Gefangener gewinnt Klage in Bezug auf Langzeitbesuche in Tegel
In den Knästen ist es für viele Gefangene immer noch nicht möglich, ihre Angehörigen, Freunde und Familie zu sehen – oft behaupten sie, dass Besuch für Gefangene die Corona Situation verschärfen könnte. Gerichte schützen die Knäste natürlich meistens in ihren Behauptungen.
Umso erstaunlicher deswegen, dass ein Gefangener aus Tegel einen Rechtsstreit über dieses Thema gewann. Wir dokumentieren nachfolgend den genauen Rechtsweg, weil er auch für andere Gefangene hilfreich sein kann.
M. wurden Langzeitbesuche mit seiner Verlobten und seinen Söhnen durch den Knast Tegel pauschal verboten, obwohl der Gefangene angeboten hatte, vorherige Testungen auf Covid-19 bei seinen Angehörigen selbst zu bezahlen und sich danach in eine freiwillige Quarantäne zu begeben. Die Antwort der JVA: freiwillige Quarantäne ginge nicht, weil die Kapazitäten es nicht hergeben würden und der Aufwand unverhältnismäßig wäre. Angehörige testen ginge auch nicht (ohne Begründung). Außerdem, so die JVA, können M. Langzeitbesuche nicht genehmigt werden, weil dann alle anderen Gefangenen auch Langzeitbesuche wollen würden und das könne die JVA nicht stemmen.
Zunächst stellte der Gefangene deswegen im Dezember 2020 einen Antrag bei der JVA Tegel, dieser wurde aber wie gewohnt abgelehnt. Daraufhin stellte der Gefangene einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §109 StVollzG Bln über seinen Anwalt beim Landgericht [für alle anderen Bundesländer gilt der selbe Paragraph im jeweiligen Landes-Strafvollzugsgesetz; ein guter Anwalt ist bei solchen Klagen wichtig].
Hier der konkrete Antrag des Gefangenen.
Das Landgericht Berlin wies den Antrag des Gefangenen im Februar 2021 zurück. Der Gefangene legte daraufhin Beschwerde ein, wodurch sein Antrag auf das nächst höchste Gericht, in dem Fall das Kammergericht, weitergereicht wurde.
Mit einem Beschluss vom 31.05.21 entschied das Berliner Kammergericht, dass über die Versagung von Langzeitbesuchen durch die JVA Tegel (mehrstündige Besuche ohne Aufsicht) bei einem Gefangenen nochmals entschieden werden müsse.
Begründung: eine pauschale Verweigerung von Langzeitbesuchen aufgrund von Kapazitäten und Infektionsschutz ist nicht zulässig und im Einzelfall muss geprüft werden, was konkret möglich ist. Sich darauf auszuruhen, dass nicht genug Personal oder Quarantänezellen vorhanden seien und es einen großen Aufwand für die JVA bedeuten würde, sei nicht rechtmäßig.
Mittlerweile hat der Gefangene einen Langzeitbesuch durchführen dürfen und befand sich danach für fünf Tage in Quarantäne. Der Knast setzte den Beschluss also um.
Wir denken, dass dieses Urteil auch für viele andere Gefangene hilfreich sein kann, um Langzeitbesuche und damit eine Verbesserung der Haftumstände zu erreichen. Schreibt uns also gerne, falls ihr ebenfalls klagen wollt. Bedenkt dabei: gerichtlicher Verfahren brauchen offensichtlich einen langen Atem. Der entsprechende Gefangene hat auf eine für ihn positive Antwort ein halbes Jahr kämpfen müssen.
Außerdem kann Druck von außen ebenfalls dazu führen, dass sich Knäste bzw Gerichte nicht auf für sie bequeme Lösungen ausruhen – wenn ihr eure Klagen also öffentlich machen wollt, kontaktiert uns ebenfalls gerne.
Hier noch einmal die wichtigsten Dokumente zusammengefasst:
- Gerichtlicher Antrag nach $109 StVollzG Berlin des Gefangenen von Dezember 2020
- Beschluss des Landgerichtes Berlin von Februar 2021; Zurückweisung des Antrags des Gefangenen vom Dezember 2020
- Kammergericht Beschluss vom 31.05.21 – positives Ergebnis für den Gefangenen
- Die Beschwerde des Gefangenen liegt uns nicht vor. Allerdings ist diese, um selbst rechtliche Schritte einzuleiten, nicht von Nöten, da es sich um eine auf die Ablehnungsbegründung des Landgerichtes Berlin geschriebene Beschwerde handelt. Die Argumentation der Beschwerde lässt sich aus dem Beschluss des Kammergerichtes herausziehen – gute Anwält*innen, welche ihr für den Klageweg nutzt, können also auf den Beschluss des Kammergerichtes zurückweisen. Die Rechtbeschwerde im Strafvollzugsrecht muss entweder durch eine Anwältin oder zu Protokoll bei der Geschäftsstelle eingereicht werden. Das ergibt sich aus § 118 Abs.3 StVollzG.
Siehe auch: Von Gefangenen für Gefangene.