Straßenumbenennung zum 04.11.2017 – Kein Schlussstrich, NSU-Komplex auflösen!

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In der Nacht zum 04.11.2017 haben Aktivist*innen symbolisch die Nettelbeckstraße in Wiesbaden in die Enver-Şimşek-Straße und Halit-Yozgat-Straße umbenannt. Zum Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU soll hiermit auf das nahende Ende des NSU-Prozesses in München und die unzureichende Aufklärung des NSU-Komplexes aufmerksam gemacht werden.

Im Folgenden der Flyer im Wortlaut:

 

Liebe Anwohner*innen,

Enver Şimşek, der einen Blumenhandel im Hessischen Schlüchtern betrieb, und Halit Yozgat, der in seinem Internetcafé in Kassel unter Anwesenheit eines Verfassungsschützers ermordet wurde, waren das erste und das letzte Mordopfer der durch den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) begangenen sog. „Ceska-Morde“. Am 04. November 2017 jährt sich die Selbstenttarnung des NSU zum sechsten Mal. Gleichzeitig steht der sog. „NSU-Prozess“ in München kurz vor seinem Abschluss. Während von offiziellen Stellen weiterhin an der These eines Kerntrios festgehalten wird, haben Untersuchungsausschüsse und antifaschistische Recherchen schon längst gezeigt, dass der NSU aus einem bundesweiten Netzwerk bestand, das an vielen Punkten durch deutsche Geheimdienste durchzogen war. Die Nichtberücksichtigung dieser Erkenntnisse im NSU-Prozess macht deutlich, dass an einer umfassenden Aufklärung kein staatliches Interesse besteht. Die Urteilsverkündung am Tag X soll und darf jedoch kein Endpunkt der Aufarbeitung darstellen. Hieran möchten wir mit der symbolischen Umbenennung der Nettelbeckstraße in Enver-Şimşek-Straße und Halit-Yozgat-Straße erinnern.

 

Warum die Nettelbeckstraße? Joachim Nettelbeck (1738-1824) war einer der frühesten Verfechter deutscher Kolonialbestrebungen. Als Sklavenhändler empfahl er die Errichtung von Überseegebieten zur schonungslosen und menschenverachtenden Ausbeutung der dortigen Bevölkerung. Als „Verteidiger von Kolberg“ gegen Napoleon wurde er zudem zum Sinnbild militärischen Durchhaltens und später eine Heldenfigur des Nationalsozialismus, um im Angesicht der Niederlage zum fanatischen Einsatz aufzurufen. Mit der symbolischen Umbenennung soll so auch auf rassistische Kontinuitäten in Deutschland hingewiesen werden.

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