[Lünen] Hygienedemos mit rechter Beteiligung

Themen: 
vlnr: David Labenz und Andre Machill bei Hygienedemo am 16.05. in Lünen

Drei Protestveranstaltungen gegen die Coronaschutzmaßnahmen fanden bislang in Lünen (Kreis Unna, NRW) statt. Wir wollen an dieser Stelle zusammenfassen, was bislang bekannt ist und darlegen, warum die Proteste nicht einfach nur harmlose Kundgebungen für Grundrechte sind.

Die erste Veranstaltung fand als "Meditation" auf der Lippebrücke in der Innenstadt am 9. Mai statt. Es nahmen ca. 20 Personen teil, die überwiegend auf der Brücke herumsaßen. Organisiert werden die Proteste von einem Kreis um den Anmelder Peter Pasternak aus Lünen. Schon bei dieser ersten Veranstaltung wurden Protestschilder gezeigt, auf denen eine angebliche "Diktatur" herbeifantasiert wurde. Mindestens zwei Teilnehmer_innen nahmen in Fanshirts des rechten Esoterikers Heiko Schrang teil (Bild 1), der dank seiner Videos, in denen er sich einer ganz großen "Corona-Verschwörung" auf der Spur sieht, zu einem Star der Szene geworden ist.Unter den Teilnehmer_innen fanden sich auch mindestens zwei extrem rechte Akteure. Zum einen nahm der Schwerter AfD-Aktivist Hans-Otto Dinse am Protest teil (Bild 2). Dinse ist ehemaliger stellvertretender Sprecher des AfD-Kreisverbands Unna. Er und seine Frau, Brigitte Dinse, sind darüber hinaus glühende Anhänger_innen der völkischen AfD-Gruppierung "Der Flügel" um Björn Höcke. Der "Flügel" befindet sich mittlerweile in Auflösung, um einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz zu entgehen. Seine Aktivist_innen bleiben aber Teil der Partei. Auf Fotos von Treffen des Flügels posiert Dinse gemeinsam mit Höcke (Bild 3). Hans-Otto Dinse trat in der Vergangenheit überdies auf Kundgebungen der rassistischen "Bürgerbewegung Pax Europa" des u.a. wegen Volksverhetzung verurteilten Michael Stürzenberger auf und gilt als Anhänger verschwörungstheoretischer Portale und Organisationen.Zum anderen gehörtzum Kern der Proteste bereits seit dem 9. Mai ein Mann, der mindestens bei den Versammlungen am 9. und am 16. Mai in Thor Steinar-Kluft an den Protesten teilnahm (Bild 4). Thor Steinar ist eine Bekleidungsmarke von Neonazis für Neonazis. Erst im vergangenen Jahr konnte ein im benachbarten Dortmund eröffnetes Thor Steinar-Geschäft nach wochenlangen Protesten dichtgemacht werden. Thor Steinar ist die wohl bekannteste extrem rechte Bekleidungsmarke. Wer Thor Steinar trägt, weiß, worum es geht. Die zweite Versammlung fand ebenfalls als "Meditation" beworben auf dem Willy-Brandt-Platz in der LünerInnenstadt am 16. Mai statt. Unter den 30 bis 40 Teilnehmer_innen befand sich erneut der Thor Steinar-Träger mit seinen Begleiter_innen. "Meditation" bedeutete in dem Fall, dass etwa 8 Personen auf dem Boden oder Bänken saßen. Der Rest stand wie bei einer Kundgebung auf dem Platz herum. Aus einer Kiste wurden Grundgesetze verteilt. Über eine Anlage wurde zu Beginn und am Ende der Versammlung das Pipi Langstrumpf-Lied gespielt und etwa 20 Minuten lang Gesetzestexte vorgelesen. Den Rest der Veranstaltung über passierte nichts, die Teilnehmer_innen waren mit sich selbst beschäftigt. Entsprechend mäßig war auch die Außenwirkung. Von einem kleinen Gegenprotest abgesehen dürfte kaum jemand Notiz vom Anliegen der selbsternannten "Grundrechtsverteidiger" genommen haben. Dafür berichtete allerdings die Presse. In dem nicht unkritischen Artikel wird auch ein Vorfall erwähnt, bei dem ein Teilnehmer eine Journalistin "lauthals als Teil der notorisch lügenden Medien, beschimpft hat".Neben dem Thor Steinar-Träger besuchte auch Karl-Heinz Anton die Versammlung. Er ist in Lünen kein Unbekannter. Auf Fotos posierte er laut dem Portal "NRW rechtsaußen" Arm in Arm mit dem "HoGeSa"-Aktivisten Andreas Kraul. Bereits am 1. November 2015 war Anton Mitinitiator einer Kundgebung der rechten "NRW Patrioten" vor dem Hauptbahnhof. Damalsstellte eine Abordnung der Neonazis der Dortmunder Partei "Die Rechte" den Großteil der Teilnehmer_innen. Auch zur Meditation am 16. Mai kamen Neonazikader. Mit David Labenz, Kopf des "Die Rechte"-Kreisverbands Unna und Andre Machill, langjähriger Kameradschaftsnazi und nun ebenfalls im Umfeld von "Die Rechte" aktiv, kamen Vertreter_innen der Lüner Neonaziszene zu der Veranstaltung (Titelbild: Labenz links, Machill rechts), hielten sich aber im Gegensatz etwa zum Thor Steinar-Träger (Bild 5+6) eher etwas Abseits auf.Wenn sich also Pasternak in den Ruhr Nachrichten mit Aussagen wie "[D]as sind hier doch alles Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, keine Glatzen" zitieren lässt, kann das zwei Gründe haben: entweder sind ihm lokale Neonazis, rechte Aktivist_innen und AfDler nicht bekannt, was durchaus im Rahmen des Möglichen liegen kann oder aber über die Anwesenheit rechter Teilnehmer_innen sowie "Zaungästen" im Falle der "Die Rechte"-Nazis hat Pasternak bewusst gelogen. Spätestens mit dieser Veröffentlichung ist die Teilnahme (extrem) rechter Akteur_innen bewiesen. Sollten diese bislang nicht bekannt gewesen sein, sollten vergangene Aussagen korrigiert und eine daraus folgende Abgrenzung umgesetzt werden. Am 23. Mai folgte die dritte und bislang letzte Kundgebung. Es kamen erneut etwa 30 bis 40 Teilnehmer_innen, von denen die wenigsten auf dem Boden saßen, geschweige denn meditierten. Im Gegensatz zu den vorherigen Versammlungen wurden auf dieser Reden gehalten. Da es insgesamt nur vier Reden gab, kann davon ausgegangen werden, dass diese im Vorfeld geplant waren. Eine davon hielt Hans-Otto Dinse, der im Gegensatz zur Vorwoche wieder dabei war und sein eigenes Protestschild mitgeschleppt hatte.In der Berichterstattung der Ruhr Nachrichten wurde er zunächst fälschlicherweise als "Lüner Bürger" bezeichnet.Ein späterer Artikel verortet Dinse allerdings korrekt und konfrontiert Anmelder Pasternak damit. Dieser scheint bislang noch nicht gewillt, eine klare Trennlinie zu ziehen. Ebenfalls erneut Teil der Kundgebung waren der Thor Steinar-Träger, der diesmal in Warnweste teilnahm und scheinbar als Ordner auftrat, und Karl-Heinz Anton.Pikant ist dabei, dass der Strom für die Anlage vom Rathaus kam. Entsprechende Berichte in sozialen Medien hat die Stadt mittlerweile bestätigt. Dies sei unabhängig von den jeweiligen Anmelder_innen möglich, man wolle den Vorgang aber prüfen. In der Presse kündigen die Organisator_innen weitere Versammlungen an. Zum 6. Juni sollen auch Lokalpolitiker_innen eingeladen werden. Wir können nur davon abraten, sich mit diesem Mix aus Verschwörungstheoretiker_innen, extrem Rechten, AfDlern und Neonazis gemein zu machen. Die wirren Behauptungen vieler der Teilnehmer_innen sind nicht als einfache Meinungen aufzuwerten, sondern als das zu benennen, was sie zu großen Teilen sind: Verschwörungsfantasien. Denn nicht nur die (extrem) rechten Teilnehmer_innen sind ein Problem. Auch die Vorstellungen anderer Demonstrant_innen etwa von einer drohenden "Impfpflicht"sind im besten Falle nur simple Falschinformationen. Wahrscheinlicher ist aber, dass hier dieselben Verschwörungen imaginiert werden, wie sie auch bei den Protesten in vielen anderen Städten im gesamten Bundesgebiet zu finden sind und sich zu einem geschlossenen Weltbild formen. Diese Verschwörungsfantasien schaffen in Lünen und anderen Städten die Anschlussfähigkkeit für die hier aufgelisteten rechten Personen.Sollten sich unter den Teilnehmer_innen solche befinden, die kein Interesse daran haben, mit Neonazis und Verschwörungstheoretiker_innen und völkischen AfDlern zu protestieren, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, sich von den Veranstaltungen fernzuhalten. Presse:https://www.ruhrnachrichten.de/luenen/demo-gegen-corona-einschraenkungen...

Bilder: 
webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen