Assemblea auf dem Dorfplatz

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Der Kampf auf der Straße, der Uni, der Fabrik, das ist Unsere Antwort auf Ihre Politik!

Ablauf der Kundgebung am Sonntag in Berlin-Friedrichshin. Dort kamen Aktivsit*innen von unterschiedlichen sozialen Bewegungen der Mieter*innen und Streiks zu Wort. 

 

Der Dorfplatz in Berlin-Friedrichshain an der Kreuzung Liebigstraße/Rigaer Straße, war lange Zeit ein Treffpunkt der Nachbarschaft. Dort wurde gefeiert, dort wurden Filme geguckt, dort wurde diskutiert. Der Platz war auch viele Jahre ein Ort, von dem Proteste und Demonstrationen ausgingen. Seit der Räumung der Liebigstraße 34 am 9. Oktober 2020 ist der Platz oft verweist. Doch am letzten Sonntagnachmittag war dieser Platz Ort einer Assamblea, einer Versammlung, auf der Menschen aus verschiedenen außerparlamentarischen Kämpfen miteinander diskutierten, die aktuell in Berlin im Kampf gegen hohe Mieten, prekäre Arbeitsverhältnisse, Pflegenotstand etc. aktiv sind. 

 

Organisiert wurde die Versammlung von den die beiden Stadtteilinitiativen „Wir bleiben alle Friedrichshain“ und „Wem gehört der Laskerkiez?“, die schon in den letzten Monaten gegen die kapitalistische Landnahme in Friedrichshain und an der Rummelsburger Bucht im Stadtteil Lichtenberg aktiv gewesen sind. Gleich am Beginn der Assamblea wurde klargestellt, dass dort Parteien nicht zu Wort kommen werden. Vielmehr sollten die außerparlamentarischen Bewegungen im Mittelpunkt stehen.Die Bewegung „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ gehört auf jeden Fall dazu. Sie musste sich am Sonntag kritischen Fragen stellen, ob es dabei nicht eher um einen Rückkauf als um eine Enteignung handelt und ob durch die Aufforderungscharakter an den Senat, nicht die Parteien auch bei einen erfolgreichen Volksentscheid wieder die entscheidenden Akteur*innen sind. Mehrere Teilnehmer*innen der Assamblea wollten wissen,wie Kampagne reagiert, wenn diese Politiker*innen auch einen erfolgreichen Volksentscheid einfach ignorieren, beziehungsweise mit langen juristischen Prüfungen aussitzen. Diese Fragen haben schon deshalb seine Berechtigung, weil führende Politiker*innen wie SPD-Giffey schon offen erklärt haben, einen erfolgreichen Volksentscheid zu ignorieren und es ähnliche Erfahrungen in der Vergangenheit gibt. Erinnert sei dabe nur an den Mieteinvolksentscheid, der von der SPD dann weitgehend neutralisiert wurde. Da blieben die Antworten der Aktivist*innen der Kampagne vage. Zumindest wollen sie vor der Abstimmung mit ihren Plänen nicht an die Öffentlichkeit gehen.

 

 

 

Die Angst verlieren – Selbstorganisation gegen Zwangsräumung 

 

 

Auf der Assamblea wurde eine kritische Solidarität mit dem Volksentscheid deutlich. Das bekräftigte auch der Sozialwissenschaftler Philipp Metzger, der als Autor des im Mandelbaum-Verlag erschienen Buches „Wohnkonzerne enteignen“ (https://www.mandelbaum.at/buecher/philipp-p-metzger/wohnkonzerne-enteignen/) für einen Input angefragt wurde. Dort weist Metzger nach, dass der Aufstieg der Wohnkonzerne von den Bundes- und Landesregierungen seit mehr als 40 Jahren aktiv gefördert und vorangetrieben wurde. Würde das Volksbegehren „Deutsche Wohnen Enteignen“ nicht nur gewonnen sondern auch umgesetzt, wäre das nach Philipps Metzgers Einschätzung eine Niederlage der Immobilienwirtschaft, zumal dann auch außerhalb Berlin Enteignungsforderungen laut würden. 

 

Doch auch ein erfolgreich umgesetztes Volksbegehren würde natürlich nur einen kleinen Teil der Probleme der einkommensschwachen Mieter*innen in Berlin lösen. Darüber berichtete eine Aktivistin der Berliner Kampagne „Zwangsräumung verhindern“ (https://zwangsraeumungverhindern.nostate.net), die seit fast 10 Jahren auf die Selbstorganisation von Mieter*innen setzt, die aus welchen Gründen auch immer gekündigt wurden und geräumt werden sollten. Dabei wie die Mietrebellin auf eine wichtige Grundlage für eine Selbstorganisation hin. Die von Zwangsräumung Betroffenen müssen die Scham verlieren, damit sie an die Öffentlichkeit gehen. Dass wiederum schaffen sie nur, wenn ihnen klar ist, dass es nicht ihre Schuld ist, dass sie Probleme mit „ihren“ Vermieter“ haben, wenn sie Mietschulden haben, gekündigt wurden und zwangsgeräumt werden sollen, sondern dass ein kapitalistisches System dafür verantwortlich ist, dass erst die Möglichkeit schafft, mit Wohnungen Profit zu machen.

 

Hohe Mieten und Lohnraub – zwei Formen des Klassenkampfs 

 

 

 

 

Ein zentraler Grund, warum viele Menschen Mietschulden haben und deswegen gekündigt werden, liegt in den massiven Angriffen des Kapitals auf die Löhne der Menschen. Das drückt sich darin aus, dass viele Lohnabhängige noch mit Hartz IV aufstocken müssen, weil ihre Löhne nicht ihre Reproduktionskosten deckt. Prekäre Arbeitsverhältnisse gehen über geringe Löhne hinaus. Dazu kommt Arbeitshetze und Personalmangel. Daher kamen in der zweiten Diskussionsrunde der Assamblea Unterstützer*innen von aktuellen Arbeitskämpfen in Berlin zu Wort. So schilderte Mo die Kämpfe der Rider, wie die Essens- und Lebensmittellieferant*innen genannt werden, die seit einigen Monaten mit spontanen Arbeitsniederlegungen und Blockaden von Auslieferungslagern zunächst gegen die Kündigung eines Kollegen und aktuell für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Eine zentrale Forderung ist die Entfristung der Arbeitsverträge. Dietmar vom Berliner Bündnis „Gesundheit statt Profite“ (https://gesundheitohneprofite.noblogs.org) berichtete über die aktuellen Streiks bei den Krankenhauskonzernen Vivantes und Charité. 

Dort kämpfen die Beschäftigten für eine bessere Personalausstattung, damit überhaupt eine Pflege im Interesse der Betroffenen möglich ist. Mit ihren Forderungen greifen die Streikenden ein Gesundheitssystem an, dass nach kapitalistischen Profitmaximen funktioniert. Dietmar zog hier auch die Verbindung zu DWEnteignen. Sowohl dort, als auch beim Arbeitskampf in den Krankenhäusern geht es um darum, Grundbedürfnisse des Lebens wie Mieten und Wohnen dem kapitalistischen Verwertungsinteresse zu entziehen. Da kommt natürlich sofort die Frage auf, ob ein solches Unterfangen nicht im Kapitalismus illusionär ist. Doch dabei handelt sich nicht um eine theoretische sondern eine praktische Frage. Die Streikenden in Pflege und im Krankenhaus ebenso die Mieter*innen, die sich für einen Erfolg des Volksbegehren einsetzen, stellen zunächst an einen Punkt das kapitalistische Profitinteresse in Frage. Da kann sich dann die Frage ergeben, ob es nicht insgesamt die kapitalistische Verwertungsgesellschaft für die Mehrheit der Bevölkerung insgesamt von Nachteil ist und sich über eine Gesellschaft theoretisch und praktisch Gedanken machen, in der nicht der kapitalistische Mehrwert sondern der Gebrauchswert im Mittelpunkt steht. Daher nannte die Mietrebellin von „Zwangsräumung verhindern“ das Volksbegehren DW Enteignen ein gutes Bildungsprojekt, auch wenn es von der Politik nicht umgesetzt wird. Darauf kann antikapitalistisches Bewusstsein aber nur dann entstehen, wenn die Menschen sich treffen, diskutieren, Argumente austauschen und auch kollektive Aktionen verabreden. Dafür braucht es öffentliche Räume, wie eben am Sonntag den Dorfplatz. Die Assamblea war so ein Beispiel dafür, wie Mieter*innen und Lohnabhängige über ihre Kämpfe diskutieren und so die kapitalistische Isolierung überwinden. Die Versammlung hat gezeigt, dass dieses Zusammentreffen auch in Corona-Zeiten möglich ist. 

 

 

Mieten in Not – oder Solidarität auch mit den aktuellen Bewohner*innen der Liebigstraße 34

 

Zum Abschluss wurde der Film „Mieter in Not“ gezeigt, der die Machenschaften des Padovicz-Imperiums in knapp 40 Minuten zusammenfasst und damit bestätigte, was Padovicz-Betroffene seit Jahrzehnten zusammengetragen haben. Der Film findet sich seit Monaten in RBB-Mediathek (https://www.rbb-online.de/doku/s-t/schattenwelten-berlin/schattenwelten-berlin-wie-mieter-in-haeusern-eines-grossinvestors-ausgebeutet-werden.html), doch er sollte vor den Padovicz-Häusern gezeigt werden, wie am Sonntag vor der Liebigstraße 34. Dort wohnen mittlerweile auch Menschen, die wie im Film, neben hohen Mieten auch noch Provision für schlecht sanierte Wohnungen müssen. Es gab in den letzten Wochen erste Kontakte mit einigen dieser Mieter*innen. Mehrsprachige Flyer wurden verteilt. Es bräuchte aber viel Kleinarbeit und weitere Assamblea, um hier Organisierungsprozesse in Gang zu setzen. Wichtig, auch im Hinblick auf die zum Räumungsjubiläum der Liebigstraße 34 am 9. Oktober geplanten Aktionen wäre, nicht nur die geräumten sondern auch aktuellen Bewohner*innen anzusprechen. Auch sie sind wie sich ja im Film zeigte, Opfer des Padovicz-Imperiums. Es kommt natürlich darauf an, wie sie sich selber positionieren. Um das rauszukriegen, muss aber der Kontakt mit ihnen aufgenommen werden. Auch für sie gilt, was der Erstbesetzer der Liebigstraße 34 in seinen Grusswortes für die Assamblea so formuliert hat: 

 

„Das Leben gehört weder Vermietern noch dem Staat, also muss Wohnraum den Menschen gehören“

 

aus der Grussadresse von Antonio Porette, Erstbesetzer der Liebigstraße 34 und Herausgeber des Buches „Stino – Von West nach Ost durch Berlin 1990 (www.berlin1990.de)

 

 

 

 

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