Ad-Hoc-Räumung
In der baskischen Stadt Iruñea (spanisch: Pamplona) kam es im Rahmen einer Hausbesetzung und Sofort-Räumung zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrant/innen. Am Samstag (8.10.) hatte sich eine neue Besetzergruppe mit dem Namen hIREKIn mit einer symbolischen Besetzung im Stadtzentrum vorgestellt, um gegen Leerstand und fatale Wohnungspolitik zu demonstrieren.
Die Reaktion kam prompt. Zur Räumung am folgenden Sonntag wurde die Stadtpolizei geschickt, die zog sogleich alle Nummern von Gewaltanwendung gegen Besetzer/innen und gegen Unterstützer/innen auf der Straße. Es kam zu diversen Verletzungen auf beiden Seiten. Vor allem aber setzte die Polizei Waffen ein, deren Legalität umstritten ist, sogenannte „ausfahrbare Schlagstöcke“ waren auf den Bildern des linken Lokal-Fernsehsenders ahotsak.eus zu sehen. Diese Waffen sind zwar nicht ausdrücklich illegal, sie gehören aber auch nicht zur offiziellen Ausrüstung der Polizei.
Verschiedene weitere Umstände haben die politische Szene der Stadt in Aufregung versetzt. Erstens: es gab keinen Räumungsbefehl, jedenfalls nicht von Seiten eines Richters, der zuständige machte das selbst öffentlich deutlich. Es handelte sich somit um eine Ad-Hoc-Räumung nach dem Geschmack der Polizei-Verantwortlichen. Zweitens: Iruñea wird von einer links-liberalen Koalition regiert, Bürgermeister ist ein Historiker aus der baskischen Linken, Sortu. Der für Polizei zuständige Senator ist ebenfalls ein Linker, in diesem Fall von Aralar, einer alten Abspaltung von Herri Batasuna. Bei der Ratssitzung am Montag war der Bürgermeister fürs Erste nicht präsent, das wurde ihm von den rechten Oppositionsparteien heftig angekreidet, die verteidigten die alegale Polizeiaktion – wer hätte anderes erwartet.
Auf der Suche nach den Gründen, weshalb die Polizeiführung einen solchen Alleingang durchgeführt hat, kommt der dritte Umstand ins Spiel, denn die navarrische Polizei – an rechte Regierungen gewöhnt – befindet sich im Kriegszustand mit der Regional- und der Stadtregierung. Die wollen nämlich Polizeikonzepte ändern, angefangen bei Personalfragen. Aus diesem Grund waren im Sommer auf Regionalebene mehr als 30 höhere Polizei-Funktionäre demonstrativ zurückgetreten, die Führung wäre somit ohne Kopf geblieben. Die Innen-Senatorin lehnte diesen Kollektiv-Rücktritt ab mit der Begründung, es handele sich um einen politischen Akt, man lasse sich nicht erpressen.
So gesehen könnte die Räumung ein Schachzug der Polizeiführung gewesen sein, in der Stadt Unruhe zu verbreiten und einen Keil zu treiben zwischen den linksliberalen Verwaltungen und deren Basis, ein Versuch, Pamplona unregierbar zu machen oder es zumindest so erscheinen zu lassen.
In jedem Fall hat die baskische Linke nun ein Problem. Eines, das nicht gerade überraschend kam. Die letzte Besetzung im Dezember 2015 war auf dem Verhandlungsweg und ohne Gewalteinsatz geregelt worden. Nachdem die Stadt der Besetzungsgruppe ein akzeptables Haus für ein Selbstverwaltungs-Projekt in Zentrumsnähe angeboten hatte, verließen die Aktivist/innen das Haus in der Innenstadt, das sie ursprünglich besetzt hatten. Ein gutes Beispiel für erfolgreiche sozialdemokratische Politik (Baskinfo berichtete).
Einem weiteren Dialogerfolg hat die Polizei mit ihrer Attacke einen Riegel vorgeschoben, die Linke muss jetzt „ihre Polizei“ verteidigen, wenn sie nicht vollends die Kontrolle über die Ereignisse verlieren will. Nach 30 Jahren Rechts-Regierungen kommen sich die Polizei-Fürsten offenbar vor wie kurz vor der Anarchie, mit allen Mitteln versuchen sie, ihre Pfründe zu verteidigen. In diesem Fall auf Kosten einer legitimen Forderung. Vorläufig klappt die Strategie, soziale Gruppen gegeneinander aufzuhetzen.
Das Thema „Linke und Polizei“ wird sicher noch mehr Kapitel haben in einem Baskenland, in dem linke Koalitionen verschiedener Couleur nach Macht und Einfluss streben. Dabei haben sie es mit einem Corps-Geist zu tun, der Jahrzehnte Zeit hatte, ein Eigenleben zu entwickeln. Das musste sogar die christdemokratische baskische Regierung erfahren, als sie den von der Ertzaintza ermordeten Fußballfan Iñigo Cabacas als Opfer von Polizeigewalt definierte und dafür den groben Protest der Polizei-Gewerkschaften erntete. Eine Geschichte mit Fortsetzung.
Der Name der neuen Besetzungs-Gruppe „hIREKIn“ ist ein Wortspiel in baskischer Sprache, das mit „Öffnung in der Stadt“ übersetzt werden könnte; ireki bedeutet öffnen, hiri ist die Stadt“. (Red. Baskinfo)