Scharfmacher am Ende?

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Jahrzehntelang haben sie das Spiel der spanischen Regierungen gespielt, haben Folter gedeckt und aufgrund der Foltergeständnisse verurteilt: die Rede ist von den Richtern der Madrider Audiencia Nacional, des Nationalen Gerichtshof, ausschließlich zuständig für “Terrorismus und Drogenhandel“. In jüngster Zeit haben Freisprüche dieses politischen Gerichtshofs zugunsten baskischer Angeklagter überrascht. Bei der Sommeruni in Madrid traf nun einer aus dieser Richterriege Feststellungen, von denen im Baskenland schon lange eine Mehrheit ausgeht. Die Strafen gegen Mitglieder von ETA seien hoch und unverhältnismäßig. Der Strafvollzug mache große Unterschiede zwischen baskischen und anderen Gefangenen. Das sei ein Fehler und müsse geändert werden. Insbesondere in Anbetracht des definitiven Endes der bewaffneten Aktionen von ETA. 

Der Richter José Ricardo de Prada hebt hervor, dass insbesondere die Parot-Doktrin ein großer Fehler gewesen sei, mit der die Strafen gegen ETA-Gefangene nachträglich und willkürlich verlängert wurden. Dieses Vorgehen bezeichnete Prado als “juristisch unzulässig“. Peinlich sei es überdies, dass ausgerechnet ein Gericht außerhalb des Staates (der Europäische Menschenrechts-Gerichtshof) diese juristische Verirrung korrigieren musste. De Prado stellte fest, dass allen Richtern der Audiencia Nacional bewusst gewesen sei, dass die Regelung “schlecht“ gewesen sei. Solche Feststellungen, gemacht während Veranstaltungen der Sommeruniversität und ohne jegliche politischen oder juristischen Folgen, sind im Grunde eine Bankrott-Erklärung der spanischen politischen Justiz. Stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage Richter denn entschieden haben, wenn sie Zweifel hatten an der Rechtmäßigkeit der von ihnen selbst getroffenen Regelungen mit fatalen Folgen für die betroffenen Gefangenen? Die Erklärung unterstreicht, was im Baskenland seit langem kritisiert wird, von Abertzalen, aber auch darüber hinaus: dass die spanische Justiz durch und durch politisiert sei und dass normal-juristische Regeln keinerlei Rolle spielten. Das beginnt mit der Tatsache, dass Dutzende wenn nicht hunderte von Verurteilungen nicht aufgrund von Beweisen getroffen, sondern mit den unter Folter erzwungenen Selbstbezichtigungen begründet wurden. Der antibaskische Charakter der Justiz setzte sich fort über die Straflosigkeit bei nachgewiesenen Folterdelikten. Und wenn einmal ein Urteil gefällt wurde, dann trat die Politik auf den Plan und sprach Begnadigungen aus, und Beförderungen für die Polizisten gleich hinterher. Eine Praxis, der sich auch die Sozialdemokraten bedienten. De Prado stellte weiter fest, dass es nicht angehe, von den Gefangenen zu fordern, dass sie um Entschuldigung bitten, weil dies totales Abschwören und ideologischen Verzicht beinhalte. Eine weitere interessante Feststellung, die in Politik und Justiz nirgendwo relevant ist. Angemessen findet de Prado, dass die Verurteilten den verursachten Schaden eingestehen und zwar direkt gegenüber den geschädigten Personen. Auch wenn die Politik dies leugne, sei ein Friedensprozess in Gang gekommen, der in einen Versöhnungsprozess münden müsse. (Quelle: Deia, 3/7/2014)

Überraschender Freispruch

Der Freispruch von Beñat Aginagalde durch eben diese Audiencia Nacional ist möglicherweise noch sensationeller als jener zugunsten der Jugendlichen vor wenigen Tagen, denen Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation vorgeworfen worden war. Denn bezichtigt wurde Aginagalde des Mordes an einem Lokalpolitiker in Arrasate/Gipuzkoa im Jahr 2008. Die Staatsanwaltschaft hatte 32 Jahre Haft gefordert, der Beschuldigte hatte geltend gemacht, dass er am fraglichen Tag an der Uni in Donostia gewesen sei, mit einer Freundin zu Mittag gegessen habe und während dieses Essens von dem Anschlag gehört habe. Zwei geschützte Zeugen hatten aufgrund von Fotobetrachtungen ausgesagt, Aginalde nach dem Anschlag wegrennen gesehen zu haben. Das war dem Gericht - zwei Richter, eine Richterin - nicht genug. Sie warfen dem ermittelnden Untersuchungsrichter vor, eine persönliche Gegenüberstellung nicht veranlasst zu haben, ohne erkennbare Gründe. Die Tätererkennung per Foto ein Jahr später sei nicht ausreichend. Eine weitere Besonderheit an diesem Verfahren war, dass der Angeklagte sich argumentativ verteidigte. Angeklagte ETA-Mitglieder tun dies in der Regel nicht, sie lehnen die Legitimität der spanischen Gerichte ab und machen keine Aussagen zu Tatvorwürfen. Beñat Aginagalde ist zwar nicht der erste, der versuchte, sich zu verteidigen, bisher wurde diesen Argumenten jedoch nie Glauben geschenkt. Entlassen wird er dennoch nicht, vorgeworfen wird ihm die Beteiligung an einem weiteren Anschlag.

(Redaktion Baskinfo)

 

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