Pödelwitz. Lasst uns Torten backen!
Es gelte als gerettet, das Pödelwitz, doch weiterhin prangen an allen Zäunen Hauswänden Schilder die deutlich vermitteln: Alles hier ist Privateigentum der MIBRAG. Dahinter dann Bäume und Sträucher reifer Früchte, die in ihrer Fülle vielen Torten, ja Geburtstagstorten, Marmeladen, Likören und Weinen Geschmack verleihen könnten.
20. Juli 2021
Es sind fast 30 Grad. Die Hitze steht auf dem Asphalt. Es ist ruhig. Nur im Hintergrund kratzt die Baggerschaufel in unregelmäßigen Abständen auf felsigen Untergrund, es lösen sich Schreie die dem dramatischen Landschaftsschwund Ausdruck verschaffen. Braunkohleabbau im Mitteldeutschen Braunkohlerevier. Wir befinden uns 30 km südlich von Leipzig im -fast komplett- leerstehenden Dorf Pödelwitz. Ein Großteil der Bewohner*innen hat das Dorf schon verlassen, hat sich mit den Entschädigungen der MIBRAG (Bergbauunternehmen) ein neues Heim geschaffen. Nun kommt der Kohlestopp 2038. Oder sie sagen zumindest er kommt, der Stop. Und deshalb bleibt Pödelwitz also. Doch ging es nicht schon als die Leute gingen? Was bleibt sind sind die Bauten die einst Heime waren und nun nur den Ratten und Tauben zuflucht geben. Von Tag zu Tag blättern die Fasaden und bei manchen stärkeren Winden ist auch Dachsturz und Ziegelfall vernehmbar. Es gelte als gerettet, das Pödelwitz, doch weiterhin prangen an allen Zäunen Hauswänden Schilder die deutlich vermitteln: Alles hier ist Privateigentum der MIBRAG. Dahinter dann Bäume und Sträucher reifer Früchte, die in ihrer Fülle vielen Torten, ja Geburtstagstorten, Marmeladen, Likören und Weinen Geschmack verleihen könnten. Herrliche Weine wären das. Doch da die Häuser keinen Menschen eines Heims dienen können, strömen keine Düfte verarbeiteter Früchte aus den Küchen die es nicht gibt, denn da wo Küchen sein könnten sind bloß karge und kahle Räume. Vermodert.
Doch wieso das Drama?
Zu sagen die Leute hätten das Interesse an dem Dorf verloren wäre eine Lüge. Nein, ganz im Gegenteil strömen meist an den Wochenende vielzählige junge und alte die wenigen Straßen des Dorfes entlang. Manche suchen ihr Glück im Eigentums-Ein-Familienhaus, Andere suchen die Gemeinschaft die sich gegen die Norm eines kapitalistischen Alltags wendet. Alle suchen sie ihre Glücksehligkeit der Zukunft in Pödelwitz, alle hoffen sie die MIBRAG werde ihnen eines Tages die Berechtigung geben ihre Träume zu erfüllen.
Doch was tut die MIBRAG? Was plant die MIBRAG?
Und sie fragen, wie gewinnen wir die MIBRAG dafür unserem Glück freien Weg zu bereiten?
Fakt ist, die Häuser in Pödelwitz verfallen und die MIBRAG gibt keinerlei Auskunft wie sie sich die Zukunft erdenken. Bei all ihren vorherigen und gegenwärtigen Taten wundert das nicht. Deshalb scheint es gar utopisch zu denken eines Tages gäbe die MIBRAG die Häuser in kollektive Hände, auch wenn jene bereit sind dafür zu zahlen. Viel naheliegender ist da, dass sie Häuser samt Boden umwirbeln, platt machen, neu aufbauen und neben dem frisch geflutet, konstruiertem See der rundum Pödelwitz entstehen soll, eine Landschaft der Villen entsteht in dem bis in alle Tage Privateigentum herrscht.
Das wäre dann das Pödelwitz der Reichen und Schönen.
Doch wieso abwarten? Wieso uns Privateigentum von gestern, heute und morgen beherrschen lassen.
Wenn wir doch wissen er taugt nicht.
Wieso darum bitten und betteln, uns inszenieren und darstellen um als schön wahrgenommen zu werden, mit der Absicht irgendwann werden sie auch unsere Absichten toll finden.
Das werden sie nicht.
Deshalb sage ich euch heute, in dieser Gegenwart in der bei 30 Grad die Hitze über den asphaltierten Straßen von Pödelwitz steht, das wir unsere Zukunft nicht erbitten sollen bei jenen gegen die wir kämpfen, sondern uns das nehmen müssen was wir haben wollen. Und das wir das umsetzen müssen was wir umgesetzt haben wollen. Dafür brauchen wir keine Erlaubnis.
Und deshalb geht nach Pödelwitz um euch die Häuser zu nehmen um in ihnen zu wohnen, zu tanzen und zu kochen. Geht nach Pödelwitz um aus all den leckeren Früchten Marmeladen und Likören zu kochen und Torten zu backen, ja Geburtstagssahnetorten.