Die Vereinigung von KPD und SPD
Das Fehlen dauerhafter organisatorischer Verbindungen zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Gruppen zeigt nur eine Seite der Beziehungen der Mitglieder beider Parteien zueinander. Denn in ungezählten Fällen kam es zu spontaner Kooperation in kleinen und kleinsten Widerstandszirkeln. In Gefängnissen, Zuchthäusern und Konzentrationslagern begegneten sich Kommunisten und Sozialdemokraten, auch wenn sie häufig – wie im KZ Buchenwald – Distanz hielten, doch als gleiche Opfer des nationalsozialistischen Terrors. In den Resten beider Parteien war schließlich, wenn auch unterschiedlich stark, das Bewusstsein vom Versagen der gespaltenen Arbeiterbewegung im Jahre 1933 wach, das Bewusstsein, dass der Kampf gegeneinander dazu geführt hat, dem NS-Regime den Weg zur Macht zu ebnen.
Die Vereinigung von KPD und SPD
Programmatische Voraussetzungen
Bereits die Brüsseler Konferenz hatte erklärt, dass die „Sache des Proletariats die Schaffung einer einheitlichen politischen Massenpartei“ erfordere, für die die KPD alle „klassenbewußten Arbeiter (…) zu gewinnen“ trachte. Der von der Konferenz empfohlene Parteityp aber entsprach genau dem, was Dimitroff auf dem VII. Weltkongress als Voraussetzung für die Einheitspartei genannt hatte. Die neue Partei solle „unabhängig von der Bourgeoisie“ sein, die „Notwendigkeit des revolutionären Sturzes der Bourgeoisie und die Aufrichtung der Diktatur des Proletariats in der Form der Sowjets anerkennen“, die „Unterstützung der eigenen Bourgeoisie im imperialistischen Krieg“ ablehnen und schließlich „auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus aufgebaut“ sein.[1] Zusammengefasst sollte sie nichts anderes sein als die um sozialdemokratische Mitglieder erweiterte KPD.
Die Bildung der Einheitspartei von unten her bestimmte auch die Resolution der Berner Konferenz. In ihr forderte die KPD „insbesondere die Kommunisten und Sozialdemokraten“ in Deutschland auf, sich über die „Schaffung einer Einheitspartei“ zu verständigen und „einheitliche Organisationen der künftigen Einheitspartei“ zu bilden. Zugleich wandte sich das ZK mit seinen Vorschlägen zur Schaffung einer Einheitspartei „an den Parteivorstand der sozialdemokratischen Emigration.“[2]
Ähnlich argumentierte die KPD in ihrer Erklärung zum Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes. Die deutsche Arbeiterklasse werde das NS-Regime stürzen und eine neue Ordnung erkämpfen, „sobald sie ihre Einheit hergestellt hat“. Zwar verzichtete die KPD darauf, die Struktur dieser Einheit zu skizzieren. Doch im Zusammenhang mit den zur gleichen Zeit heftigen Angriffen gegen die sozialdemokratischen Funktionäre meinte auch die formulierte Aufforderung „die Einheitsfront bis zur Schaffung der revolutionären Einheitspartei“ zu schließen, wohl nichts anderes als die Vereinigung in einer nach kommunistischem Vorbild organisierten Partei. [3]
Wie gering freilich die KPD die Chancen für die Bildung einer solchen Partei einschätzte, zeigt ein Bericht zu „Fragen der Einheitsfront in Deutschland“, den Walter Ulbricht am 26.08.1939 Georgi Dimitroff zuschickte. In diesem Bericht analysierte Ulbricht die Haltung der Sozialdemokratie im Lande wie folgt:[4] „1. Eine Minderheit von aktiven linken Sozialdemokraten ist für die Einigung der Arbeiterklasse, ist zu einzelnen Schritten gemeinsamer antifaschistischer Propaganda bereit, hat aber vielfach Zweifel an unserer Losung der demokratischen Republik. 2. Der größere Teil der Sozialdemokratie bestätigt sich in der Vertretung der täglichen Arbeiterinteressen, ist mit den Massen verbunden, gehört Massenorganisationen an und ist für die demokratische Republik. Meistens haben diese Sozialdemokraten einige Lehren aus der Vergangenheit gezogen, haben ein kameradschaftliches Verhältnis zu den Kommunisten, haben aber ein gewisses politisches Misstrauen gegen die KPD. 3. Die rechten sozialdemokratischen Funktionäre im Lande predigen das Abwarten, spekulieren auf den automatischen Zusammenbruch des Faschismus und sprechen vielfach von einer kommenden Militärdiktatur.“
Im April 1944 notierte Wilhelm Pieck, im Anschluss an ein Ulbricht-Referat:[5] „Soziald. – in Gruppen zerfallen – viele Richtungen. Rechte suchen Anschluß an bürgerliche Kreise, wir müssen sozialdemokratische Massen gewinnen für Einheit.“ Somit ist sicher, dass das Konzept der Einheitsfront bzw. Einheitspartei von unten auch 1944 noch gültig war.[6]
Vor diesem Hintergrund bildete die Unvereinbarkeit der programmatischen Hinsichten nur eine zusätzliche Ursache für das Fortdauern der Distanz zwischen beiden Parteien. Zwar hatte sich der Exil-Vorstand der SPD mit seinem Prager Manifest von 1934 verbal vom überkommenen SPD-Reformismus und seinen taktischen Implikationen abgesetzt und festgestellt, dass es im Kampf gegen die nationalsozialistische Diktatur „keinen Kompromiß“ gebe und „für Reformismus und Legalität keine Stätte“ sei, dass die sozialdemokratische Taktik vielmehr allein vom „Ziel der Eroberung der Staatsmacht (…) und ihrer Behauptung zur Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaft“ bestimmt sei. Zu diesem Zweck strebten die Autoren des Manifests eine „Front aller antifaschistischen Schichten“ an und erklärten: [7]„Die Differenzen in der Arbeiterbewegung werden vom Gegner selbst ausgelöscht. Die Gründe der Spaltung werden nichtig. (…) Die Einigung der Arbeiterklasse wird zum Zwang, den die Geschichte selbst auferlegt.“
Das Manifest galt vor allem der Integration der auseinander strebenden Flügel der Sozialdemokratie und sollte speziell den sozialistischen Linken, innerhalb wie außerhalb der SPD entgegenkommen. Dieses Integrationsmotiv zerfiel jedoch in dem Maße, in dem sich einerseits die SPD-Linke 1935 im Verband der „Revolutionären Sozialisten Deutschlands“ zusammenschloss, die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) zumindest bis 1941 ihre programmatische Selbständigkeit bewahrte, und sich andererseits die Sozialisten der Neu-Beginnen-Gruppe ebenso wie die Anhänger des Internationalen Kampfbundes 1941 zur „Union deutscher sozialistischer Organisationen in Großbritannien“ zusammenschlossen, d.h. mit der Sozialdemokratie wiedervereinigten. Die Mehrheit des SPD-Vorstandes begann bereits 1935 zu jenen Positionen zurückzukehren, die für die Partei bis 1933 kennzeichnend gewesen waren, und die von vielen prominenten SPD-Führern auch während des vorübergehenden Linksdralls ihrer Organisation nie aufgegeben wurden.
Orientierten sich Sozialdemokraten im Lande langfristig an Einheits- oder Volksfronttaktiken, dann zumeist in direkter Anlehnung an großbürgerliche Kreise (20. Juli) oder sie verzichteten auf die Zusammenarbeit mit illegalen Kommunisten, weil sie meinten, dass unter den Bedingungen des illegalen Widerstandskampfes das Festhalten am überkommenen Parteigefüge und die Steuerung des Widerstandes durch Emigrantenorganisationen sinnlos und schädlich sei. Lediglich in Leipzig kam es seit 1939 zu längerfristigen Verbindungen zwischen Kommunisten, linken Sozialdemokraten und bürgerlichen Intellektuellen, zu einem Zusammenschluss, der seit 1943 unter der Bezeichnung Nationalkomitee Freies Deutschland arbeitete.
Das Fehlen dauerhafter organisatorischer Verbindungen zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Gruppen zeigt nur eine Seite der Beziehungen der Mitglieder beider Parteien zueinander. Denn in ungezählten Fällen kam es zu spontaner Kooperation in kleinen und kleinsten Widerstandszirkeln. In Gefängnissen, Zuchthäusern und Konzentrationslagern begegneten sich Kommunisten und Sozialdemokraten, auch wenn sie häufig – wie im KZ Buchenwald – Distanz hielten, doch als gleiche Opfer des nationalsozialistischen Terrors. In den Resten beider Parteien war schließlich, wenn auch unterschiedlich stark, das Bewusstsein vom Versagen der gespaltenen Arbeiterbewegung im Jahre 1933 wach, das Bewusstsein, dass der Kampf gegeneinander dazu geführt hat, dem NS-Regime den Weg zur Macht zu ebnen.[8]
Die Auseinandersetzungen um die Einheitspartei
Es war wohl diese Grundstimmung, die einige Sozialdemokraten noch vor der Kapitulation des nationalsozialistischen Regimes, dazu veranlasste, den zurückgekehrten Kommunisten Gespräche über die sofortige Vereinigung von Kommunisten und Sozialdemokraten vorzuschlagen.
Damals schrieb Max Fechner an Walter Ulbricht: [9]„Ich hätte gern mit Dir darüber gesprochen, wie es möglich wäre, endlich die so ersehnte Einheitsorganisation der deutschen Arbeiterklasse zu schaffen. Meine politischen Freunde und ich stehen auf dem Standpunkt, daß bei der ersten Möglichkeit, sich wieder politisch betätigen zu können, über alle Vergangenheit hinweg der neu zu beschreitende Weg ein gemeinsamer sein muß zwischen KPD und SPD. Ich möchte sagen, daß es bei Beginn der politischen Tätigkeit leichter wird, die Einheit zu schaffen, als wenn wir erst bei den Nachwirkungen der Kriegshandlungen angelangt sind. Ich würde mich freuen, bald mit Dir oder mit einem anderen Genossen von Euch dieses Fragengebiet besprechen zu können. Bitte gib mir bald Nachricht.“
Die KPD reagierte auf das sozialdemokratische Gesprächsangebot zunächst überhaupt nicht. Über diese und ähnlich lautende spätere Offerten berichtete der Sozialdemokrat Otto Grotewohl Ende 1945:[10] „Eine Antwort auf diesen Brief erhielten wir nicht. Am 14. Mai 1945 besuchten die Genossen Gniffke, Grotewohl und Graf den Genossen Arthur Pieck im inzwischen eingesetzten Magistrat der Stadt Berlin. Die drei Genossen stellten die Mitarbeit der sozialdemokratischen Genossen zur Verfügung und erbaten eine gemeinsame Besprechung, in der die Frage der organisatorischen Einheit geklärt werden sollte. Genosse Pieck sagte zu, daß am 17. Mai 1945 die Vertreter der Kommunistischen Partei zu der gemeinsamen Besprechung erscheinen werden. Die Besprechung fand nicht statt, da die Genossen von der Kommunistischen Partei nicht erschienen. Am gleichen Tag baten wir die Genossen der Kommunistischen Partei brieflich durch Genossen Arthur Pieck zu einer Besprechung am 24. Mai 1945. Auch zu dieser Besprechung erschien kein Vertreter der Kommunistischen Partei. Darauf beauftragten wir die Genossen Gniffke und Graf, nochmals persönlich vorstellig zu werden. Die beiden Genossen begaben sich am 25. Mai 1945 zum Genossen Pieck, wurden jedoch wegen Arbeitsüberlastung nicht empfangen. Sie wiederholten ihren Besuch am 29.Mai 1945 mit der gleichen Ergebnislosigkeit.“
Bereits diese Behandlung der sozialdemokratischen Einheitsangebote dämpfte bei vielen Sozialdemokraten die anfängliche Einheitseuphorie. Am 15.06 bot der SPD-Zentralausschuss in seinem Gründungsaufruf erneut die Einheit an:[11] „Wir wollen vor allem den Kampf um die Neugestaltung auf dem Boden der organisatorischen Einheit der deutschen Arbeiterklasse führen! Wir sehen darin eine moralische Wiedergutmachung politischer Fehler der Vergangenheit, um der jungen Generation eine einheitliche politische Kampforganisation in die Hand zu geben. Die Fahne der Einheit muß als leuchtendes Symbol in der politischen Aktion des werktätigen Volkes vorangetragen werden.“
Nach der Veröffentlichung des SPD-Gründungsaufrufes am 19.06 trafen sich je fünf Vertreter beider Parteien zu einem Gespräch über die gemeinsame Arbeit. Wiederum schlugen die Sozialdemokraten vor, sofort mit der Verschmelzung zu beginnen, und erstmals lehnte die KPD die sofortige Fusion mit einer politischen Begründung ab. Walter Ulbricht erklärte die Weigerung der KPD damit, dass eine verfrühte Vereinigung – angesichts der unterschiedlichen ideologischen Positionen beider Parteien – den Keim neuer Zersplitterung in sich trage und daher den Gedanken der Einheit diskreditieren könne.
Zugleich aber legten die KPD-Vertreter den Entwurf einer Vereinbarung über einen gemeinsamen Arbeitsausschuss vor, der die ideologischen Streitfragen durch Diskussionen auf allen Ebenen der Parteiorganisation klären, somit die Vereinigung vorbereiten und für die Zwischenzeit die Aktionseinheit beider Parteien gewährleisten sollte. Die SPD-Vertreter stimmten diesem Vorschlag zu. In dieser Vereinbarung verpflichteten sich die Parteien zur engen Zusammenarbeit bei der Durchführung gemeinsam beschlossener Aktionsaufgaben zur Liquidierung der Überreste des NS-Regimes. Die Voraussetzung hierfür sahen sie „im Aufbau einer antifaschistischen, demokratisch-parlamentarischen Republik.“[12] Beide Seiten verabredeten gemeinsame Beratungen zur Klärung ideologischer Fragen und die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen; und sie drückten „ihren festen Willen aus, alles zu tun, um auf dem Wege guter Zusammenarbeit in allen Fragen des antifaschistischen Kampfes und des Wiederaufbaues die Voraussetzungen für die politische Einheit des werktätigen Volkes zu schaffen.“[13] Darüber hinaus empfahlen die Vorstandsvertreter von KPD und SPD „den Organisationen beider Parteien, in allen Bezirken, Kreisen und Orten zusammenzutreten, ebenfalls gemeinsame Arbeitsausschüsse zu schaffen und in gleicher Weise zusammenzuarbeiten, wie das im zentralen Maßstab geschieht.“
Die KPD-Führung hatte mithin ihre Vorstellung von der Schaffung einer künftigen Einheitspartei: erst Aktionseinheit, dann Verschmelzung, gegenüber dem Berliner SPD-Zentralausschuss durchsetzen können.[14] Sie hatte Zeit gewonnen, die eigene Partei personell und organisatorisch zu reorganisieren und zugleich in der Zusammenarbeit mit regionalen und örtlichen SPD-Organisationen im Sinne der Einheit „von unten“ die für sie günstigen Bedingungen der Vereinigung zu schaffen.
Jedoch hatte der Zentralausschuss und vor ihm Max Fechner ihre Einheitsangebote aufgrund der schwierigen Kommunikationsbedingungen ohne vorherige Verständigung mit den Parteimitgliedern außerhalb Berlin formuliert. Die ersten Kontakte mit den Parteibezirken zeigten den Berlinern Befürwortern der Einheitspartei, dass anderswo andere Kooperationsmodelle entwickelt worden waren, dass SPD-Funktionäre Einwände gegen jede Vereinigungspolitik geltend machten, oder dass die politische Zielrichtung des Zentralausschusses (ZA) generell auf Ablehnung stieß. Als es Ende August dem Zentralausschuss gelungen war, mit den in den Ländern wieder erstarkten Parteiorganisationen Kontakt aufzunehmen, stellten die ZA-Emissäre in Leipzig fest:[15] „Die Kommunisten wollen uns überall überfahren, überall werden unsere Genossen rausgeworfen, mit den Kommunisten gibt es keine Zusammenarbeit.“
Darüber hinaus stellten sich auch strategisch-taktische Gegensätze heraus. So distanzierte sich der ZA – was er bereits in seinem Gründungsaufruf angedeutet hatte – kritisch von der Politik der SPD in der Weimarer Republik, damit auch von ihrer liberaldemokratischen Zielsetzung. Zudem hatte er sich auf eine so genannte Ostorientierung sozialdemokratischer Politik verständigt. Das wesentliche Moment dieser Vorstellung bestand darin, dass die Sozialdemokratie ihre Funktion nicht in der Vermittlung zwischen den Systemen in Ost und West sehen, sondern sich vielmehr langfristig auf eine wirtschaftliche und politische Entwicklung nach dem Osten einstellen sollte.
Auch dieser Versuch einer Neuorientierung stieß in vielen Parteibezirken auf Kritik. So wurde Gustav Dahrendorf, der diese strategische Leitlinie in Leipzig vorgetragen hatte, entgegengehalten, die Sozialdemokratie brauche sich ihrer Politik vor 1933 nicht zu schämen. Weiterhin wurde vorgebracht, dass Russland sich in seinen imperialistischen Zielen nicht von den westlichen Ländern unterscheide.
Ähnliche Erfahrungen machte der ZA auch bei seinen ersten Kontakten mit der in Thüringen wieder erstandenen SPD-Organisation. Hier war Hermann Brill, der von der SMAD abgesetzte 1.Präsident der Landesverwaltung Thüringen, im Juli 1945 mit seinem Angebot einer einheitlichen Arbeiterpartei ebenso wie die Berliner Sozialdemokraten bei der KPD auf Ablehnung gestoßen. Um die Vereinigung zu ermöglichen, hatten die Thüringer Sozialdemokraten am 08.07 nicht die SPD wieder gegründet, sondern sich im „Bund demokratischer Sozialisten“ zusammengeschlossen. Auch nach der Ablehnung des Vereinigungsangebotes hielten die Thüringer an ihrem Einheitskonzept fest. Sie dachten jedoch nicht an eine Parteienfusion sondern an eine Organisation nach dem Vorbild der Labour-Party, eine Organisation mit korporativer Mitgliedschaft von SPD, KPD und Gewerkschaften. Waren mithin die Thüringischen Sozialdemokraten – zumindest in den ersten Nachkriegsmonaten – wie der Berliner ZA Anhänger des Einheitsgedankens, so lehnten sie die vom ZA verfochtene Version des parlamentarisch-demokratischen Sozialismus ab.
In diesem Sinne also repräsentierte der Berliner SPD-Zentralausschuss – trotz der zumindest in den ersten Nachkriegstagen starken Einheitsneigung der SPD-Mitglieder – keineswegs die gesamte SPD in der SBZ. Er spiegelte vielmehr nur eine Strömung innerhalb der ostdeutschen Sozialdemokratie wider, die sich zudem bald dem Druck der einheitsfeindlichen Sozialdemokraten aus den Westzonen ausgesetzt sah, die sich um Kurt Schumacher zu gruppieren begonnen hatten. Der ZA hatte im Falle einer positiven Reaktion der KPD-Führung vor erheblichen politischen wie organisatorischen Problemen gestanden, sein Fusionsangebot einzulösen.
Vor vergleichbaren Problemen stand auch die KPD-Führung. Sie hatte sich sowohl mit jenen Mitgliedern auseinanderzusetzen, die an der bis 1933 verbindlichen Parteilinie festhielten, und deshalb ein organisiertes Zusammengehen oder gar eine Verschmelzung mit der SPD ablehnten, als auch mit denen, die schnell eine einheitliche Arbeiterpartei bilden wollten; und sie war darüber hinaus mit der organisatorischen Schwäche ihrer Partei konfrontiert.
Charakteristisch waren wohl vor allem drei Strömungen in der Einheitsfrage. Einerseits strebten kommunistische Grundorganisationen – gegen den Widerspruch ihres ZK – danach, im Sinne der alten Taktik der Einheitsfront von unten, linke Sozialdemokraten in die KPD aufzunehmen.
Andere Kommunisten, wie der Mecklenburger KPD-Funktionär Hans Warnke weigerten sich, die Sinnhaftigkeit der Wiedergründung der SPD anzuerkennen:[16] „(…) Als am 10. Juni 1945 der Oberste Chef der Sowjetischen Militäradministration die Zulassung antifaschistisch-demokratischer Parteien (…) bekanntgab, hatten wir uns (…) auch in Güstrow wieder als Ortsgruppe konstituiert. Nach unserer schon am nächsten Tag durchgeführten öffentlichen Versammlung sagte unser sowjetischer Stadtkommandant zu mir: ‚Wie wollen Sie die Sozialdemokratie unterstützen, damit sie ihre Partei wieder ins Leben rufen?’ Ich konnte zunächst nicht verstehen, warum wir helfen sollten, damit die SPD wieder in Gang kam.“
Eine weitere Tendenz in der KPD-Mitgliedschaft zeigte sich vor allem bei den KPD-Genossen, die entweder im Zuchthaus bzw. im KZ ihre Differenzen mit den Sozialdemokraten beigelegt hatten oder in den zeitweilig von US-Truppen besetzten Teilen der SBZ unter dem dort herrschenden Verbot jeder politischen Tätigkeit spontan zur Kooperation mit Sozialdemokraten gekommen waren. So hieß es in der Entschließung der politischen Gefangenen des Zuchthauses Brandenburg, die sie anlässlich ihrer Befreiung am 27.4.1945 gefasst hatten:[17] „ Wir politischen Gefangenen haben den Weg zur politischen Einheit zwischen den sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern beschritten – uns hat der politische Terror zusammengeschweißt. Wir haben gelernt, die Einheit als eine Lebensfrage zu erkennen.“
Auch bei den Kommunisten in den von US-Truppen befreiten späteren SBZ-Gebieten überwog offenbar diese Tendenz. So hatte sich am 25.6.1945 in Eisleben die „Partei der Werktätigen“ (PdW) gebildet.[18] Zu ihr gehörten neben Sozialdemokraten und Kommunisten auch Anhänger der christlichen Arbeiterbewegung. Diese Partei besaß ca. 10.000 Mitglieder. Mitbegründer der PdW waren die späteren KPD-bzw. SED-Funktionäre Werner Eggerath und Otto Gotsche.
Zeigten sich in der KPD sowohl Anhänger der alten Einheitsfronttaktik wie Vertreter des Einheitsparteikonzepts, so gab es neben ihnen eine zweifellos starke dritte Strömung, die jede Vereinigung oder Kooperation mit den Sozialdemokraten ablehnte. Obwohl konkrete Hinweise auf die Stärke dieser Gruppe fehlen, kann doch aus der damaligen ZK-Deutung, das „Sektierertum“ sei weit verbreitet, der Schluss gezogen werden, dass in der KPD speziell jene Genossen, die an der Zeit vor 1933 festhielten, auch die Erinnerung an die in dieser Zeit heftigen Feindschaften zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten aufbewahrt hatten.
Im Westen Deutschlands stellte die restriktive Politik speziell der amerikanischen Besatzungsmacht einheitswillige Kommunisten und Sozialdemokraten vor erhebliche organisatorische Schwierigkeiten. Die Einheitsbewegung aber wurde nicht durch das Organisationsverbot allein behindert. Als zumindest ebenso bedeutsam für die Widersprüchlichkeit und das schließliche Scheitern der Bewegung im Westen erwies sich die Entscheidung der KPD-Spitze, auch in den Westzonen ihre Einheitstaktik anzuwenden und die Vereinigung beider Parteien nicht vor deren Wiedergründung zu vollziehen. Was sich in der SBZ als wesentliche Voraussetzung des von der KPD-Führung gewünschten Typs der Einheitspartei erwies, die Verzögerung der Fusion, trug in den Westzonen dazu bei, dass die in der dortigen SPD sehr bald dominierenden Einheitsgegner, gestützt von den Besatzungsmächten, ihre Politik in der Sozialdemokratie durchsetzten und die ohnehin geringe Chance der Vereinigung beider Parteien oder der Einheitsfront zusätzlich gemindert wurde.
Nach dem Scheitern der Einheitsbemühungen der SPD wurde das Verhältnis zwischen beiden Parteien im Wesentlichen durch folgende Momente geprägt:
Erstens wuchs in der SPD (speziell auf der Ebene der Kreis- und Bezirksverbände) – auch vor dem Hintergrund der Enttäuschung über die Ablehnung der KPD zum Einheitsvorschlag des ZA – Misstrauen gegen die erklärte Bereitschaft der KPD zu zuverlässiger Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten. Die KPD-Leitungen brachten ihre Kader entgegen dem vereinbarten Kooperationsprinzip und oftmals gegen den Willen der Sozialdemokraten in einflussreiche Positionen im Wirtschafts- und Verwaltungsapparat.
Zweitens wurde die SPD beim Aufbau ihrer Organisation materiell und politisch gegenüber der KPD deutlich benachteiligt. Die Sozialdemokraten bekamen weniger Papier und Lizenzen zum Zeitungsdruck als die KPD, ihre Publikationen unterlagen strengerer Zensur.
Drittens bemühte sich die KPD – entsprechend ihrem oben skizzierten Einheitskonzept – speziell in den von der SPD traditionell unterbewerteten Betrieben eine enge Einheitsfront zwischen KPD- und SPD- Organisation herzustellen und diese Gruppen politisch zu beeinflussen oder ihre Bildung zu fördern, um so ihre Einflusspositionen in der SPD auszubauen.
Viertens gelang es der KPD-Führung in dieser Zeit, ihre Partei personell zu stärken und die Leitlinien des demokratischen Zentralismus zu reinstallieren. Die KPD-Mitgliedschaft wuchs – gemessen am Stande der unmittelbaren Nachkriegstage (ca. 50.000), aber auch gemessen am Stande von 1933 (100.000) schneller als die der SPD, die 1932 581.000 Mitglieder organisiert hatte. So zählte die KPD im Industrieland Sachsen Anfang 1946 135.000 (1933 = 40.000), die SPD dagegen nur 90.000 gegenüber 140.000 Mitgliedern im Jahre 1933. Ähnlich vollzog sich die Entwicklung im agrarischen Mecklenburg-Vorpommern, wo die SPD ihren vor 1933 erheblichen Organisationsvorsprung (SPD = 32.000; KPD = 2800) verlor. Ende 1945 erfasste die KPD dort knapp 32.000, die SPD hingegen knapp 40.000 Mitglieder. Dieses rasche Wachstum der KPD, das sicherlich auch aus der Nähe der Partei zur SMAD, d.h. aus der Interpretation der KPD als besonders einflussreich und karrierefördernd folgte, drängte die alten Parteikader zurück und schuf die Voraussetzungen für die Wiederdurchsetzung des traditionellen KP-Zentralismus.
Fünftens schließlich stand der Berliner ZA nach dem Scheitern seiner frühen Einheitsbemühungen angesichts der Kritik aus einzelnen Parteibezirken der SBZ und der strikten Ablehnung jeder Form von Einheitspolitik durch die von Schumacher bestimmte SPD-Führung der Westzonen unter doppeltem Druck: Er musste die Ost-SPD gegenüber der KPD politisch zu profilieren trachten. Weiterhin musste er – um dennoch zum Einheitsziel zu gelangen – einen Weg suchen zwischen einer widerspruchslosen Hinnahme der Einheitstaktik der KPD und der von Kurt Schumacher geforderten bedingungslosen Ablehnung jedweder Kooperation mit dem Kommunisten.
In dieser Situation wählte der ZA eine Doppel Taktik: Er versuchte gegenüber der KPD einen Führungsanspruch der SPD zu begründen und diesen Anspruch mit einer gesamtdeutschen Zielsetzung zu verknüpfen. Am 14.09. in einer Rede vor einer außerordentlichen SPD-Funktionärskonferenz in der Berliner „Neuen Welt“, der ersten großen SPD-Kundgebung nach dem Kriege und in Anwesenheit einer KPD-Delegation unter Leitung von Wilhelm Pieck, gab Otto Grotewohl einen Überblick über die ersten drei Monate sozialdemokratischer Arbeit. Der ZA-Vorsitzende übte erstmals öffentlich Kritik an der Praxis der Aktionseinheit von SPD und KPD. Er erinnerte an die Vereinbarung beider Parteien vom 19. Juni, in der sich KPD und SPD zugesagt hatten, die Voraussetzungen für die politische Einheit der Arbeiterbewegung zu schaffen, und stellte fest:[19] „Wer diese Voraussetzungen mit mir einer gewissenhaften Prüfung unterzieht, wird mit mir zu dem Schluß kommen, daß sie für eine organisatorische Vereinigung noch nicht erfüllt sind.“
Die Schwierigkeiten der Kooperation führte er auf den Vormachtsanspruch der KPD-Mitglieder zurück, deren Führung es noch nicht gelungen sei, „den letzten Mann und die letzte Frau davon zu überzeugen, daß die Erkenntnis von der Anwendung der Demokratie eine geschichtliche Notwendigkeit geworden ist“. Daraus folge für die SPD-Führung die Schwierigkeit, die „eigenen Anhänger von dem Zweifel in die ehrliche Überzeugung der kommunistischen neuen Orientierung zu befreien.“
Diese Zweifel rührten nach Grotewohl sowohl aus den Relikten der einstigen Feindschaft zwischen den Parteien als auch aus der Praxis, sich „in den letzten Ausläufern der Organisationen und in den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften oft unter völliger Außerachtlassung des Grundsatzes demokratischer Parität (…) gegenseitig den Rang abzulaufen.“[20]
Dennoch hielt Grotewohl am SPD-Votum für die Einheitspartei fest:[21] „Die organisatorische Vereinigung der deutschen Arbeiterbewegung ist unser unverrückbares Ziel“. Diese Einheit aber war für den ZA jetzt nur noch als Konsequenz eines längeren Entwicklungsweges denkbar, als dessen erste Stufe er – nach der Bildung politischer Parteien in den Westzonen – die „Schaffung einer einheitlichen Sozialdemokratischen Partei für Gesamtdeutschland“ sah. Als zweite Stufe galt ihm die Profilierung dieser gesamtdeutschen SPD zum „Sprecher für die deutsche Arbeiterklasse (…), der berechtigt und berufen ist, im Namen des gesamten deutschen Volkes mit den Alliierten und damit mit der Welt einmal wieder zu reden.“
Die Berechtigung dieses Vertreteranspruches leitete Grotewohl aus den politischen Differenzen zwischen den Alliierten her – aus der Tatsache, dass weder die Sowjetunion allein die „gegenwärtigen bürgerlichen Parteien Deutschlands (…) als die berufenen Vertreter des deutschen Volkes“ noch die Westmächte allein die KPD „ als Gesamtvertretung der deutschen Arbeiterklasse und des deutschen Volkes“ anerkennen würden. Sein Fazit lautete: [22]„Die sozialdemokratische Partei Deutschlands hat die Aufgabe für die politische Willensbildung als Sammellinse zu wirken, in der sich die Ausstrahlungen der übrigen Parteien in Deutschland treffen. Wenn heute ein neuer Staat in Deutschland aufzubauen ist, so ist die deutsche Arbeiterklasse und in ihr die Sozialdemokratische Partei Deutschlands zuerst dazu berufen, diesen neuen Staat zu errichten.“
Der KPD gegenüber hatte der ZA damit kurzfristig den Versuch unternommen, die Einheitsfrage zu vertagen und längerfristig dem politischen Führungsanspruch der Kommunisten ein sozialdemokratisches Avantgardebewusstsein entgegenzuhalten, um so stärkeren Einfluss auf die Modalitäten des Vereinigungsvorgangs wie den Charakter der Einheitspartei zu gewinnen. Zugleich versuchte er, der SPD in den Westzonen – vor allem Kurt Schumacher – mit dem Hinweis auf die Stufen des Vereinigungsprozesses ein Abrücken von der starren Ablehnung jeder Form der Kooperation mit der KPD zu erleichtern. Gerade diese Passagen seiner Rede hatte Grotewohl ausdrücklich an die Genossen in den Westzonen adressiert und sich in diesem Zusammenhang gegen die Unterstellung gewendet, der ZA erhebe einen Führungsanspruch für die deutsche Sozialdemokratie.[23]
Beides aber veranlasste die KPD-Führung nun ihrerseits – auch angesichts des Konsolidierungsprozesses in ihrer Partei – auf die Vereinigung zu drängen. Im Anschluss an das Referat von Grotewohl wiederholte Wilhelm Pieck die Bereitschaft seiner Partei, an der Zusammenarbeit mit der SPD festzuhalten, betonte, dass die „Lösung der gemeinsamen großen Aufgaben (…) in allen Bezirken ehrliche und keinerlei Missdeutungen zulassende Tätigkeit“ verlange und schloss seine Ansprache an die SPD-Funktionäre „mit der Aufforderung, eine einheitliche Partei zu schaffen, um die begonnenen Aufgaben zu Ende zu führen.“[24]
Schon fünf Tage später, am 19.September, begann die KPD auf die rasche Vereinigung der Arbeiterparteien zu drängen. Pieck forderte: (…) die Schaffung einer kampffähigen Einheit der Arbeiterklasse (…), die sich herausbilden muß in dem Zusammengehen der kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiter in allen Fragen des täglichen Kampfes mit dem Kurs auf eine möglichst baldige Vereinigung der beiden Arbeiterparteien.“[25]
Pieck ließ es bei diesem Plädoyer für einen baldigen Zusammenschluss nicht bewenden. Er beschrieb auch den von der KPD gewählten Weg zur Einheit: das Bündnis mit Teilen der sozialdemokratischen Parteibasis, den Arbeitern, und die Isolierung des rechten Parteiflügels: Ein neuer Weg muß gegangen werden mit Führern der Arbeiterbewegung, die nicht zurückgreifen wollen auf ihre alte Politik und ihre alte Rolle in der Arbeiterbewegung. (…) Wir haben das Vertrauen zu den sozialdemokratischen Arbeitern, daß sie nicht aus Pietät für diese alten Führer (Noske) nehmen, sondern daß neue zuverlässige Kräfte an ihre Stelle treten.“[26]
Piecks Rede war gleichsam der Startschuss für die Einheitsbewegung, die nun von der KPD über ihre Grundorganisationen, regionalen Leitungen und speziell über die von beiden Parteien beschickten „Aktionsausschüsse“ eingeleitet wurde.
Vor diesem Hintergrund kam es am 06.10.1946 zur ersten Begegnung zwischen Grotewohl und Schumacher auf der Konferenz von Wennigsen[27], an der SPD-Vertreter aller vier Besatzungszonen sowie Abgesandte des Londoner Exil-PV teilnahmen. Im Verlauf einer hektischen Diskussion erneuerte Schumacher seine Ablehnung einer Zusammenarbeit oder gar Verschmelzung mit der KPD. Er äußerte den Verdacht, die KPD wolle die SPD als „Blutspender für ihre schrumpfenden Organisation“ nutzen und ging zudem davon aus, dass eine zentrale Reichsinstanz, d.h. auch sozialdemokratische Reichsparteitage, unter den gegebenen besatzungspolitischen Verhältnissen unmöglich seien.
Damit war dem ZK ein wesentliches Argument für seine Hinhaltepolitik gegenüber dem KPD-ZK genommen: der Stufenplan war faktisch bedeutungslos geworden. Dies bedeutete eine Minderung der sozialdemokratischen Manövrierfähigkeit gegenüber der KPD. Der ZA war von nun an nicht mehr in der Lage, seine Zurückhaltung gegenüber dem kommunistischen Einheitswerben mit dem Hinweis auf die Chance einer nationalen Regelung stichhaltig zu begründen und verlor weiterhin durch seine Isolierung von der West-SPD politisch-moralischen Rückhalt in jenen Funktionärsgruppen der Ost-SPD, die bereit waren, dem Kurs von Schumacher zu folgen.
Obwohl sich seine Aktionsmöglichkeiten zusätzlich durch die nun forcierte Einheitskampagne der KPD verschlechtert hatten, die KPD mit der Agitation gegen die rechten Sozialdemokraten begann, die linken Strömungen in der SPD förderte, versuchte der ZA an seiner Position festzuhalten und sie sogar auszubauen.
Am 11.11.1946 formulierte Grotewohl vier Bedingungen für die Vereinigung der Parteien. Die Einheit der Arbeiterbewegung könne „kein Beschluß von Instanzen“,unmöglich, auch nur im geringsten, das Ergebnis eines äußeren Drucks oder indirekten Zwanges“, lediglich „Werk und Ergebnis des sozialistischen und demokratischen Aufbaues“ und nicht Folge einer „zonenmäßigen Vereinigung“ sein, weil diese „vermutlich die Vereinigung im Reichsmaßstab nicht fördern, sondern nur erschweren und vielleicht das Reich zerbrechen würde.“[28]
Mit dieser höchst problematischen Konzeption ging der ZA in die zuvor mit der KPD für den 20-21.12. 1945 verabredete so genannte Sechziger Konferenz, um dort mit KPD-Vertretern über die Bedingungen der gegenwärtigen und künftigen Formen der Aktionseinheit zu beraten.
Dort wiederholte Grotewohl den im November formulierten Standpunkt der SPD-Führung. Er kritisierte die Vorzugsstellung der KPD, forderte – gestützt auf ein Memorandum Dahrendorfs – die „vorbehaltlose Aufgabe aller unzulässigen Einflussnahme auf die SPD und auf einzelne Sozialdemokraten“ und lehnte die von der KPD vorgeschlagene Aufstellung gemeinsamer Kandidatenlisten bei künftigen Wahlen ebenso ab wie den von der KPD offerierten Vereinigungsmodus. Die KPD hatte, taktisch auf SPD-Vorbehalte gegen eine lediglich zonale Parteienfusion reagierend, in ihrem Resolutionsentwurf für die Konferenz zunächst bekundet: „Die Schaffung der Einheitspartei ist nur einheitlich über ganz Deutschland und nur unter Einbeziehung aller Organisationen beider Parteien möglich.“[29]
Die KPD schlug vor, die „in der demokratischen Entwicklung fortgeschrittenen Bezirke“ in der SBZ sollten den übrigen Bezirken ein Beispiel geben, indem sich zunächst die Orts-, Kreis- bzw. Bezirksorganisationen „ohne jeden Druck und Zwang“ für eine Vereinigung aussprechen, Länder – bzw. Provinzialkongresse diese Verschmelzungen beschließen und ZA wie ZK schließlich der Vereinigung zustimmen. Die so geschaffene Einheitspartei sollte alle Leitungspositionen paritätisch mit ehemaligen Sozialdemokraten und Kommunisten besetzen.
Dieser Verfahrensweise hielt Grotewohl entgegen:[30] „Wenn wir die Einheit zuerst in der sowjetischen Besatzungszone schaffen, wird dies eine Verschmelzung der deutschen Arbeiterbewegung unmöglich machen.“ Die Verschmelzung könne erst nach der Schaffung einheitlicher Reichsorganisationen und dem Zusammentritt der ersten Reichsparteitage erfolgen. Grotewohl versuchte, diese Argumentation mit dem Hinweis auf die politische Opportunität eines solchen gemeinsamen Vorgehens zu stützen. Er wies auf die „Ostorientierung“ des ZA hin: Die Einheit der ganzen deutschen Arbeiterklasse sei auch für „die uns befreundete Sowjetunion“ von Bedeutung, denn die „größtmögliche politische Stärke“ der deutschen Arbeiterklasse bringe jene „Generation für die Erhaltung des Friedens, die die Welt und besonders die sozialistische Sowjetunion in der Zukunft braucht.“
Die sozialdemokratischen Vertreter waren nicht bereit, vom einmal formulierten Ziel der Einheit abzurücken. So lehnte Grotewohl zwar einige Punkte wie den Verschmelzungsmodus sowie die Einheitsliste des ZK-Entwurfes ab, stimmte der KPD-Vorlage aber insgesamt zu:[31] „Zu den allgemeinen Ausführungen des Zentralkomitees haben wir im großen und ganzen nichts hinzuzufügen. Sie stimmen im wesentlichen mit dem überein, was wir selber zu sagen hätten.“
Damit akzeptierte die SPD-Führung eine Entschließung, die bei den eigenen Mitgliedern wie in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckte, als stünde die SPD in der SBZ unmittelbar vor der Verschmelzung mit der KPD. Denn in der Resolution verpflichteten sich Kommunisten und Sozialdemokraten „überall neue Schritte zur Entfaltung der antifaschistischen Aktionseinheit“ zu unternehmen, gemeinsame Wahlprogramme zu formulieren, um über diese „Erweiterung und Vertiefung“ der Aktionseinheit den „Auftakt zur Verwirklichung der politischen und organisatorischen Einheit der Arbeiterbewegung, d.h. zur Verschmelzung zu einer einheitlichen Partei“ zu geben. Darüber hinaus hatte sich die Konferenz bereits auf die Grundlinien der programmatischen Orientierung der künftigen Partei verständigt, das Erscheinen der Zeitschrift „Einheit“ im gemeinsamen Verlag „Einheit“ angekündigt und „gemeinsame Zirkel und Schulungstätigkeit“ vereinbart.[32]
Dass diese gemeinsame Erklärung ein Kompromissprodukt war, konnte der ZA den Funktionären im Lande nicht eindeutig vermitteln. Zwar übersandte der Berliner Vorstand allen Landesausschüssen und Bezirksverbänden am 12. Januar interpretierendes Material, in dem unter anderem auf die von den SPD-Delegierten bewirkten Veränderungen des ZK-Entwurfes verwiesen wurde, und bekräftigte mit einem Beschluss vom 15.Januar seine Verschmelzungsversion. In den Ländern, Kreisen und Grundorganisationen aber herrschte aufgrund der Beschlüsse der Sechziger Konferenz der Eindruck vor, der ZA und die Repräsentanten der Landesvorstände hätten sich mit der KPD auf die rasche Verschmelzung verständigt. Insbesondere die Landesvorstände, die besonders in Mecklenburg, Thüringen und Sachsen in ihren Spitzen ohnehin die Einheit wollten, begegneten dem von der KPD initiierten und seit November 1945 von der SMAD unterstützten neuerlichen Einheitsdruck ohne nennenswerten Widerstand.[33]
In den Betrieben und Grundorganisationen kam es zu Zusammenschlüssen und Einheitskundgebungen, auch SPD-Kreise verlangten nun eine schnelle Vereinigung. Auch die Gewerkschaftswahlen waren von der KPD – entgegen der Vereinbarung über den Verzicht auf parteipolitische Akzentuierung dieser Wahlen – dazu genutzt worden, die Einheitsbewegung zu stärken.
In den Westzonen steigerte Schumacher in der gleichen Zeit seine antikommunistische Agitation und setzte unter dem Eindruck der Beschlüsse der Sechziger Konferenz auf SPD-Funktionärsveranstaltungen der britischen und amerikanischen Zone, an der auch Vertreter aus dem französischen Besatzungsgebiet teilnahmen, eine Entschließung durch, in der er feststellen ließ, dass in Anbetracht der besatzungspolitischen Situation Deutschlands die organisatorische Einheit der SPD nicht gegeben sei und deshalb „Abmachungen und Beschlüsse der Partei in der östlichen Besatzungszone nicht bindend oder richtungsweisend für die Sozialdemokratische Partei in den westlichen Besatzungszonen“ sein könnten.[34]
Anfang Februar wurde Grotewohl vom SMAD-Vorsitzenden Shukow deutlich gemacht, dass die Position des ZA angesichts der fehlenden Voraussetzungen für eine nationale Verschmelzung der Arbeiterparteien unhaltbar geworden sei und ein Festhalten an ihr bedeute letztlich die Ablehnung jeder Vereinigung. Nur einige Zeit später musste Grotewohl bei einem zweiten Treffen mit Schumacher erfahren, dass die Führung der West-SPD nicht die Absicht hatte, die Hinhaltetaktik des ZA zu unterstützen. Schuhmacher sah für die Ost-SPD nur die Alternative „Eroberung der Sozialdemokratischen Partei durch die KPD oder Auflösung.“[35]
Derart von den Genossen im Westen ausgebremst, von der SMAD bedrängt und unter dem Druck der von der KPD beschleunigten Einheitsbewegung an der Parteibasis, gab der ZA seine Verzögerungspolitik auf. Er hatte die eigene, aufgrund seiner prinzipiellen Einheitsbereitschaft ohnehin widersprüchliche, taktische Flexibilität ebenso überschätzt wie die Kooperationsbereitschaft der westdeutschen SPD-Führung. Zudem hatte er die Stärke der Einheitsbewegung in der eigenen Partei wie die Bereitschaft der KPD, den Klärungsprozess innerhalb der ostdeutschen Sozialdemokraten abzuwarten, falsch interpretiert. Am 11. Februar, nach Aufforderung der KPD, die Einheit am 1. Mai zu vollziehen, beschloss der ZA, „der Mitgliedschaft der Partei alsbald die Einheit der beiden Arbeiterparteien zur Entscheidung vorzulegen. Er begründete seine Entscheidung damit, dass „die Verhandlungen mit den Vertretern der westlichen Zonen ergeben haben, dass „die Einberufung eines Reichsparteitages auf absehbare Zeit nicht möglich “sei. Der ZA beschloss die Einberufung von Bezirks- bzw. Landesparteitagen und legte fest, dass ein SPD-Parteitag für die SBZ über die Vereinigung entscheiden solle.[36]
Über die entscheidenden Sitzungen des ZA berichtete das spätere Mitglied des Parteivorstandes der SED, Erich W. Gniffke: [37]„Alle Reden – kühl und sachlich vorgetragen – wurden von den Anwesenden nachdenklich, ohne Pro- oder Kontra- Bezeugungen aufgenommen. (…) Dabei wurde offenbar, daß man in den Landesvorständen schon sehr viel weiter war, als wir angenommen hatten. Während wir im Zentralausschuß ständig über das Für und Wider diskutiert hatten, war man sich im Lande auch in der Terminfrage einig geworden. Max Fechner beendete die Diskussion ohne eigene Stellungnahme mit der Aufforderung: ‚Genossen, wer dafür ist, dem Antrag der KPD zuzustimmen, einen Vereinigungsparteitag zu Ostern oder zum 1. Mai einzuberufen, den bitte ich um ein Handzeichen.’ Fechner zählte laut, ließ die Gegenprobe machen, und nachdem er die Stimmenthaltungen festgestellt hatte, erklärte er: ‚Die zweiten Stimmen waren mehr, der Antrag ist damit abgelehnt.’ Da brach ein unbeschreiblicher Tumult aus, es wurde geschrien und wild gestikuliert. (…) Unmöglich herauszufinden, wer auf wen einredete. Alle sprachen in höchster Lautstärke, oft über die Köpfe der anderen hinweg, die miteinander stritten, um sich wieder heftig anderen verständlich zu machen. Die Sitzung drohte aufzufliegen. Laute Rufe wie:’ Wir sagen uns los vom Zentralausschuß’ – ‚Wir machen die Vereinigung auf Landesebene!’ wurden vernehmbar. Nach einem halbstündigen Durcheinander gelang es Fechner, die Ruhe wenigstens einigermaßen wiederherzustellen. Er kündigte an, dass die Genossen Harnisch (Mitglied des ZA) und Weimann (Mitglied des ZA) eine Erklärung abgeben wollten. Harnisch und Weimann erklärten kurz, daß sie sich bei der Abstimmung geirrt hätten. Sie wollten für den Vereinigungstermin stimmen und nicht gegen ihn. Daraufhin stellte Fechner fest, daß die Abstimmung unentschieden verlaufen sei, und vertagte die Sitzung auf den folgenden Tag, 9 Uhr vormittags. 11. Februar: Noch einmal wurde das Für und Wider diskutiert, doch ohne die Leidenschaftlichkeit des Vortages. Grotewohl beteiligte sich überhaupt nicht an der Diskussion, sondern erklärte nur kurz: ‚Ich bleibe, komme, was mag, bei meinen Genossen in der Ostzone.’ Fechner ließ nun erneut abstimmen. Dieses Mal entschied sich die Mehrheit für die Vereinigung im April. Darauf erklärte Gustav Dahrendorf seinen Rücktritt, zog ihn aber auf meine Bitte wieder zurück.“
Nach Moraw war die Fragestellung bei der ersten Abstimmung tatsächlich höchst missverständlich. Fechner ließ über einen Dahrendorf-Text abstimmen, der drei Anträge erhielt:[38]
- dass an kommenden Tage keine Fusionserklärung auf dem parallel zum ZA tagenden 1. Delegiertenkongress des FDGB abgegeben werden sollte;
- dass die Diskussion über die Vereinigung zu vertagen sei;
- am kommenden Tage darüber zu entscheiden, ob die SPD aufgelöst werden sollte.
Für diesen konfusen Antrag ergab sich eine 9:5 Mehrheit. Die zweite Entscheidung am 11.Februar über das Datum der Fusion endete laut Moraw mit acht gegen drei Stimmen. Für die Vereinigung stimmten die Vorsitzenden aller fünf Landesverbände.
Am 21-22. April trat ein gemeinsamer Parteitag zusammen und beschloss einstimmig die Vereinigung beider Parteien zur SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Ihm waren Parteitage beider Organisationen in allen SBZ-Ländern vorausgegangen, die der Vereinigung zustimmten und die Delegierten für den Vereinigungsparteitag wählten.
Der Vereinigungsparteitag beschloss mit den „Grundätzen und Zielen“ das Programm der SED.[39] In seinen wesentlichen Passagen spiegelte sich der Versuch wider, Momente der politischen Zielsetzungen beider Parteien zu vereinheitlichen. Die SED verständigte sich auf das Ziel der „Herstellung der Einheit Deutschlands als antifaschistische, parlamentarisch-demokratische Republik“, schlug den Ausbau der Selbstverwaltung durch demokratisch durchgeführte Wahlen vor, sprach sich wirtschaftsdemokratisch, für die „gleichberechtigte Mitwirkung der Gewerkschaften in den in Wirtschaftskammern“ zusammengefassten Unternehmen aus und plädierte für die „Beseitigung der kapitalistischen Monopole“. Als Fernziel formulierte die Partei den Kampf für „die Verwandlung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum, für die Verwandlung der kapitalistischen Warenproduktion in eine sozialistische, für die Gesellschaft betriebene Produktion“. Zugleich erklärte die SED: „Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands erstrebt den demokratischen Weg zum Sozialismus, sie wird aber zu revolutionären Mitteln greifen, wenn die kapitalistische Klasse den Boden der Demokratie verlässt.“[40]
Zusammen mit dem Programm beschloss der Kongress ein Organisationsstatut, das in wesentlichen Momenten der Organisationsweise der deutschen Sozialdemokratie entsprach, und vorsah, die Parteivorstände auf allen Ebenen paritätisch, d.h. mit der gleichen Zahl von Sozialdemokraten und Kommunisten zu besetzen. Tatsächlich aber setzten sich im SED-Apparat sehr schnell die KPD-Kader durch. Die ehemaligen KPD-Mitglieder waren aktiver und schalteten ihre früheren sozialdemokratischen Genossen aus.
In den Entscheidungen des Vereinigungsparteitages zeigt sich der Erfolg dreier durchaus unterschiedlicher Interessen.[41] Einerseits hatte Kurt Schumacher mit der Niederlage der ursprünglichen Vereinigungskonzeption des SPD-ZA den Sieg seines Verständnisses von sozialdemokratischer Politik – die Verbindung von nationaler und radikaldemokratischer Zielsetzung – in der West-SPD absichern zu können. Er hatte durch seine Weigerung, dem ZA wenigstens taktisch entgegenzukommen, linken Alternativen zu seiner in der Konsequenz eher traditional sozialdemokratischen Politik im Westen Deutschlands faktisch den Boden entzogen.
Andererseits hatten KPD und SMAD durch die Ausschaltung seiner dort quantitativ und womöglich stärkeren sozialistisch-demokratischen Alternative der separaten Transformation voran zu helfen vermocht. Denn anders als Kaden annahm, konnte die Einheitskampagne der KPD im September 1945 keineswegs mehr dem Ziel dienen, der Sowjetunion über die Verschmelzung von KPD und SPD in ganz Deutschland bestimmenden Einfluss zu verschaffen. Die Hindernisse, die einem solchen Vorhaben im Wege standen, waren zu dieser Zeit allzu deutlich erkennbar: der Widerstand des von Schumacher inspirierten und von den anglo-amerikanischen Besatzungsmächten unterstützten westdeutschen SPD-Funktionärskorps und die im Hinblick auf Parteigründungen zwar uneinheitliche, gegenüber der KPD jedoch einheitlich skeptische-feindliche Politik aller westlichen Okkupationsbehörden. Was die KPD anfangs taktisch durchaus als Mittel nationaler Politik akzentuiert hatte, nämlich die Vereinigung der Parteien, diente deshalb strategisch einem ganz anderen Ziel. Mit der Bildung der Einheitspartei unternahm die KPD den Versuch, durch den Ausbau der Einheitsfront zur SED die politisch-organisatorischen Bedingungen zu schaffen, die für die weitere Transformation der SBZ-Gesellschaft angesichts der Widersprüche zwischen den Siegermächten und der nahen Wahlen notwendig waren, früher notwendig als in den ost- und südosteuropäischen Ländern, in denen sich die Fusion der Arbeiterparteien erst 1948 als politisch erforderlich erwies.
Drittens schließlich aber erzielten auch jene Sozialdemokraten einen Erfolg, die von allem Anfang an auf die Vereinigung mit der KPD hingearbeitet hatten. Die Konstanz dieser Strömung innerhalb der SPD und KPD ist durch den 1948 geprägten und seither in der Forschung gängigen Begriff der „Zwangsvereinigung“ immer wieder unterbewertet worden. Denn tatsächlich war es nicht allein der Widerspruch zwischen Einheitsbereitschaft und programmatischer Annäherung auf der einen und politischer Differenz auf der anderen Seite, die den Vereinigungsprozess bestimmte. Es war auch nicht allein das Gemisch von politischem Druck und kalkulierter physisch-psychischen Pression (Redeverbote, Verhaftungen, materielle Benachteiligungen usw.) gegen einheitsunwillige Sozialdemokraten, der den Einheitsprozess in Gang brachte. Neben allen Differenzen und trotz allen Drucks war die Vereinigung auch getragen von einem starken Einheitswillen in der SPD-Mitgliedschaft, besonders in den SPD-Betriebsgruppen und repräsentiert von Funktionären der Länder und des Zentralausschusses.
Einer Sichtweise wie dieser widerspricht auch nicht das Ergebnis der Urabstimmung vom 31.03.1946 in der Westberliner SPD. Zwar spiegelt ihr Resultat wohl auch einen beträchtlichen Teil der in der Ost-SPD verbreiteten Ablehnung und des Unbehagens an den Verschmelzungsmethoden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Urabstimmung in einer vom Kontext der SBZ-Debatten unterschiedlicher Kampfsituation stattfand, unter Bedingungen eines die Einheitsgegner fördernden politischen Klimas. In Westberlin boten sich den Einheitsgegnern in der SPD – auch unter dem hier unmittelbarem Einfluss Kurt Schumachers – alle Möglichkeiten zur unbehinderten Agitation für ihre politische Konzeption.[42] Sie hatten im liberal-konservativen „Tagesspiegel“, der bis 1946 einzigen Westberliner Tageszeitung, einen zwar nicht SPD-gebundenen, doch durchaus bereitwilligen Propagandisten, der nicht allein Informationen aus den Westberliner SPD-Abteilungen, sondern vor allem Nachrichten aus der Ost-SPD und der KPD verbreitete, zudem antikommunistisch über die Entwicklung in der SBZ berichtete und im Zeichen des beginnenden Kalten Krieges nachhaltig die Politik der Westmächte unterstützte, die schon sehr früh darauf ausgerichtet war, dem Einfluss der SMAD bzw. der KPD auf nichtkommunistische Politiker und Parteien entgegenzuwirken.
Dass es in der SBZ gerade die Betriebsgruppen waren, die – in Kooperation mit den KPD-Organisationen – auf die mittleren und oberen Parteiränge der SPD Druck ausübten, kann nicht nur auf die intensiven Bemühungen der KPD um diese SPD-Parteieinheiten zurückgeführt werden und erklärt sich auch nicht nur aus der traditionellen Vernachlässigung dieser Organisationseinheiten durch die SPD-Vorstände.
Ein weiteres Motiv für die Annäherung von sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitern folgte auch aus den Erfahrungen, die beide beim Wiederaufbau gemacht hatten, aus Erfahrungen, die zumindest im ersten Nachkriegsjahr dazu beitrugen, die politische Kluft zwischen ihnen zu schließen und Aktionseinheiten herzustellen.
[1] Trost, G.: Sozialismus: Dokumentensammlung, Berlin 1990, S. 100
[2] Ebd. S., 141ff
[3] Ebd. S., 156f
[4] Ebd. S., 176f
[5] Ebd. S. 185
[6] Ebd. S. 231ff
[7] Eder, N.: Revolutionäre deutsche Parteiprogramme, Berlin 1962, S. 14
[8] Malycha, A.: Die SED. Geschichte ihrer Stalinisierung 1946-1953, Berlin 2000, S. 22
[9] Trost, Sozialismus: Dokumentensammlung, a.a.O., S. 254
[10] Ebd. ,S. 267
[11] Ebd., S. 278
[12] Ebd., S. 299
[13] Ebd., S. 356
[14] Mattedi, N.: Gründung und Entwicklung der Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1949, 2. Auflage, Bonn/Berlin 1988, S. 130ff
[15] Ebd., S. 136
[16] Ebd., S. 144
[17] Ebd., S. 147
[18] Ebd., S. 154ff
[19] Ebd., S. 188f
[20] Ebd., S. 192
[21] Ebd., S. 196
[22] Zitiert aus Werner, K.: Otto Grotewohl, Berlin 1990, S. 100
[23] Ebd., S. 116f
[24] Ebd., S. 118
[25] Mattedi, Gründung und Entwicklung der Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1949, a.a.O., S. 179ff
[26] Ebd. S. 186
[27] Werner, Otto Grotewohl, a.a.O., S. 154-156
[28] Ebd., S. 161
[29] Nommen, P.: Die Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Leipzig 1991, S. 166
[30] Werner, Otto Grotewohl, a.a.O., S. 200ff
[31] Ebd., S., 213
[32] Ebd., S. 244ff
[33] Mattedi, Gründung und Entwicklung der Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1949, a.a.O., S. 199
[34] Hohlfeld, Dokumente der deutschen Politik und Geschichte, Band VI., a.a.O., S. 365
[35] Ebd., S. 371
[36] Mattedi, Gründung und Entwicklung der Parteien in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschland 1945-1949, a.a.O., S. 221f
[37] Ebd., S. 227ff
[38] Moraw, Die Parole der „Einheit“ und die deutsche Sozialdemokratie, a.a.O., S. 190ff
[39] Ebd., S. 195f
[40] Ebd., S. 198ff
[41] Ebd., S. 201ff
[42] Brohler, T.: Antikommunismus in Berlin, Berlin 2001, S. 186