Grundrechte- und Hygienedemos Allgemein und in Ulm
Ein Überblick zu den Hygiene und Grundrechtdemos in den letzten Wochen mit speziellem Fokus auf Ulm
Überblick
Wie schon an anderen Samstagen seit Anfang April, fanden auch am 25.04.20 Versammlungen in mehreren Städten mit dem gemeinsamen Inhalt „Grundrechte und Corona“ statt, teilweise auch als Hygienedemos bezeichnet. Sie stehen im Zusammenhang mit der Gruppe Nicht-Ohne-Uns, die seit Ende März zu solchen Versammlungen aufruft.
Zum Beispiel in:
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Berlin: https://twitter.com/pm_cheung/status/1254126872767627264, https://www.youtube.com/watchv=SwW3vAm9-Xc&feature=youtu.be
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Bremen/Bermerhaven: https://twitter.com/MBTBremen/status/1254130170652483584
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https://twitter.com/recherchenorth/status/1254108647292100609
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Flenzburg: https://twitter.com/SchewskiMedia/status/1254048069383004167
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Freiburg: https://twitter.com/sbamueller/status/1254088567590023179
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Hamburg: https://twitter.com/jannisgrosse/status/1254104986012856323
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Hannover: https://twitter.com/mic_tra/status/1254087482926301184
- Kempten: https://allgaeu-rechtsaussen.de/2020/04/27/kempten-aluhuete-gegen-impfzwang-und-corona-luege/
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Köln: https://twitter.com/infozentrale/status/1251927895796322305
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München: https://twitter.com/annewild_muc/status/1254059365268705281
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Stuttgart: https://twitter.com/Julian_Ret/status/1254098177021665282
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Wien: https://twitter.com/PresseWien/status/1253766506208473091
Einige Corona-Maßnahmen, wie die Einschränkung der Versammlungsfreiheit, die Verschärfung von Polizeigesetzen, oder Entscheidungen, die viel mehr wirtschaftlich als gesundheitlich gedacht sind, sind auf jeden Fall aus linker Perspektive kritisch zu betrachten. Die Lage von Geflüchteten in und außerhalb Europas, für sozial isolierte Menschen, für Menschen ohne Wohnung und für viele weitere ist in der aktuellen Situation mehr als schlecht. Das zu thematisieren versuchen derzeit einige Aufrufe im linken Spektrum, unter anderem #nichtaufunseremRücken, Keine Quarantäne für Freiheitsrechte oder #LeaveNoOneBehind. Warum sollte Mensch also die Grundrechte / Nicht-Ohne-Uns Demos kritisch betrachten?
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Es geht weniger um Grundrechte, als darum Corona zu verharmlosen oder ganz zu leugnen.
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Es werden historische Vergleiche gezogen zwischen der aktuellen Situation und dem Nationalsozialismus und dessen Verbrechen, und diese damit verharmlost.
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(Es wird von Regime und Diktatur gesprochen, in mehreren Städten verglichen sich demonstrierende mit verfolgten Jüd*innen im NS, zum Beispiel in Wien
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Klar zu sehen sind die persönlichen Verstrickungen von der Nicht-Ohne-Uns Gruppe mit einem breiten Spektrum aus Querfront, Verschwörungsideologien und extrem Rechten.Besonders anschaulich ist das an den Versammlungen in Berlin, wo bekannte und eindeutige Personen, wie der sogenannte Volkslehrer Nerling, Bärgida Mitglieder, AfD Mitglieder oder NPD Mitglieder unterwegs waren
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In Bremen griffen Personen aus der Neonazi-Szene um die Partei „Die Rechte“ mit einer Kundgebung das gleiche Thema „Grundrechte und Corona“ auf.
Situation in Ulm
Am 04.04.20 gab es eine erste Versammlung in Ulm, die klar mit den Hygienedemos der Plattform „Nicht-Ohne-Uns“ zusammenhing. Erkennbar war das u.a. auf dem Demo-Aufruf und den ausgeteilten Flyern. Bereits damals gab es eine kritische Begleitung von Antifaschist*innen, die in Gesprächen Teilnehmende auf die Kritik an die Nicht-Ohne-Uns Gruppe hinwiesen. (mehr dazu hier: https://de.indymedia.org/node/75618).
In der Woche darauf, am 11.04., gab es keine Versammlung, nur Einzelpersonen, die auf dem Münsterplatz unterwegs waren.
Letzte Woche am 18.04 traffen sich 14 Personen, die von einem Gewitter und fünf Streifenwägen aufgelöst wurden. Konsequenz waren laut Eigenangaben in den sozialen Medien eine Anzeige und zwei Ordnungswidrigkeiten.
Am 24.04. waren es deutlich mehr, mindestens 50-60 Personen. Die Versammlung war angemeldet. Polizei war kaum sichtbar anwesend, aber wahrscheinlich einige Beamte in Zivil. Interessanterweise kursierten vorher zwei unterschiedliche Aufrufe.
Aufruf A
"morgen findet um 15:30 Uhr am Münsterplatz eine genehmigte Demonstration statt. Es geht überwiegend um Grundrechtseinschränkungen, dem neuen PolG BW und Menschenrechte (Flüchtlingssituation).Es findet eine Kundgebung statt und Infomaterial steht bereit. Man distanziert sich von jedweder rechtspolitischer Ideologie. Teilnahme mit Mindestabstand bei Kreidemarkierungen"
Aufruf B
"Kommt am Samstag, den 25.04.2020, von 15:30 bis 16:30Uhr alle zum Münsterplatz bringt folgendes mit:
- Personalausweis (um den Hals hängen)
- Yoga Matte oder großes Handtuch zum Draufsitzen
- Maßband/Zollstock und Klebeband oder Kreide zum Zeichnen eines Feldes um den Mindestabstand einzuhalten
- Handy mit dem Pipi-Langstrumpf-Titelsong um diesen pünktlich um 15h30Uhr per Handy abspielen zu lassen
- Musik mit Kopfhörern um euch 1h lang auf die Meditation zu konzentrieren.
Es wird ein stiller Widerstand FÜR UNSERE MENSCHENRECHTE!"
Außerdem angefügt war ein Youtube-Link zu einem Ken Jebsen Video in dem zu dieser Meditationsaktionsform aufgerufen wird.
Offensichtlich unterscheiden sich diese Aufrufe etwas, zudem gab es keine offizielle Ankündigung, keine Flyer, nur Werbung über Mund zu Mund und im Internet. Und so kam es, wie es kommen musste: Es versammelten sich 50-60 Personen auf dem Münsterplatz und es war nicht mehr erkennbar, wer wegen was da war:
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Das Orga-Team und die Ordner waren einheitlich mit Warnwesten und mit Mundschutz bekleidet, teilweise mit Handschuhen
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Es wurden mit Kreide Sicherheitsabstände eingezeichnet, an die sich der überweigende Teil der Teilnehmenden hielten
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Es lagen Flyer vom Volksverpetzer zu Verschwörungstheorien und Corona aus sowie auch ein Flyer von Crimethink zu Corona
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Es gab ein Fronttranspi mit der Inschrift: "Wieviel Moral braucht keine Flüchtlingshilfe?"
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Es wurden Redebeiträge gehalten, ausschließlich von Personen, die dem Orga-Team angehörten, und die aufgrund der schwacher Anlage und der Größe des Münsterplatzes kaum verständlich waren innerhalb der Kundgebung.
Aber auch:
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Es liefen Menschen mit T-Shirts gegen Impfungen und mit Grundgesetz-Schildern herum (siehe Bild 1)
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Einige Personen beschwerten sich hörbar darüber, dass es hier ja nicht um „Flüchtlinge“ ging sondern um Grundrechte
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Eine Person in Aluhut turnte zwischen den Menschen rum mit einem "Rettet die Schwaben" Schild (vermutlich war das nicht ganz ernst gemeint)
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Die meiste Zeit verbrachten die Teilnehmenden damit untereinander zu diskutieren, es schien deutliche Meinungsverschiedenheiten und Ansagen gegenüber Personen mit z.B. Grundgesetzt oder Impfungs-kritischen Plakaten/Tshirts gegeben zu haben, dass so etwas nicht erwünscht ist.
In dem ersten Redebeitrag und Text ging es thematisch viel um Verhältnissmäßigkeit, Überwachung und Polizeigesetze sowie die Lage für Geflüchtete Menschen. Einige Forderungen sind sehr offen gehalten, sowohl das Transpi, als auch eine am Ende des Redebeitrags geeäußerte Forderung nach „progressive Lösung zu Asylverfahren“ sind uneindeutig formuliert und lassen sehr viel Raum für Interpretation. Ebenso die Forderung in einem ausliegenden nach wissenschaftlich gestützen Einschränkungen, die sich auch so auffassen lässt als gäbe es aktuell keine wissenschaftlich gestützten Maßnahmen.Es soll auch einen weiteren Redebeiträge gegeben haben mit Schwerpunkt ber Geflüchtete, da die Versammlung sich länger zog (circa 1,5h) haben wir den nicht mitbekommen und können keine Aussage über den Inhalt treffen.
Ganz Am Ende als bereits viele Teilnehmende den Münsterplatz verlassen hatten, darunter vor allem die Personen die mit Inhalten zu Geflüchteten offensichtlich nicht einverstanden waren, gab es noch einen dritten Redebeitrag. Darin ging es um Solidarität mit Geflüchteten und die aktuelle Situation in Lagern und der Forderung nach offenen Grenzen. Auf Nachfrage gaben die Personen die ihn hielten an, dass es sich um diesen Text in abgewandelter From handelte https://de.indymedia.org/node/69552 .
Offensichtlich ist der Punkt erreicht, wo in Ulm ein Teil der dort sich versammelnden Menschen Corona nicht leugnen, sondern primär wegen dem Thema Grundrechte auf die Straße gehen. Allerdings gibt es offensichtlich einen andereren Teil, der wenig Verständnis zu haben scheint, wenn es irgendwie um Geflüchtete geht. Kritisch sind weiterhin alle zu betrachten. Das schließt auch die Organisierenden mit ein, die sich laut Aufruf irgendwie für Geflüchtete positionieren wollten und abgenzen wollten gegenüber rechten Ideologien, aber dann keinen Klartext auf ihrer Veranstaltung hinkriegen.
Fazit
An dieser Stelle muss positiv festgehalten werden:
Die Kundgebung in Ulm war vermutlich eine der einzigen Grundrechte-Demos, bei dem die allermeisten Anwesenden auf Abstandsregelungen geachtet haben, und bei denen vergleichbare Aussagen zu denen wie in anderen Städten (siehe oben) keine Plattform gegeben wurde. Einige Teilnehmende verließen sogar verärgert die Kundgebung, weil es ja nicht um Grundrechte, sondern auch um Geflüchtete ging. Abgesehen von dem widersprüchlichen Inhalt dieser Aussage, die ein fragwürdiges Menschenbild erahnen lässt, ist auch das ein Erfolg, wenn solchen Menschen keine Bühne geboten wird, und sie frustriert abziehen. Das hängt vermutlich auch mit dem frühen kritischen Begleiten durch Antifaschist*innen zusammen und ist ein (Teil)Erfolg.
Aber solange es keine eindeutig wahrnehmbare Distanzierung gibt, gibt es weiterhin die Möglichkeit, dass in Ulm Personen die Grundrecht-Kundgebungen nutzen wollen, um andere von ihren Verschwörungsideologien zu überzeugen und eine Plattform für diese zu bekommen. Die Orga-Gruppe scheint keine gut organisierte und einheitlich agierende Gruppe zu sein. Sie erwecken nicht den Eindruck so genau zu wissen wogegen oder wofür sie eigentlich sind.
Insgesamt ist die öffentliche Außenwirkung von Nicht-Ohne-Uns oder Inhalten in Ulm massiv eingeschränkt. Die lokal Presse hat zwar einen Artikel veröffentlicht. Der ist allerdings ziemlich waage gehalten und erkennt nicht den Zusammenhang mit den bundesweiten Demonstrationen.
In anderen Städten können die meisten Demos dieser Art völlig ungestört mit kaum Gegenprotest unterschiedlichste haarsträubende Inhalte verbreiten. Hiermit soll allen Antifaschist*innen nahe gelegt werden, sich zu überlegen wie sie ihre lokale Hygienedemos/Nicht-Ohne-Uns Kundgebungen kritisch begleiten können. Da aktuell Gegenproteste, Blockaden o.ä. kaum realisierbar sind aus Gesundheitsgründen und solidarischer Rücksicht gegenüber denen, für die eine Erkrankung tödlich sein kann, müssen wir kreativ sein.
Es ist möglich, dass Nicht-Ohne-Uns auch Menschen anzieht, denen nicht klar ist, was dort genau passiert und die dort in einen Sog geraten könnten. Versucht diesen aufzuzeigen, was an den Hygiene-Demos rechtsoffen, querfrontlerisch und verschwörungs-nah ist.
Keine Plattform für Querfront und Verschwörungen.
Recherchiert, widersprecht, unterwandert, spaltet & stört.
Ergänzungen
flensburg
In Flensburg war auch mindestens eine Person mit Afd-Karriere anwesend:
https://subtilus.info/2020/04/26/von-querdenkerbommeln-und-gegenprotesten/