[TÜ] Erinnerung an die Befreiung Tübingens vom Faschismus
75. Jahrestag der Befreiung Tübingens vom Faschismus
Am 19. April 1945 wurde Tübingen vom Faschismus befreit. Die französischen Soldaten kamen am frühen Morgen auch über die Eberhardsbrücke, die einzige Brücke Tübingens, die nicht von der Wehrmacht gesprengt wurde.
Es ist für Tübingen der Tag, der an den Sieg über das faschistische Regime erinnert. Jedoch auch nach der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai ist der Faschismus in Deutschland nie vollständig zerschlagen worden.
Es gilt deshalb heute besonders an die Befreiung von Tübinger Jüd*innen, Homosexuellen, widerständigen Christ*innen, Sozialdemokrat*innen, Kommunist*innen, Sinti und Roma und vielen weiteren Verfolgten zu erinnern.
Der bisherige Namensgeber der Brücke, Graf Eberhard im Bart, war überzeugter Antisemit und forderte eine Vertreibung aller Jüd*innen aus Tübingen und ist daher kein geeigneter Namenspatron.
Darum fordern wir heute mit zwei Transparenten, die „Eberhardsbrücke” in „Brücke der Befreiung“ umzubenennen.
Nachdem die Franzosen die Stadt kampflos übernahmen, übergab der stellvertretende Oberbürgermeister Fritz Haussmann ihnen die Stadt. Tübinger*innen kamen mit einer kaum zerstörten Altstadt und nicht geglückter Brückensprengung davon. Trotz der schlechten Versorgung kam das öffentliche Leben schnell wieder in Schwung. Die Stadtverwaltung stand unter französischer Anweisung, der Oberbürgermeister war der direkte Befehlsempfänger.
Zu Beginn gab es viele Verhaftungen und die Entnazifizierung wurde voran getrieben. In der Nachkriegszeit galt Tübingen mit den sechs eingerichteten Spruchkammern als Hauptschauplatz der Entnazifizierung.
Dieses Bild wurde jedoch bei einer Bilanz 1952 widerlegt. In 150.000 Verfahren hatte man im ganzen Land nur 8 Hauptschuldige gefunden. Der große Rest wurde als amnestierte Mitläufer (57 000) und als Unbelastete (79.000) eingestuft.
Diese Zahlen beweisen, dass es keine tragfähige Säuberung der braunen Geschichte gab und dass auch in Tübingen „ehemalige“ Nazis die Bürokratie, Justiz und Wirtschaft durchsetzen.
Die Aussage der damaligen Universitätsleitung, dass möglichst viele der Lehrenden angestellt bleiben sollten, zeigt, dass eine konsequente Entnazifizierung nicht gewünscht war und auch nicht erfolgte. Beispielsweise lehrte die Anthropologin Sophie Ehrhardt, eine rassenideologische „Zigeunerforscherin“ zur Zeit des Nationalsozialismus und danach, noch bis 1970 an der Universität Tübingen.
Der rasante Aufstieg faschistischer und rechtspopulistischer Kräfte in nahezu allen europäischen Ländern in den letzten Jahren zeigt, dass rechtes Gedankengut nie vollständig verschwunden ist und dass auch heute noch FaschistInnen in Legislative, Exekutive und Judikative arbeiten und sich zusammenschließen.
Wir sehen, wie FaschistInnen morden, Geflüchtete an „unseren“ Außengrenzen sterben und gewalttätige Übergriffe auf scheinbar der Norm nicht entsprechenden Menschen geduldet werden. Antifaschistische Gegenwehr jedoch wird kriminalisiert.
Damals wie heute: Kampf dem Faschismus immer und überall – in Gedenken an alle Opfer und Verfolgten des Faschismus!
Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!