(B) Prozessbericht vom 25.02.20

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Am 25.02.20 wurde der Prozess gegen 6 Personen wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung sowie gegen 1 Person wegen gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Anstiftung eröffnet.

https://de.indymedia.org/node/66902

Den Angeklagten wird vorgeworfen an einer Auseinandersetzung in einem Späti in Kreuzberg beteiligt gewesen zu sein. Im Nachgang wurde die Situation in den Medien ausgeschlachtet und es gab 4 Hausdurchsuchungen.

Die Anklage baut fast komplett auf der Identifizierung der Angeklagten durch die Zivis vom sogenannten PMS auf, die mal wieder der Meinung sind, sie hätten Leute aufgrund von Videomaterial erkannt. Neben anderen Zeug*innen sind daher zwei der Zivis geladen. Einer der Hauptbelastungszeugen trat gleichzeitig als Nebenkläger auf.

Zu Beginn des ersten Prozesstages wurde mit Erstaunen festgestellt, dass, trotz der erst am Montag ausgestellten Sicherheitsverfügung, die solidarischen Zuhörer*innen nicht über die Schleuse am Portal 5 in den Sicherheitssaal 700 eintreten müssen.
So warteten die Angeklagten gemeinsam mit circa 35-40 Genossinnen darauf, in den Saal gelassen zu werden.
Währenddessen schlich der Anwalt der Nebenklage mehrmals um die Wartenden.
Gegen 09:20 Uhr quittierte die Richterin die Ankündigung, dass alle Personen-Angaben der Angeklagten nur von den Anwält*innen beantwortet werden, mit einem Stöhnen.

Die Richterin stellte fest, dass einer der Angeklagten nicht anwesend war. Staatsanwalt Langnes forderte daraufhin, dass das Verfahren abgetrennt wird. Die Richterin erließ einen Strafbefehl gegen den Abwesenden in Höhe von 10 Monaten Haft,
ausgesetzt auf 2 Jahre Bewährung. Daraufhin legte der Anwalt des Angeklagten sein Wahlverteidigermandat nieder, um eine Pflichtverteidigung zu beantragen. Dies wurde genehmigt.
Danach stellten alle restlichen Anwält*innen den Antrag auf Beiordnung. Da dies aber nicht gemeinsam, sondern nacheinander geschah, verschlechterte sich die Laune von Richterin Unger zusehends.
"„Ich habe beschlossen mir heute nicht auf den Nerven rumtrampeln zu lassen!“, war ihre Aussage.
Nachdem der Staatsanwalt meinte, dass eine Beiordnung nicht zulässig sei, da ein Strafmaß von unter einem Jahr zu erwarten ist, lehnt die Richterin die Anträge auf Beiordnung ab.

Danach wurde die Prozesserklärung eines Angeschuldigten durch seinen Anwalt verlesen, der sich alle anderen Beschuldigten anschlossen.
Die Erklärung lautete:

"Es ist nicht das erste Mal, dass Personen auf der Anklagebank sitzen, weil Beamte des LKA sie angeblich wiedererkannt und sie in für sie passende Konstrukte eingeordnet haben. Die Hauptbeschäftigung der Identifizierenden besteht darin, in zivil Menschen und vermeintliche Zusammenhänge auszuspähen, zu verfolgen und zu beobachten. Dabei tauchen sie an diversen Orten auf, nicht nur auf Demonstrationen, sondern auch vor privaten Wohnhäusern, Bars und von ihnen als Szeneörtlichkeiten definierten Lokalitäten. Sie belästigen Personen auch direkt, sprechen sie mit Namen an, machen nicht selten sexistische oder rassistische Bemerkungen und geben ihr vermeintliches Wissen zum Besten und versuchen damit ein Einschüchterungs- und Bedrohungsszenario aufzubauen. Sie sind also keine unbeteiligten Beobachter*innen, sondern verkörpern den Korpsgeist der Berliner Polizei und handeln allzu oft in persönlichem Eigeninteresse.
Im Laufe der Jahre entwickeln sie persönliche Feindschaften, die beispielsweise im Dezember 2017 darin gipfelten, dass über 40 Personen in Drohbriefen benannt und mit Fotos aufgelistet wurden. Darin wurde unter anderem, von mindestens einem ehemaligen Beamten des LKA 52, Familienmitgliedern der Betroffenen gedroht und auch angekündigt, dass Informationen zu den Personen an Neonazistrukturen wie "autonome Nationalisten" weitergegeben werden.
Dies verdeutlicht einmal mehr, dass es hier nicht um dienstliche Aufgaben, sondern um persönliche Motivation geht. Sie haben permanenten Zugriff auf Daten, Bilder usw. und nehmen diese auch, wie im oberen Beispiel, mit nach Hause, um ihre Erinnerungslücken zu füllen.

In Anbetracht dieser Objektivitätslosigkeit fällt es schwer zu glauben, dass Anschuldigungen wie im hiesigen Verfahren auf einer angeblichen beruflichen Wiedererkennungsfähigkeit beruhen und nicht auf einer persönlichen Feindschaft. Fünf von sechs der hier Beschuldigten wurden angeblich aufgrund einer sogenannten "markanten Augenpartie“ wiedererkannt, mal ergänzt durch eine ebenso "markante" Stirn- oder Nasenpartie, mit Bedacht auf abwechselnde Formulierungen.

In einem ähnlichen Verfahren lehnten Richter*innen am Landgericht Berlin die Zulassung zur Hauptverhandlung ab, unter anderem mit der Begründung: "Soweit der Beamte mit der Codiernummer 99100564 den Angeschuldigten an der Augenpartie erkannt haben möchte, ist dies für die Kammer nicht nachvollziehbar." (Beschluss Landgericht, 30.08.19, 234Ds154/18).

Offensichtlich beschränken sich die Beobachtungen der männlichen LKA Mitarbeiter nicht nur auf die Gesichter, sondern sie fühlen sich ausdrücklich in der Lage, weibliche Personen an ihrem "Gesäß" wiederzuerkennen. Nicht nur im Wiedererkennen sondern auch im erzwungenen Umgang spiegelt sich dieser Sexismus. Es ist in Frage zu stellen, inwieweit diese LKA-Beamten in der Lage sind, Menschen anhand von Lichtbildern wiederzuerkennen. In der Anklageschrift heißt es: "Die vorgenannten Beamten verfügen über langjährige dienstliche Erfahrung mit den Angeschuldigten, weshalb ein Wiedererkennen trotz teilweiser Vermummung plausibel ist." Dem entgegen steht beispielsweise die Einschätzung der Richterin Gschwendtner am Amtsgericht Tiergarten in einem anderen Verfahren, mit denselben identifizierenden Beamten: "Soweit Polizeibeamte meinen, sie könnten eine der Personen erkennen, so verwundert dies in Anbetracht der Tatsache, dass sämtliche Personen auf dem Foto entweder von hinten zu sehen sind oder vermummt sind." und weiter:
"Grundsätzlich kommt es nicht darauf an, ob Polizeibeamte meinen, jemanden wiedererkannt zu haben, wenn denn die zur Identifizierung herangezogenen Fotos nicht zur Identifizierung geeignet sind."
Aus der Erfahrung heraus werden große Zusammenhänge konstruiert, es besteht eine Kontaktschuld, Menschen werden vor allem anhand ihrer angeblichen Bekanntschaft den Ermittlungen beigefügt und nicht, weil sie tatsächlich identifiziert werden konnten.

Zudem bemühen sich die LKA-Mitarbeiter immer wieder, eine Gefährlichkeit der Beschuldigten zu konstruieren, um ihre Arbeit zu legitimieren. Hierbei bedienen sie sich mehrfach zugespitzten Formulierungen wie "einschlägig bekannt" und "gewaltbereit". Zudem werden alle Beschuldigten willkürlich und ohne Erklärung mindestens einer politischen Gruppe zugeordnet und ihre Wohnanschrift mitunter als "linksradikales Prestigeobjekt" bezeichnet.
Die generelle Eignung der LKA-Beamten als glaubwürdige Zeugen ist daher ebenso in Frage zu stellen wie das daraus resultierende Verfahren."

Im Anschluss sprachen sich die Anwält*innen dafür aus, das Verfahren mit einem Freispruch zu beenden, da auf den Videos offensichtlich alle Personen vermummt waren und somit niemand erkennbar ist. Auch wurde nochmals betont, dass es eine Unsinnigkeit ist, dass die jeweiligen Mandant*innen hier auf der Anklagebank sitzen.

Als es dennoch weiterging wurde der "Geschädigte" Mustafa T., der auch als Nebenkläger auftritt, aufgerufen und vernommen.
Nun begann eine langwierige, beschwerliche, aber auch erhellende Befragung.
Schon in den ersten Äußerungen des Spätibesitzers wurde klar, dass Indizien aus den Ermittlungen mit seinen persönlichen Erinnerungen vom Geschehen verschmolzen sind und eine Trennung des von ihm Erlebten und von der Polizei Vorgelegtem nicht möglich schien. Der Richterin war ihre steigende Gereiztheit dann sichtlich anzumerken.
Dadurch fühlte sich T. oft unfair behandelt und begann nun häufiger Fragen nicht zu beantworten,
verstrickte sich immer wieder in Lügen und wurde stellenweise aggressiv gegenüber Richterin, Anwält*innen und Publikum.
Relativ schnell wurde klar, dass seine Aussage nicht die Stringenz vorwies, die sich Staatsanwaltschaft und Richterin vermutlich gewünscht hätten. Eher im Gegenteil, die Aussagen von T. entpuppten sich als immer widersprüchlicher.
So sei er in dem einen Moment nicht in der Lage gewesen zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden, wollte kurze Zeit später aber doch einen Angeklagten wiedererkannt haben. Auf einmal konnte er sich auch an eine andere Person relativ detailliert erinnern und erzählte von Merkmalen wie blonden Locken unter einer Kapuze einer vermeintlich weiblichen Person.
Dinge, die er in den polizeilichen Aussagen nie erwähnte, wie von einem Anwalt angemerkt wurde.
Zur Belustigung des Publikums, meinte er zudem, dass es sich doch eigentlich um einen versuchten Totschlag handelt. Aufgrund des Gelächters im Publikum wurde er aggressiv und fing an die Zuhörer*innen anzupöbeln. Schnell wurde er von der Richterin zurechtgewiesen - dies sei doch immer noch ihr Job. Zwar konnte sich T. zwei Jahre später an vermeintlich "blonde Locken" erinnern aber nicht mehr an seine Verletzungen. Weder in der Art, der Schwere, noch wo diese aufgetreten sein sollen.
Er sprach dauernd von einem ärztlichen Attest, das aber nicht in der Akte vorhanden war. Nun gab es aber einige Bilder, die blaue Flecke an den Beinen darstellten. Die Bilder der Verletzungen wurden in seinem Späti mit seinem Handy von einer Ärztin aufgenommen so Ts Beschreibung.
Diese Bilder hat er der Ärztin dann per Mail geschickt und später ein Attest zurückgeschickt bekommen. Dieses könnte er wiederum der Richterin per Mail zusenden. Darauf fragte Richterin Unger ob Sie: "aussehe wie ein Computer"?

Erinnern konnte er sich aber daran, wer das Späti-Video, welches den Akten beiliegt, geschnitten hat: Nämlich er selbst. Er habe dabei die unwesentlichen Minuten vor und nach dem Angriff rausgelassen, da sie seines Erachtens keine wichtigen Dinge enthielten. Als nächstes wollte die Richterin wissen, welche Gegenstände während der Tat zerstört wurden und wie der Angriff ablief. Hierbei gab es immer wieder Kommunikationsprobleme zwischen Unger und T.
Er betonte mehrmals wie aggressiv er geworden sei, dass er angriffen hat, sich aber eigentlich an nichts mehr erinnern könne, weil er sich an nichts erinnern wolle. Sehr häufig wiesen sowohl die Richterin als auch die Anwälte den Zeugen zurecht und erklärten ihm das er einfach auf die Fragen antworten solle. Er wurde jedoch immer wieder laut und aggressiv, bis sein Anwalt die Reißleine zog und eine Pause verlangte, weil den Zeugen das alles so anstrenge.

Nach der Pause antwortete T. auf jede Frage nur noch mit „das wisse er nicht mehr“. Als ein Anwalt ihn dann fragt, was er auf dem Flur mit seinem Anwalt besprochen habe, wurde er wieder aggressiv und ausweichend. Es stellte sich heraus, dass sein Anwalt ihm riet, ab jetzt eher mit „ich weiß nicht“ zu antworten. Es ging in der nächsten Zeit viel um die Fragen, wann er wem die Aufnahmen aus dem Späti gezeigt hat und in was für einem Verhältnis er zum nächsten Zeugen (Heiko) steht und ob es Absprachen zwischen den beiden gab. Doch die meisten Versuche etwas aus T. herauszubekommen scheiterten. Nach einer weiteren Pause wurde er schließlich entlassen.

Als nächstes folgte der Zeuge (Heiko). Er ist ein Nachbar des Nebenklägers und schilderte seine Beobachtungen. Diese widersprachen in einigen Punkten seiner Aussage von damals, welche er schriftlich ausgeführt und der Polizei per Fax aus Ts Späti geschickt hatte. Als die Widersprüchlichkeit offensichtlich wurde, wurde Heiko mit seinem Fax konfrontiert. Er sollte bestätigen, dass es auch wirklich von ihm verfasst wurde. Schließlich stellte sich heraus, dass er seine schriftliche Zeugenaussage nicht einmal selbst geschrieben hat, sondern seine Frau. Er unterzeichnete sie lediglich. Nachdem es nur noch zu mehr Verwirrungen kam, wurde er als Zeuge entlassen.

Die Zivibullen warteten bereits draußen, da sie für 14:30 Uhr vorgeladen waren. Die Befragung von T und Heiko zog sich jedoch so lange hin, dass die Zivibulle unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten. Sie werden höchstwahrscheinlich beim nächsten Hauptverhandlungstag aussagen.

Als nächstes folgte die Befragung von Marie M. 38 J., Polizeibeamtin, Direktion 5 (Kriminalpolizei). Sie ist die ermittelnde Beamtin und damit auch zuständig für das Sammeln und Weitergeben von Indizien und Beweisen. Somit wurde sie auch nach den fehlenden Teilen des Videos gefragt. Sie erwiderte darauf, dass sie keine Notwendigkeit sah, die fehlenden Teile des Videos zu sichten oder als Beweismittel aufzunehmen. Einen Grund für eine Ermittlung wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz gegen Teke, der nach dem Vorfall alle Adressaufkleber der Pakete bei ihm im Laden fotografierte und Freunden über Whatsapp schickte, sah sie nicht.
Dann wurde sie gefragt, warum nur von einer hier beschuldigten Person eine Bildmappe angefertigt wurde. Sie entgegnete, dass es bei vermummten Personen keinen Sinn mache, welche anzufertigen. Diese können von Zeugen ja nicht wiedererkannt werden.
Auf die Frage hin, warum ein Nachbar in den Ermittlungsakten einer Angeklagten auftaucht, beleuchtete sie die üblichen Ermittlungsmethoden der Kriminalpolizei: eine Person ermitteln und dann einfach mal im Melderegister nachschauen, ob nicht auch gleichaltrige in dem Haus gemeldet sind, die auch als Täter*innen in Betracht kommen würden.
Sie berichtete dann eine Menge über die Streitigkeiten bezüglich der Zuständigkeit zwischen LKA 5 und LKA 6. Hierbei ging es darum, welche Direktion, welche Personen auf dem Video, wann erkannt haben wollen und wie die Informationen dann weitergegeben wurden.
Das LKA 5 in dem Maria arbeitet, wollte den Fall eigentlich an das LKA 6 abgeben, da dort die Zivis der PMS Links arbeiten und vermeintlich die Angeklagten unter den vermummten Personen identifiziert haben wollen. Diese wollten den Fall aber nicht übernehmen.
Letztlich gab der Staatsschutz, der laut Aussage das Video in den Medien zufällig gesehen habe, die Information an die Kriminalpolizei weiter, dass die Beschuldigten angeblich einer von ihnen beobachteten Gruppe angehören. Warum das meiste davon in den Akten nicht ersichtlich ist, erklärte sie damit, dass eben viel über telefonische Absprachen laufe und nicht alles festgehalten werde.

Nach dieser Erleuchtung gab es eine weitere kurze Pause, danach wurden 2 neue Termine verkündet:
ein kurzer Termin am 17.03 und ein weiterer Termin für die Hauptverhandlung am 01.04.
Schließlich wurde dieser erste Tag gegen 16 Uhr beendet.

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