Zum Sonderheft vom Gefangenen Info zu Grup Yorum
Liebe Leserinnen und Leser,
wir publizieren aus dringendem Anlass dieses Sonderheft, um auf die anhaltende Repression gegen das revolutionäre Musikkollektiv Grup Yorum aufmerksam zu machen und Euch inhaltliches Material zur Verfügung zu stellen, welches für eine notwendige Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden kann. Erfreulicherweise hat sich vor kurzem die „Freedom for Grup Yorum Campaign“ gegründet, deren Initiativen, Aktionen und Aktivitäten unterstützt werden sollten.
Wie Ihr bereits vielleicht schon wisst, haben sich Mitglieder von Grup Yorum am 17. Mai in einen Hungerstreik begeben, um ihre Forderungen durchzusetzen. In diesen geht es um Konzertverbote, die Freilassung der gefangenen Band-Mitglieder, die Einstellung der Verfahren und die Streichung von den Terrorlisten. Näheres hierzu findet Ihr auf den ersten Seiten dieses Heftes.
Ein anderer Anlass, dieses Heft herauszubringen, ist die sich vermehrende Repression gegen die Band in Deutschland. Seit einigen Jahren versucht der deutsche Staat, Konzerte von Grup Yorum zu unterbinden. Zuletzt wurde ein für den 24. November 2019 geplantes Konzert in Köln durch ein massives Polizeiaufgebot unterbunden.
Wir denken, dass insbesondere die im Heft enthaltenen Interviews einen kleinen, dafür aber recht guten und intensiven Einblick in das Thema Grup Yorum ermöglichen. Deswegen denken wir, dass es sinnvoll war, diese Sonderausgabe zusammenzutragen und allen Interessierten in ihrer aktuellen Form zugänglich zu machen.
Bei den im vorliegenden Heft enthaltenen Texte handelt es sich vorwiegend um Beiträge, die in den vergangenen Ausgaben des Gefangenen Info veröffentlicht wurden. Wir haben zudem einige Inhalte erarbeitet, die noch nicht im Gefangenen Info veröffentlicht wurden.
Wir werden dieses Heft zum Download auf unsere Webseite stellen und versuchen, uns umgehend um den Druck dieser Ausgabe zu kümmern. Wir möchten aber auch darauf hinweisen, dass Ihr dieses Heft selbständig vervielfältigen und verteilen könnt.
Solidarität mit Grup Yorum!
Revolutionäre Kunst lässt sich nicht zum Schweigen bringen!
Solidarität mit Grup Yorum
Gefangenen Info Redaktion, Februar 2020
Während wir dieses Heft zusammenstellen, dauert der Widerstand von Grup Yorum gegen die Angriffe seitens der AKP-Regierung an. In den letzten Wochen haben sich aber auch die Angriffe des deutschen Staates vermehrt. Umso dringender wird es, etwas dagegen zu unternehmen.
Mit diesem Einleitungsbeitrag möchten wir Euch auf den aktuellsten Stand (20. Januar 2020) bringen, da es sich bei den im Heft enthaltenen Texte um Interviews und Beiträge handelt, die in den vergangenen Ausgaben des Gefangenen Info veröffentlicht wurden.
Der Beginn des Hungerstreik
In den vergangenen zwei Jahren wurde das İdil-Kulturzentrum, in dem Grup Yorum ihre Arbeit tätigt, etliche Male von der Polizei gestürmt, verwüstet und die Instrumente zerschlagen. Laut Angaben von Grup Yorum sind seitdem mehr als 30 Personen festgenommen worden und sieben Mitglieder der Band befinden sich weiterhin in Haft.
Mitglieder von Grup Yorum begaben sich deswegen am 17. Mai 2019 in einen unbefristeten Hungerstreik. Ihre Forderungen waren die Beendigung der Angriffe auf das İdil-Kulturzentrum, die Aufhebung der Konzertverbote, die Streichung der Namen der Bandmitglieder von den „Terrorlisten“, die Freilassung der gefangenen Bandmitglieder und die Einstellung der Verfahren.
Dem Hungerstreik, der draußen von Grup Yorum-Mitgliedern begonnen wurde, schlossen sich im Laufe der Aktion die gefangenen Grup Yorum-Mitlgieder Bahar Kurt, İbrahim Gökçek, Helin Bölek, Barış Yüksel und Ali Aracı sowie UnterstützerInnenkreise und Familienangehörige an. In der Türkei und in verschiedenen europäischen Ländern dauern Solidaritätsaktivitäten, darunter Solidaritätshungerstreiks an.
Hungerstreik und Todesfasten
Momentan befinden sich zwei Mitglieder von Grup Yorum, Bahar Kurt und Helin Bölek, im Hungerstreik und ein Mitglied, İbrahim Gökçek, hat vor kurzem seinen Hungerstreik in ein Todesfasten umgewandelt, was bedeutet, dass er die Aktion bis zur Durchsetzung der Forderungen fortführen wird.
Während sich der Hungerstreik von Grup Yorum heute im 249. Tag befindet, setzen Bahar Kurt seit 222 Tagen und Helin Bölek seit 214 Tagen ihre Aktion fort. Beide wurden mittlerweile aus der Haft entlassen und streiken draußen weiter. İbrahim Gökçek hingegen ist weiterhin im Silivri-Gefängnis eingesperrt und hat seinen Hungerstreik in ein Todesfasten umgewandelt. Er befindet sich im 216. Tag seiner Aktion.
Gesundheitliche Situation
Laut diverser Menschenrechtsorganisationen, die die streikenden Bandmitglieder besuchen konnten, wiege İbrahim Gökçek nur noch 47 kg, doch sei sein mentaler Zustand gut. Er habe berichtet, dass der 2. Gefängnisleiter im Beisein eines Psychologen und eines Arztes ihn besucht habe, wobei ihm versichert worden sei, dass es beim Besuch nicht um Zwangsernährung ginge. Zudem sei er wegen des Hungerstreiks aus Gefängnisaktivitäten ausgeschlossen worden und ihm sei ein einmonatiges Besuchsverbot auferlegt worden.
Zur Situation von Bahar Kurt und Helin Bölek wurde mitgeteilt, dass beide stark an Gewicht verloren hätten, sie sich niedergeschlagen und erschöpft fühlen würden und die Reflexe geschwächt seien. Bahar Kurt wiege aktuell nur noch 38 kg, leide seit ca. einer Woche an Durchfall, habe Ödeme an den Beinen, Mundfäule und Ekzeme an den Händen und am Rücken, was zu Schlaflosigkeit, Schwindelgefühl, Gleichgewichtsstörungen und Muskelschwund führe, wodurch sie ohne Hilfe nicht mehr laufen könne.
Helin Bölek wiege nur noch 42 kg und nehme wegen Übelkeit weniger Flüssigkeit zu sich. Sie leide an Kopfschmerzen, sei überempfindlich für Licht- und Geruchsreize, habe Geh- und Gleichgewichtsprobleme, Schwindelgefühle, Tinitus und Muskelschwund.
Konzert- und Liederverbote in der BRD
Die Repression gegen Grup Yorum nimmt in der BRD stetig zu. Parallel zu den Konzertverboten in der Türkei 2015 begann auch der deutsche Staat, Grup Yorum-Konzerte zu kriminalisieren. Das seit 2012 jährlich organisierte „Eine Stimme und ein Herz gegen Rassismus“-Konzert wurde 2015 von Repressalien begleitet. Grup Yorum-Mitglieder erhielten Einreiseverbote, Chormitglieder mit Visa wurden am Flughafen abgeschoben. Der Verfassungsschutz bedrohte die Eigentümer des Konzertsaals und über lokale Radios wurde die Falschmeldung verbreitet, dass das Konzert wegen einer Bombendrohung abgesagt worden sei. Das Konzert fand letztendlich aufgrund der Entschlossenheit der Veranstalter doch statt.
Obwohl es kein Verbot der Band gibt, haben sich seit 2015 die staatlichen Versuche, Grup Yorum-Konzerte zu verhindern, stets wiederholt.
Verbot durch die Polizei in Köln
In den letzten Monaten haben sich die staatlichen Angriffe auf Grup Yorum-Veranstaltungen vermehrt. Am 24. November 2019 unterband die Polizei schließlich mit einem massiven Polizeiaufgebot die Durchführung eines Solidaritätskonzertes in Köln. Grup Yorum machte im Anschluss an das Verbot eine Erklärung, in der sie darauf hinwies, dass die Polizei im Konzertsaal keine „Materialien einer in Deutschland verbotenen, linksextremen türkischen Organisation“ beschlagnahmt habe. Das Konzertprogramm fand anschließend vor dem Konzertsaal auf der Straße statt.
Inhalt des Heftes
4 Vorwort
5 Solidarität mit Grup Yorum
Interviews
6 Interview mit dem Grup Yorum Solidaritäts-Komitee Deutschland
8 „Wenn du nicht brennst...“ Interview mit Umut Gültekin
10 „Wir antworten mit unseren Liedern auf eure Listen!“ - Ein Interview mit Umut Gültekin und Ege Yılmaz
16 „Direnmek Üretmektir“ - Interview mit İhsan Cibelik
24 „Grup Yorum ist das Volk! Ihr könnt es nicht zum Schweigen bringen!“ - Interview mit einem Mitglied von Grup Yorum
Alben von Grup Yorum
30 Eine kurze Diskografie
34 Notstandsgesetze vs. Grup Yorum
35 Unsere Lehrer von gestern bis morgen - Ruhi Su
Noten von Grup Yorum
36 Über „Tavır“
37 Eylül
38 Kavuşma
39 Yarın Bizimdir
40 Yıldızlar Kuşandık
41 Gündoğdu
42 Gel Yine
44 Sesimi Duyan Var Mı?