde er fast ausschließlich gegen Gruppen im bewaffneten Kampf eingesetzt und Hunderte Menschen wurden wegen deren Unterstützung verhaftet und mit Anklagen nach dem § 129a konfrontiert.

2017 wurde der Paragraph auf Druck der Europäischen Union erneut verändert, um effektiver gegen die organisierte Kriminalität vorgehen zu können. Aus dieser Veränderung resultierten jedoch fast ausschließlich Verfahren gegen politische Strukturen oder Konstrukte. Obwohl es bei dieser Änderung vor allem darum ging, Taten mit finanzieller/materieller Motivation zu verfolgen, zielt der Einsatz des Paragraphen in Deutschland auf politisch motivierte Taten. Der Antifa-Ost-Prozess ist ein Beispiel dafür, wie einfach eine gemeinschaftlich verübte Tat zu einer Vereinigung konstruiert und danach angeklagt werden kann. Die politische Motivation, ein angeblich singulärer Modus operandi und Kennverhältnisse genügen, um Personen mit mehreren Jahren Haft zu konfrontieren. 

Pendants zum deutschen §129 gibt es in vielen europäischen Ländern, aber auch darüber hinaus. In Griechenland wird momentan gegen Personen ermittelt, weil sie angeblich als Vereinigung mehrere Taten begangen und mit demselben Namen unterschrieben hätten. Hierbei handelt es sich um eine, in der Bewegung häufig genutzte, Parole „Freund:innen und Gefährt:innen“. In Italien und Spanien werden seit Jahren polizeiliche Operationen durchgeführt und diverse Personen verhaftet oder in Hausarrest gesteckt, weil sie sich kennen, im selben Squat wohnen oder Texte mit Sympathien für direkte Aktionen verteilt haben, alles unter einem verwandten Paragraphen.

Es gibt variantenreiche Beispiele für die Repression gegen Genoss:innen weltweit, denen vorgeworfen wird, Teil solcher Vereinigungen zu sein. Dieser Vorwurf dient nicht nur den deutschen Behörden für eine Ausweitung ihrer repressiven (Überwachungs)Methoden, sondern ist auch Teil einer internationalen Vernetzung der Behörden. Die erweiterten Befugnisse erlauben eine Verfolgung der Betroffenen über Ländergrenzen hinaus, den Abgleich von Daten in Datenbanken und die Eintragung in diverse Informationssysteme.

 

Emanzipatorische Ideen werden bestraft

Nicht nur in Deutschland werden vor allem seit 9/11 Gesetzesverschärfungen eingesetzt, um auch andere staatsfeindliche Strömungen zu bekämpfen. Die hierfür eingesetzten Mittel werden gegen alle angewandt, die den Herrschenden ein Dorn im Auge sind und das Gewaltmonopol der Staaten in Frage stellen. Konsequente antifaschistische, antikapitalistische und antiautoritäre Selbstorganisation wird mit allen Mitteln verfolgt und hoch bestraft. Hierbei geht es nicht tatsächlich um die Aktionen, sondern um die Gefahr, die von emanzipatorischen Ideen ausgeht. Diejenigen, die angegriffen werden, stellen das System infrage und haben Lösungsvorschläge und Perspektiven, die sich nicht mit dem kapitalistischen System vereinbaren lassen.

Gerade diese Ideen gilt es kollektiv zu verteidigen. Wenn die Behörden sich vernetzen, ihre Systeme ausweiten, sich austauschen und uns international verfolgen, gilt es, ihnen eine internationale Solidarität entgegenzusetzen. Das Ziel der Repression ist die Isolation und Spaltung. Die Solidarität mit den Betroffenen und die politische Verteidigung der Ideen und Perspektiven sind Antworten auf die Angriffe auf uns alle. Wir lassen uns nicht einschüchtern, sondern stehen gemeinsam hinter unseren Genoss:innen weltweit. Mit Demonstrationen, Kundgebungen, Plakaten, Gefangenenschreiben und vielem mehr zeigen wir unsere Solidarität mit all jenen, die der staatlichen Repression ausgesetzt sind.

 

Freiheit für Lina und Solidarität mit allen von Repression betroffenen!

 

 

Ihr könnt die Erklärung unterzeichnen – schreibt dafür eine E-Mail an info@soli-antifa-ost.org

 

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