Vergewaltigungs-Prozess Pamplona

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Vergewaltigungs-Prozess in Pamplona

Ein haarsträubender Fall von Gruppen-Vergewaltigung wird derzeit in Pamplona (Navarra) verhandelt. In den nächsten beiden Tagen (27. und 28. November) geht er in die entscheidende Phase der Plädoyers. In zwei Wochen Laufzeit hat er heftige Polemik ausgelöst und ist zum öffentlichen Skandal geworden.

 

Es fällt schwer, über das niederträchtige Verbrechen von Pamplona überhaupt zu schreiben, weil es sogar bei der Reflektion noch tiefste Abscheu hervorruft. Alle Vergewaltigungen sind widerwärtig. Was sich im Juli 2016 bei der Fiesta in Pamplona abgespielt hat, macht die Suche nach Worten dennoch schwer. Als wäre das nicht schon zuviel, macht der Prozessverlauf ein weiteres Mal fast sprachlos.

Vor Gericht stehen fünf Männer aus Sevilla, die vor 16 Monaten zur Fiesta nach Pamplona gefahren sind mit dem Plan, eine Gruppen-Vergewaltigung durchzuführen. Gesagt getan. Mit in der Gruppe ein Guardia Civil und ein spanischer Soldat. Nur weil die navarrische Polizei von der Stadtverwaltung aufs Schärfste sensibilisiert war, wurden die Täter erwischt. Sie hatten ihre Tat auch noch gefilmt.

Die Beweise sind erdrückend. Eigentlich. Die Vergewaltiger streiten die Tat nicht einmal ab, sondern versuchen sie herunterzuspielen. Im Verlauf der Ermittlungen wurde deutlich, dass es nicht die erste Tat dieser Art war, Genaueres wurde aber nicht bekannt. Aufgrund von Handy-Botschaften der Fünfergruppe wird die Planung des Verbrechens deutlich, dem eine junge Frau aus Madrid zum Opfer fiel.

Weil alles gegen die Täter aus Sevilla spricht, sitzen sie seither in Untersuchungshaft. Und nun der Prozess. Doch schon nach wenigen Tagen stellte sich die Frage: gegen wen wird da eigentlich verhandelt?!

Die Täter (nicht mutmaßlich, sondern Täter!) haben skrupellose Anwälte engagiert, die ihr Handwerk auf die schmutzigste Art praktizieren. Als erstes wurde bekannt, dass Angehörige der Täter Detektive beauftragt hatten, um das Leben des Opfers auszuschnüffeln und nach Anhaltspunkten zu suchen, die ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen. Das Gericht hätte die Möglichkeit gehabt, diesen Detektivbericht als nicht relevant aus dem Verfahren zu nehmen. Aber nein, er wurde akzeptiert – erster Skandal!

Stattdessen wurde der Inhalt der Handy-Botschaften, in denen sich die Täter vor der Vergewaltigung über ihren Plan und über den Einsatz von Betäubungsmitteln auslassen, nicht als Beweismittel zugelassen – zweiter Skandal!

Nach diesen beiden Vorgängen wurde deutlich, dass die Anklage die Richtung gewechselt hatte. Das Opfer stand plötzlich unter Beweisdruck: dass das Verbrechen Spuren hinterlassen hat. Sie musste erklären, warum sie nach der Tat nicht das auf Lebenszeit am Boden zerstörte Opfer war, sondern versuchte, ihren Lebensfaden wieder aufzunehmen.

Doch Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung geworden sind, steht es nicht zu, danach wieder in eine Disko zu gehen, oder eine Beziehung mit Männern aufzunehmen. Denn all das beweist, dass „alles ja doch nicht so schlimm gewesen“ sein kann. Ein Opfer wird durch einen solchenVerfahrensverlauf erneut zum Opfer gemacht.

Der Prozess findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, „zum Schutz der Intimsphäre derAngeklagten“, so die offizielle Begründung. Das führte dazu , dass in den Sozialen Medien überall die Fotos der Vergewaltiger gezeigt werden. Die Richter spielen das Spiel der Verteidigung mit. Dabei sind alle anderen mit dem Fall Beschäftigten der festen Überzeugung, dass es sich um einen besonders brutalen Fall von Vergewaltigung handelt: die zwei Personen, die das Opfer kurz nach der Tat orientierungslos auf der Straße fanden, die Polizist*innen, die die Anzeige aufnahmen, die Staatsanwaltschaft, die Richterin, die U-Haft angeordent hat. Auch das Rathaus, das im Prozess als Nebenkläger auftritt.

Eine breite Kampagne, weit über das Baskenland hinaus, weit über feministische Kreise hinaus, ist nach dem skandalösen Verfahrensverlauf in die Öffentlichkeit getragen worden: „Nik sinesten dizut“ – „Ich glaube dir“. Denn darum geht es. Eine Frau hat in der schlimmsten und gefährlichsten Situation ihres Lebens klaren Kopf zu behalten: sie muss sich ausreichend wehren, um nicht den Eindruck von Zustimmung zu vermitteln; sie muss sich fragen lassen, ob sie freiwillig die Bein breit gemacht habe; sie darf sich aber auch nicht zu sehr wehren, um nicht auch noch umgebracht zu werden. So sieht die Praxis eines Prozesses wegen Vergewaltigung aus. Nicht zum ersten Mal. Richter sind auch nur Männer.

Vor 9 Jahren wurde bei derselben Fiesta eine junge Frau umgebracht. Beim Prozess gegen den Täter wurde ihre Mutter gefragt, ob ihre Tochter „häufig angebendelt hätte“. Auch nach dem (vom Täter gestandenen) Mord wird versucht, Frauen noch eine Mitschuld zu geben, um dem jeweiligen Mörder ein paar Jahre Gefängnis zu sparen, oder sogar für seine Freilassung zu sorgen.

 

Es wird noch Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis sich die Justiz die Sensibilität zu eigen macht, die sich in der baskischen Gesellschaft mühsam aber doch langsam durchsetzt. So lange werden Frauen, einmal, zweimal, dreimal zu Opfern gemacht. Von Vergewaltigern und ihren Komplizen in Roben und Uniform.

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