Adbusting: Vivantes spricht Klartext - “Ausbeutung ist unser Anspruch”

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In den frühen Morgenstunden des 19.08.21 tauchten in einer Bushaltestelle nahe des Urban-Klinikums Berlin neue Plakate der Werbe- und Rekrutierungskampagne für neue Pflegekräfte des Klinikkonzerns Vivantes auf. Doch die Werbung hebt sich von den üblichen Anwerbeplakaten ab und blendet die Passant*innen mit unverhohlener Ehrlichkeit über die Arbeitsbedingungen in der Krankenpflege, ein eindeutiges Statement des Klinikkonzerns, sich den Forderungen des Streikbündnisses der Berliner Krankenhausbewegungen zu widersetzen – und das noch pünktlich vor Auslauf des 100-tägigen Ultimatums der Berliner Krankenhausangestellten.

“Ob Ausnahmezustand oder Regelbetrieb – Von der Pflege versprechen wir uns Profitmaximierung”

Das Pflegepersonal steht den Patient*innen meist am nächsten und arbeitet mit und am Menschen. “Ein Verhältnis, das sich von Gesundheitssenat und privaten wie kommunalen Krankenhauskonzernen wie uns ausgezeichnet ausbeuten lässt.”, lässt Silvia Schneider, Sprecherin der Vivantes Hospital Group, verlauten. “Vivantes weiß den Wert der Pflege und der Mitarbeiterinnen sowie Mitarbeiter zu schätzen, die dort gemeinsam jeden Tag Übermenschliches leisten – nicht erst seit Corona.” fügt sie hinzu. Und die Übermenschlichkeit soll natürlich auch weiterhin im Krankenhaus Alltag bleiben. Wie das Werbeplakat verlauten lässt bieten Krankenhäuser angehenden Pflegekräften vor allem viel zu wenige Toilettenpausen, Krankenpflege wie am Fließband, Überlastung und Arbeitsunfähigkeit mit 40. Daher ist eine zentrale Forderung des Berliner Streikbündnisses ein bedarfsorientierter Personalschlüssel im Gesundheitswesen. Sorgearbeit darf nicht weiter nach kapitalistisch-patriarchaler Logik entwertet werden. Sorgearbeit verdient Anerkennung, angemessene Bezahlung und menschliche Arbeitsbedingungen!

Stimmungsmache gegen Streikende – wer setzt wessen Gesundheit aufs Spiel?

In den bisherigen Verhandlungen mit Verdi zeigte sich der kommunale Klinikkonzern Vivantes trotz des Anspruchs seinen Patient*innen “eine Pflege auf höchstem Niveau zu gewährleisten” gänzlich unkooperativ. Verdi hat nun angekündigt, dass Pflegekräfte gemeinsam mit Reinigungs-, Logistik-, Labor-, und Küchenpersonal der Tocherunternehmen von Vivantes und der Charité ab kommenden Montag für drei Tage streiken werden. Denn die Forderungen des Streikbündnisses beschränken sich nicht nur auf Pflegepersonal – der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes soll sich nun auch für die Angestellten der Vivantes und Charité Tochterfirmen erkämpft werden. Denn die Angestellten von Labor Berlin, Vivantex, usw. verdienen deutlich weniger als Vivantes-Mitarbeiter*innen und haben im öffentlichen Diskurs um die Missstände im Gesundheitssystem häufig viel weniger Sichtbarkeit. Hinzu kommt, dass in diesen schlehchter zahlenden Tochterfirmen insbesondere durch Rassismus Betroffene eingestellt sind.

Nicht nur den Forderungen entziehen sich die Krankenhausunternehmen, sondern auch den Verhandlungen um Streikvereinbarungen. So nutzt Vivantes bespielsweise die sogenannten Notdienstvereinbarungen, die die Grundversorgung während des Streiks absichern sollen, um Stimmung gegen Streikende zu machen. Durch dieses Umkehrnarrativ wird die Verantwortung der Krankenhauskonzerne für patient*innengefährdende Zustände auf die Streikenden verlagert. Denn klar ist: Überlastung des Pflegepersonals macht die notwendige engmaschige Betreuung von Intensivpatient*innen unmöglich und die Unterbesetzung in den Reinigungsunternehmen bedeuten eine bewusste Inkaufnahme von Krankenhausinfektionen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Der kapitalistische Normalzustand gefährdet die Patient*innen Tag für Tag.

Es braucht mehr Personal in allen Bereichen des Gesundheitssystems für eine bedarfsgerechte Versorgung statt der Krankenhausfabrik! Wir wollen mindestens den TVöD für alle und ein Ende der sexistischen und rassistischen Entwertung jeglicher Sorgearbeit!

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