Keine Distanzierung der "Antifa United Frankfurt" von anti-muslimischen Angriff

Vor einer Woche haben wir eine Stellungnahme zu dem Angriff von Aktivisten der "Antifa United Frankfurt" auf einen muslimischen Imbiss veröffentlicht (siehe http://de.indymedia.org/node/11819). Hier nun eine erste Auswertung, was seit dem geschehen ist. Fest steht, dass aus dem gesamten "antirassistischen" und "antifaschistischen" Spektrum keinerlei Distanzierung statt gefunden hat!

Vor genau einer Woche haben wir unsere Stellungnahme zu den diffamierenden Schmierereien an SadiQs Laden "Free's Bude" und zu dem dazugehörigen Bekennerschreiben veröffentlicht. Wir haben diesen Angriff als einen rassistischen, antimuslimsichen und stigmatisierenden Angriff gewertet und alle Gruppen und Zusammenhänge aus FFM, die sich selbst als antirassistisch und antifaschistisch begreifen und bisher den Aufruf zur Kampagne von "Antifa United Frankfurt" (AUF) gefolgt waren und im Rahmen des Aktionsmonats "Make racists afraid again" von AUF entweder eigene Aktionen durchgeführt oder diese Kampagne in irgendeiner Weise, sei es nur durch Bewerbung auf den eigenen Seiten, unterstützt hatten, aufgefordert, sich zu dieser Aktion zu positionieren.

Unsere Erklärung wurde mehrfach auf der Linksunten-Indymedia-Seite, auf der auch das Bekennerschreiben veröffentlicht wurde, entfernt. Das sagt einiges über die Gesinnung der Admins dieser Seite aus. Die Moderation von Linksunten-Indymedia schreibt: "Wir zensieren faschistische, rassistische, nationalistische, geschichtsrevisionistische, antisemitische, homophobe und sexistische Inhalte." Offensichtlich fällt bei Indymedia der "antimuslimische Rassismus" aus ihrer Rassismuskategorie heraus. Das Bekennerschreiben, um das es hier geht, scheint die "Rassismus"-Kontrolle problemlos passiert zu haben. Wir beglückwünschen linksunten.indymedia für soviel Ignoranz, was den, unserer Ansicht nach, mittlerweile hegemonialen antimuslimischen Diskurs in diesem Land angeht. Welcome to mainstream Germany!

Wie hat sich AUF bisher zu den Veröffentlichungen verhalten?
Ein Sprecher der AUF wurde am 20.02.2017 in einem Artikel in der Frankfurter Rundschau (FR) wie folgt wiedergegeben: "Mit Sadiq hat es jemanden getroffen, der offensiv und öffentlich islamistische Inhalte und Codes promotet." Der Autor des Artikels, Danijel Majic, wertet das Gespräch mit dem Sprecher von AUF so: "Ein Sprecher von "Antifa United" hingegen verteidigt die Aktion." Wenn die AUF sich durch diese Darstellung in der FR in ein falsches Licht gerückt gesehen hätte, wäre es ohne große Mühe möglich gewesen, die FR um eine Korrektur zu bitten oder auf ihren eigenen Seiten eine Richtigstellung zu schreiben. Das ist ausgeblieben. Es hat lediglich auf Twitter den Hinweis darauf gegeben, dass AUF mehr Zeit braucht, um eine Stellungnahme zu veröffentlichen, der sozusagen basisdemokratisch erarbeitet werden müsse. Wir fragen uns, ob es bei AUF überhaupt einen antifaschistischen und antirassistischen Grundkonsens gegeben hat, so wie sie es in einem "Selbstinterview" darstellen. Die AUF hat bisher durch mehrere Twitter-Mitteilungen versucht, den Eindruck zu vermitteln, dass unter ihrem Kampagnen-Label alle möglichen Gruppen Aktionen durchführen können und sie sich deshalb nicht mit dieser Aktion in Verbindung gestellt sehen möchte. Jedoch ist festzustellen, dass das Bekennerschreiben unter dem gleichen Teilnehmer-Namen "makeracistsafraidagain" bei linksunten-Indymedia gepostet wurde, wie auch die Kampagnenzusammenfassung von AUF. Wie ist das möglich? Auch wurde das Bekennerschreiben auf der Facebook-Seite des AUF gepostet und damit beworben. Ist die Verwaltung dieser Seiten etwa auch nicht von AUF? Diese Halboffiziellen Erklärungsversuche sind absolut unglaubwürdig.

Nun zu den Inhalten. Die Aussage des Sprechers der AUF, dass SadiQ "islamistische Inhalte und Codes promotet", finden wir bemerkenswert. Im Gegensatz zu Neonazis, bei denen Inhalte und Codes recht klar identifizierbar sind und von antifaschistischen Gruppen ständig "geoutet" werden, ist völlig unklar, was "islamistische Codes und Inhalte" sein sollen. Scheinbar meint der Sprecher der AUF sich auf "allgemein anerkannte", das heißt gesellschaftlich verbreitete Vorurteile und Framings verlassen zu können. Ist die Bartlänge, das lange Gewand, das Tragen eines Niqab oder Ähnliches als Code zu werten?
Hier hat AUF mit dem öffentlichen Statement ihres Sprechers einen weiteren Vorstoß gewagt, der nicht nur den Angriff auf SadiQs Laden rechtfertigt, sondern auch weitere antimuslimische Ressentiments zu schüren bereit ist und weitere Attacken legitimieren soll. Auch weiten sie mit diesem Statement die Begründung für den Anschlag aus: es braucht gar keine Unterstützung des IS, sondern es reicht "islamistisch" auszuschauen, was auch immer das heißen mag.

Wir müssen also erstens feststellen, dass eine Woche nach den Veröffentlichungen unsererseits AUF sich nicht von der Schmiererei an SadiQs Laden distanziert hat, die wir eindeutig als rassistische Brandmarkung bewerten. Ein Muslim wird somit zur Zielscheibe von Hass und Hetze und auch von rechter Gewalt, der Antifaschismus wird diskreditiert und unglaubwürdig gemacht.
Zweitens aber hat die AUF sich auch nicht zu den Angriffen im Jahre 2016 (unter anderem ein Brandanschlag), über die wir berichtet hatten, geäussert. Tatsächlich hat auch keine andere Gruppe oder politischer Zusammenhang es als nötig erachtet, sich auf diese Angriffe in irgendeiner Form zu beziehen, geschweige denn diese zu verurteilen. Dies ist eine bittere Feststellung und weist unserer Einschätzung nach einen hohen Grad an Abgebrühtheit und Verrohung innerhalb der 'Szene' auf, was den antimuslimischen Rassismus angeht.

Wer hat sich von der rassistischen Aktion gegen "Free's Bude" distanziert?
Von der Diffamierungsaktion auf SadiQs Laden hat sich innerhalb dieser Woche lediglich "No Fragida", wenn auch recht halbherzig, distanziert. Diese Distanzierung wurde bisher jedoch nur auf Facebook in den Kommentarspalten des AK 8.Mai und nicht auf der eigenen NoFragida-Seite gepostet. Keine andere Gruppe und keine der sonstigen Räumlichkeiten, die AUF für ihre Arbeit gedient haben, hat sich bisher von den Angriffen und vom Bekennerschreiben distanziert. Hier scheint weiterhin die Politik der stillschweigenden Zustimmung oder des Aussitzens gepflegt zu werden. Auch das werten wir als fortgeschrittenen Verfallsprozess innerhalb der so genannten linken und antifaschistischen Szene in Frankfurt am Main.

Wer hat sich positiv auf die Angriffe bezogen?
Tatsächlich hat es innerhalb dieser Woche zwei Stellungnahmen gegeben, die sich positiv auf den rassistischen Angriff auf "Free's Bude" beziehen. Die erste Gruppe, die kurz nach unserer Veröffentlichung zum ersten Mal öffentlich in Erscheingung getreten ist, ist die so genannte "Recherchegruppe gegen Islamismus Rhein-Main". Diese erklärt zwar, dass die Begründungen für den Angriff nicht ausreichend seien, aber zeigt sich sogar "erfreut" über diese Aktion. In der Erklärung lesen wir: "Dies hat uns positiv überrascht, schien die sehr aktive islamistische und salafistische Szene der Region bis her doch nicht im Fokus zu stehen." Diese sich selbst der Radikalen Linken zuordnende "Recherchegruppe" korrigiert zwar einige grobe Fehler aus dem Bekennerschreiben, bedient sich aber den gleichen antimuslimischen Muster, bei denen Schlagwörter wie "Salafismus", "Islamismus" und "Koranverteilung" ausreichen, um Anschläge auf Muslime zu rechtfertigen. Auch diese "Recherchegruppe" sieht es nicht als nötig an, den unterstellten rassistischen oder faschistischen Anteil an diesen Vorhaltungen in irgendeiner Weise erklären zu müssen. Vielmehr ruft sie - quasi augenzwinkernd - zu noch mehr Angriffen auf, indem sie z.B. auf einen weiteren Laden von SadiQ aufmerksam macht.

Des Weiteren hat sich die "Linke Liste" des AStA an der Goethe-Uni zustimmend zum rassistischen Angriff auf "Free's Bude" geäußert. Das war nun keine wirkliche Überraschung. Diese Gruppe ist seit Jahren als Teil der so genannten "antideutschen" bzw. prozionistischen Strömungen in Frankfurt am Main bekannt. Ihre Erklärung strotzt nur so von absurden und inhaltsleeren, weil tautologischen Statements wie: "Antisemitismus bleibt Antisemitismus, Patriachat bleibt Patriachat, Religion bleibt Religion, ... kurz: der politische Feind." Wir sehen uns nicht dazu berufen und in der Lage, eine inhaltlich so sinnfreie Erklärung wie die der LiLi zu kommentieren, außer vielleicht mit: "antideutsch" bleibt eine Wiederauflage der hässlichsten Seite der deutschen Geschichte, eine besonders aggressive Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Wir freuen uns sehr, dass der Verein Zusammen e.V. sich unserem Aufruf angeschlossen hat und in dieser Sache sogar selbst aktiv wurde. Das Interview mit SadiQ ist die genau richtige Antwort auf die Angriffe gegen ihn. Darin wird deutlich, wie nötig es ist, Antifaschismus neu zu buchstabieren und den Selbstschutz vor rechten Angriffen, seien sie ideologischer oder physischer Art, zu organisieren.
Ein Antifaschismus, à la AUF, der united left and right praktiziert, disqualifiziert sich selbst. Gleichzeitig gegen AfD zu sein und gegen "Islamismus" ist so ziemlich das, was zurzeit den Kern des nationalen Konsenses in der BRD ausmacht. AUF macht sich so zum Laufburschen des Verfassungsschutzes und der Repressionsorgane, zur Marktschreierin des Mainstreams.
Die Sichtweise, dass der Faschismus von unten und aus den Köpfen käme, ist schon längst in Antifa-Kreisen hegemonial. Sie dient nur dazu, davon abzulenken, wer wirklich die Profiteure von Krieg und Faschismus sind und den Antifaschismus daran zu hindern, diejenigen in ihren Reihen zu organisieren, die am Ende des Tages immer wieder zurückgeworfen werden auf ihr nacktes, ausgebeutetes Dasein.

Wir bleiben dran. Schaffen wir die Voraussetzungen für eine starke Antifa von unten!

AK 8. Mai

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen