[BERLIN] Unsere Kämpfe werden mit jeder Räumung stärker

Regionen: 

Was die Mauern unserer Projekte für uns bedeuten und wie wichtig das Kollektiv der L34 ist.

(english below)

Am 9. Oktober 2020 haben wir ein Haus verloren. Dies ist ein großer Verlust für die Infrastruktur des Nordkiezes in Friedrichshain. Wir verlieren immer mehr Räume, dabei brauchen wir sie so sehr. Unsere Projekte geben uns Raum mit horizontalen Formen der Selbstorganisiation zu experimentieren, selbstbestimmt zu leben, bürgerliche und kapitalistische Muster zu reflektieren und zu überwinden. Unsere Mauern schützen uns, sie helfen uns, Orte zu schaffen, in denen wir uns organisieren, ausruhen, pflegen und gemeinsam sicherer und stärker fühlen können. Diese Mauern sind für uns Orte, die wir versuchen von den Fesseln der Macht zu befreien, ohne Herrschende und ihren institutionellen Mechanismen, ohne Unterdrückende und Bosse*, Orte außerhalb der gesellschaftlichen Normen. Mauern, in denen Menschen ihre Beziehungen auf einer Basis von Solidarität und Gleichheit neu definieren können.

Unsere Mauern trennen uns nicht. Stattdessen durchbrechen sie die liberale Isolation, innerhalb der Häuser und zwischen ihnen. Sie schaffen Netzwerke der Hilfe, der Rebellion und der Solidarität in unserer politischen Praxis und in unseren Nachbarschaften. Unsere Mauern sind Türen, um unsere Politik von unten weit in diese erstickende Metropole zu verbreiten. Unsere Räume sind nicht irgendwelche toten Mauern. Es sind Mauern, die uns die Möglichkeit geben, all Das zu verwirklichen, was uns unmöglich schien. Deshalb halten wir es für notwendig, für sie zu kämpfen. Unsere Mauern zu verteidigen bedeutet gegen die Stadt der Reichen und gegen diese sogenannten „sicheren und gesicherten“ Städte zu kämpfen und die Straßen von Bullen, Neoliberalisten, Nazis, Sexisten und Machogehabe zu befreien.

Das Hausprojekt Liebig34 ist gerade zwei Wochen geräumt und schon spüren wir die Veränderungen in unseren Straßen und in unserem Alltag. Vor einigen Wochen haben diese Macho-Scheißer, die von Padovicz geschickt wurden, um das Haus zu beschützen, dass er gerade dem L34-Kollektiv gestohlen hat, Menschen auf dem Dorfplatz angegriffen. Sie haben versucht sie mit einer Schaufel und Eisenstangen zu schlagen, einige junge Mädchen belästigt und die Bevölkerung terrorisiert. Seit dem Tag der Räumung spüren wir, wie die Unsicherheit in unseren Straßen wächst. Wir spüren und sehen das Fehlen eines äußerst wichtigen Gebäudes in unserer NachbarInnenschaft. Wir sehen, dass es nun viel weniger Menschen sind, die sich mit diesen ständigen Drohungen patriarchalischer, sexistischer und homophober Gewalt auf dem Dorfplatz auseinandersetzen. Jetzt, wo die Liebig34 nicht mehr da ist, sind nicht mehr viele Menschen da, um einzugreifen und sich gegenseitig zu unterstützen.

30 Jahre lang arbeitete die L34 sehr hart gegen Unterdrückung und Patriarchat durch den Staat und die Gesellschaft. Sie lebt seit über 20 Jahren ohne cis-Männer. Es ist viel Arbeit geleistet worden und der Kampf wird weitergehen, mit oder ohne dem Haus der Liebig34. Wir werden nicht zulassen, dass 30 Jahre Widerstand zerfallen und wir werden weiter arbeiten und gegen die Unterdrückung in unserer NachbarInnenschaft und überall in unserem Alltag kämpfen. Dazu brauchen wir natürlich mehr von diesen Mauern, mehr Häuser, mehr Orte. Besetzt alles! Je mehr, desto besser! Diese Mauern helfen uns, in ihrem Inneren stärker zu werden und sicherer zu sein. Aber wir können kämpfen, mit oder ohne sie. Wir müssen klug und kreativ sein, um mit der Räumung der Liebig34 umzugehen, aber wir haben keine Zweifel daran, dass wir es alle gemeinsam schaffen werden.

Die L34 ist nicht nur ein Gebäude, sondern auch ein starkes Kollektiv, welches ein wichtiger Teil der Infrastruktur in der NachbarInnenschaft war und ist. Sie ist für uns nicht nur ein Hausprojekt, sondern ein sehr starkes anarcha-queerfeministisches Kollektiv, das viele FLINT-Leute bestärkt hat auf die Straße zu gehen und ihre Unterdrücker zu bekämpfen und sie ermutigt hat ihre Politik von unten mit militanten Wegen und Aktionen zu betreiben. Ein Kollektiv, das in den letzten Jahren immer größer und stärker wurde, mit dem Ziel die hetero-patriarchalen Strukturen, sexistische Gewalt und Belästigung, Staat und Kapital zu zerschlagen und in sie anzugreifen. Indem sie sich zwischen ihren Mauern organisierten, wirkten sie auf den Dorfplatz, in den Straßen dieser Stadt und darüber hinaus!

Das Haus war ein Ort, um eine kollektive queer-feministische Utopie für eine Stadt von unten auszuprobieren, ein Ort der Solidarität, Gleichheit und Freiheit, nicht nur im Nordkiez, sondern weit über Berlin und Deutschland hinaus. Ein starkes Empowerment für queer-feministische Kämpfe vieler Menschen außerhalb dieses Hauses. Die Politik und der Charakter der Liebig34 sind mit oder ohne diesen Mauern wichtig, denn die Menschen des Kollektivs, die diese Mauern bildeten, sind der Grund dafür, dass viele Einzelpersonen und Gruppen all die Jahre für ihren Erhalt gekämpft haben.

In den letzten Jahren haben wir in einigen unserer gemeinsamen Handlungen einen Einfluss des L34-Kollektivs erlebt. So gab es zum Beispiel viele Fälle, in denen sexistische und machohafte Verhaltensweisen in unseren Strukturen Raum einnahmen und wuchsen. Die L34 gehörte zu den Kollektiven, die sich gegen diese Verhaltensweisen und Mechanismen stellten und, was noch wichtiger ist, viele Einzelpersonen darin bestärkten, gegen sie zu kämpfen.

Für uns als Rigaer94 ist es sehr wichtig, die Kontinuität dieses Kollektivs zu unterstützen: Da der Kampf ohnehin weitergeht, müssen wir uns organisieren und gegen das Patriarchat, die sexistische Gewalt, den Staat und das Kapital kämpfen! Wir unterstützen die Entscheidung von Terra Incognita (ein Kollektiv aus Thessaloniki), dass sich nach der Räumung dafür entschieden hat als Kollektiv weiterzubestehen und noch stärker wurde und als Teil der Infrastruktur der Bewegung, immernoch kollektiv kämpft!
Es ist wichtig in entscheidenden Momenten wie diesem zusammenzuhalten und uns gegenseitig zu stärken. Wenn uns die unterdrückenden Repressionsorgane des Staates angreifen müssen wir zum Gegenangriff ausholen. Machen wir es ihnen nicht leicht und zeigen wir, wie stark unsere politischen Bindungen und Beziehungen sind! Wir können selbst mit dieser Räumung und jeder bevorstehenden Repression, der wir uns stellen müssen, noch stärker werden. Ein Angriff auf Einzelne ist ein Angriff auf uns Alle!

Der Kampf geht weiter und wir werden alle gemeinsam zurückschlagen. Um einige Antworten darauf zu finden, wie wir unseren Kampf über vergangene Räumungen und über bestehende Projekte hinaus fortsetzen können, organisiert die „Interkiezionale“ ein Wochenende mit Diskussionen und Aktionen zum Thema „Städtische Kämpfe verbinden – Autonome Räume verteidigen“. Um uns gemeinsam in Theorie und Praxis zu verbinden und zu organisieren, um Gegenstrategien zu finden und gemeinsam die Straßen zu erobern! Solidarität kennt keine Grenzen.
Internationaler Aktionsaufruf und Diskussionstage in Berlin 30.10.-01.11.2020.
Jede Räumung hat ihren Preis!
Demonstration am 31.10. um 19:00 Uhr ab Helsingforser Platz.

Bis dahin: Zerschlagt die Stadt der Reichen!
interkiezionale.noblogs.org | latest update: United we fight!

Mit Wut und Solidarität in unseren Herzen, Rigaer94.

————————————————————————————

The struggle becomes stronger after every eviction
What the walls of our projects mean to us and how important is the collective of L34

On the 9th of october 2020, we lost a house and it’s a big loss for the infrastructure of the north neighborhood of friedrichshain. We lose more and more spaces and we need them a lot. Our spaces provide us with grounds of experimentation for our horizontal procedures of self-organisation in our own places, living collectively as we want to in order also to reflect and overcome bourgeois and capitalist patterns. Our walls protect us, they help us creating places to organise, rest, care and feel safer and stronger all together. These walls for us mean; places which we try to challenge and liberate them from the shackle of power, without rulers and their institutional mechanisms, without oppressors and bosses, outside of the dominant standards. Walls where people can redefine their relationships on the basis of solidarity and equality.

Our walls do not separate us. Instead, they break the liberal isolation, inside the houses and between them, they create networks of help, rebellion and solidarity in our political praxis and in our neighborhoods. Our walls are doors to spread our politics from below far out in this suffocating metropolis. Our ventures are not some dead walls. They are walls which give us the chance to carry out everything that seemed impossible to happen. That is why we find it necessary to fight for them; defending our walls means fighting against the city of the rich and for these so called „safe and secure“ towns, liberating the streets from cops, neo-liberalists, nazis, sexists and macho behaviors.

The Liebig34 houseproject isn’t gone for a week and we can already feel the changes in our streets and in our everyday lives. Some weeks ago, these macho shits who were sent by Padovicz (the legal house owner) to protect the house, that he just stole from the L34 collective, attacked people at Dorfplatz, trying to hit them with a shovel and iron bars, harassing some young girls, terrorizing the population. Since the eviction day, we feel the unconfidence growing in our streets, we feel and see the miss of an extremely important structure in our neighborhood, also to be honest with ourselves, we understand that it is now much less people who deal with these constant threats of patriarchal,sexist and homophobic violence in our neighborhood. Now, that L34 is not there, not many „local“ people are there to intervene and be supportive to each other.

For 30 years, the L34 worked very hard against oppression and patriarchy from the state and its society. They live for over 20 years without cis men. Lots of work has been done and the struggle will continue, with or without the building of Liebig34. We won’t let 30 years of resistance to fall apart and we will keep working, struggling and fighting against oppression in our neighborhood and everywhere in our everyday lives.To do so, obviously we need more walls, more houses, more places. Squat everything! The more is the better! Walls help us growing stronger and safer inside them, but we can fight, with or without them. We have to be smart and creative to deal with the eviction of the Liebig34, but we have no doubts that we will make it all together.

L34 is not only a building but also a strong collective which was and is an important part of the infrastructure of the neighborhood. She was not only a house project for us but a very strong anarcha-queer feminist collective that empowered a lot of FLINT people to get into the streets and fight their oppressors, do their politics from below with militant ways and actions. A collective which grew bigger and stronger in the last years with the goal to smash and intervene in the hetero-patriarchal structures, sexist violence and harassment, state and capital. By starting getting organized between their walls, they impact in our streets and into the streets of this city and beyond!

The collective of this house is a place to try out a collective queer-feminist utopia for a city from below, a place of solidarity, equality and freedom not only in our neighborhood but also far beyond berlin and germany. A strong empowerment for queer-feminist struggles to many people outside of this house. The politics and character of Liebig34 are important with or without those walls, because the people of the collective who formed those walls, are the reason why many individuals and groups where fighting for her struggles all those years.

In the last years, we experienced an influence from L34 collective in some of our common procedures. For example, there where a lot of cases where sexist and macho behaviors where taking space and growing within our structures. In order to be transparent, L34 was one of the collectives who stood against those behaviors and mechanisms and even more important, empowered a lot of individuals to fight against them.

For us, as Rigaer94, it is very important to support the continuity of this collective: As the struggle continues anyways, we have to get organized and fight against patriarchy, sexist violence, the state and capital! We support the decision of Terra Incognita -a collective from thessaloniki, in greece-which after its eviction decided to keep the collective, and got empowered in order to become even stronger and be hosted and part of the movement’s infrastructure to continue fighting collectively!

It is important to stick together and empower each other in crucial moments like this, when the state’s repressed operations attack us, we have to counter-attack. Let’s not make it easy for them and show how strong our political bonds and relationships are! We can still grow stronger even with this eviction and every upcoming repression that we will have to face. If they attack one of us, they attack us all.

The struggle continues and we will fight back all together. To find some answers on how to continue our struggle on past evictions and beyond existing projects, the interkiezionale is organising a weekend of discussion and actions with the thematic of „Connect Urban Struggles – Defend Autonomous Spaces“. In order to get connected and organised in the theory and praxis, to find common counter-strategies and take over the streets together! Solidarity has no borders.
International call for action and discussion days in Berlin from the 30.10-1.11
Every eviction has its price!
Demonstration on the 31.10 at 7pm starting at Helsingforser Platz.

Until then, smash the city of the rich!

interkiezionale.noblogs.org | latest update: United we fight!

With rage and solidarity in our hearts, Rigaer94.

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Ergänzungen