52 Jahre Volksarmee FARC-EP in Kolumbien
Artikel zum 52-jährigen Bestehen der FARC-EP in Kolumbien und Weiterleitungen zu einer Botschaft der Friedensdelegation der FARC-EP (Deutsch) sowie zur Übersetzung des Kommuniqués des Sekretariats der FARC-EP
Die FARC-EP und alle ihre Strukturen können stolz sein. Sie ist eine Volksarmee, einer Guerilla, eine politisch-militärische Organisation mit einer Historie von 52 Jahren. Sie ist eine aufständische Bewegung mit Siegen und Niederlagen, vor allem aber ist sie eine Bewegung, die aus der kolumbianischen Gesellschaft nicht wegzudenken ist. Wenn sich in Zeiten wie jetzt, mit dem sich zum Ende nahenden Friedensprozess, auch die aufständische Bewegung transformieren wird, können wir sicher sein, dass die FARC-EP und all ihre Strukturen nicht zögern werden, sich zu einer legalen politischen Bewegung zu verändern. Die aufständische Bewegung gründete sich nur und existiert bis heute, weil es bisher nicht möglich war, auf legale Art und Weise für politische Veränderungen zu kämpfen und die Gesellschaft, zumindest ein Stück, zu transformieren. Die Politik ist die Essenz des Kampfes der FARC-EP, und das seit 52 Jahren.
In den letzten Monaten zeigt sich trotz der Friedensverhandlungen der FARC-EP mit der kolumbianischen Regierung, wie es um die Demokratie und Sicherheit im Land steht. Paramilitärische Gruppen überzogen das Land mit einer Gewaltwelle. Die Regierung sah tatenlos zu. Eine kritische Opposition zum bestehenden kapitalistischen System lebt in Kolumbien gefährlich. Aus diesem Grund ist die Waffe bisher das Symbol für Aufbegehren, aber auch für Schutz gewesen. Wäre es den Menschen in Kolumbien möglich gewesen, notwendige kulturelle, politische und wirtschaftliche Veränderungen zu Gunsten der Bevölkerungsmehrheit zu erreichen und zu ihren Problemen erhört zu werden, dann hätte niemand leichtfertig zur Waffe gegriffen. Doch ein zu tiefst repressiver Staat, der sein Land und seine Bevölkerung ausbeutet, sowie seine Opposition ermorden lässt, ließ der aufständischen Bewegung keine andere Wahl.
Nun fordert die herrschende Klasse die FARC-EP auf, die Waffe niederzulegen und einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Hierbei hatte sie im Besonderen das Militärische der Guerilla im Fokus, während die aufständische Bewegung vehement die politischen und strukturellen Ursachen in den Vordergrund rückte, die zum Aufstand führten. Die Regierung, oder zumindest Teile von ihr, die denken, dass es um die Beendigung eines bewaffneten Konfliktes geht, träumen nur von einer Entwaffnung und Demobilisierung der Aufständischen und sie ignorieren, dass die FARC-EP etwas mehr sind, als nur eine Armee. Die FARC-EP sind im Wesentlichen eine politische Partei mit einer Berufung nach politischer Macht, wenn auch vorerst noch unter Waffen. Sind die Bedingungen günstig für eine legale Oppositionsarbeit und für wesentliche Veränderungen im Land, dann wird auch die aufständische Bewegung ihren Teil zu einem dauerhaften Frieden mit sozialer Gerechtigkeit beitragen.
Nach mehr als 52 Jahren, nach mehr als etwa einem halben Jahrhundert eines bewaffneten Aufstandes, erheben die ehemaligen Bauern aus Marquetalia ihre Stimme gegen die Regierung lauter als je zuvor. Unter internationaler Beteiligung und im öffentlichen Rampenlicht verhandeln sie derzeit in Havanna auf Kuba. Damals erhoben die wenigen Bauern ihre Stimme gegen eine korrupte Regierung. Im Gegenzug antwortete der Staat mit einer überwältigenden Aggression. Doch die Bauern wurden nicht mundtot gemacht, sondern in Marquetalia schuf der Staat eine aufständische Bewegung, die heute wieder am Verhandlungstisch sitzt. Manuel Marulanda und Jacobo Arenas bauten die Selbstverteidigungsbewegung der Bauern zu einer äußerst erfolgreichen Volksarmee auf, die sich bis heute in der kolumbianischen Gesellschaft legitimiert und auch international anerkannt ist und über Strukturen und Sympathisanten, auch im Herzen von Europa, verfügt.
Die farianische Bewegung, wie die aufständische Bewegung auch genannt wird, besitzt mehrere Strukturen und Ausdrucksweisen. Es gibt die Guerilla, die Milizen, die klandestine Kommunistische Partei und die Bolivarianische Bewegung für ein neues Kolumbien. Alle diese Strukturen entwickeln verschiedene Aufgaben innerhalb der Vielfalt der sozialen Kämpfe im Land, aber alle haben das gleiche Ziel: ein neues Kolumbien. Am Leben erhielt die Guerilla und all ihre Strukturen nicht nur ihr sozialer und politischer Kampf, sondern vor allem die Bedingungen zum Bestehen des Konflikts. Fehlende Garantien zur Ausübung politischer Oppositionsarbeit, eine repressive Staatspolitik und die systematische Vernichtung der Opposition, wie im Fall der Unión Patriótica und der Vielzahl von getöteten und eingekerkerten Guerilleros, der sozialen Anführer, Gewerkschafter und einfacher Leute.
Nur wenn eine Nicht-Wiederholung dieser Politik und Verbrechen garantiert werden, wenn es grundlegende Änderungen im Land gibt, wenn der Paramilitarismus beseitigt wird und die Ungerechtigkeiten, die zu fehlender politischer und wirtschaftlicher Partizipation sowie zu Armut führen, dann wird es Frieden in Kolumbien geben. Überall auf der Welt, in den Zeiten einer Systemkrise des Kapitalismus in Kolumbien und in Mangel an Legitimität der Regierung und des Staates, gibt es günstige Bedingungen für das Entstehen alternativer Bewegungen und Ideen, die auf die Erwartungen und Hoffnungen der marginalisierten und ausgeschlossenen Bevölkerungsgruppen bauen. Das Friedensabkommen macht zwar nicht Schluss mit den Widersprüchen des kapitalistischen Systems, die mit neoliberalen wirtschaftlichen Maßnahmen zur Förderung der transnationalen Kapitals zunehmend verschärft werden. Aber das Friedensabkommen soll ein Gerüst für die Ausübung der Politik mit breiten gesellschaftlichen und politischen Garantien werden und dies hängt von dem starken Impuls der verschiedenen sozialen und politischen Bereiche im Land und in der Welt, also auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz ab.
Es gibt die Gelegenheit, einen wahren Frieden, einen „stabilen und dauerhaften Frieden“ aufzubauen und Themen auf den Tisch zu bringen, die lange nicht behandelt wurden. Es wird eine Landreform und für die ländliche Bevölkerung viele neue positive Errungenschaften geben. Es sollen politische und kulturelle Wechsel angestrebt werden, eine Politik des Hörens und des Vertrauens und der Versöhnung. Aber es muss vor allem sichergestellt werden, dass soziale Gerechtigkeit für die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur Worthülsen sind. Dafür muss die Wiedereingliederung der FARC-EP in das zivile Leben erfolgen und mehr Demokratie gewagt werden. Und dafür muss auch die Pädagogik des Friedens nicht nur in Kolumbien selbst, sondern auch hier in Europa fortgeführt werden.
https://kolumbieninfo.noblogs.org/post/2016/05/27/52-jahre-kampf-fuer-frieden-in-kolumbien/