Hoyerswerda 1991-ein Rückblick
Die sächsische Stadt Hoyerswerda erhielt durch die pogromartigen Ausschreitungen extrem rechter Jugendlicher gegen ausländische Vertragsarbeiter und die örtliche Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAST) zwischen dem 17. und dem 23.9.1991 bundes- und weltweit traurige Berühmtheit.
Pogrom in Hoyerswerda 1991- ein Rückblick
Einige Kilometer nördlich der Stadt Hoyerswerda entstand 1955 das Braunkohleveredelungswerk (Kombinat) Schwarze Pumpe, für dessen Beschäftigte Wohnraum geschaffen werden musste. Ab 1957 stieg der Bedarf an Wohnungen immer mehr, so wurde erstmals in Großblock- und Plattenbauweise Wohnraum geschaffen. Es entstand eine sozialistische Stadt. Sozialistische Großstadt, mit insgesamt zehn Wohnkomplexen und mehreren zehntausend Wohnungen. Für die Arbeit im Kombinat Schwarze Pumpe wurden seit den 1980er Jahren auch Vertragsarbeiter_innen aus befreundeten Staaten angeworben.
Seit Anfang der 1980er Jahre kamen Vertragsarbeiter im Rahmen eines Regierungsabkommens zwischen der DDR und Mosambik bzw. Vietnam nach Hoyerswerda.[1] Anfang des Jahres 1991 kamen Asylbewerber vor allem aus Rumänien, der Türkei, Kamerun und Ghana in die sächsische Kleinstadt.[2]
Die für eine begrenzte Zeit in der DDR lebenden Vertragsarbeitskräfte aus Angola, Kuba, Mosambik, Polen oder Vietnam wurden separiert von der einheimischen Bevölkerung in Wohnheimen untergebracht, so dass ein intensiver Austausch zwischen Vertragsarbeitern und der DDR-Bevölkerung nicht möglich war.[3] In den Medien der DDR gab es kaum Informationen über die ausländischen Arbeitskräfte. Der Inhalt der Regierungsabkommen unterlag der Geheimhaltung der staatlichen Organe, Zahlen über die Anzahl der Vertragsarbeiter durften nicht genannt werden. Die Vertragsarbeiter wurden in eigenen Wohnheimen von der DDR-Bevölkerung separiert und damit gettoisiert. Thomä-Venske stellte fest: „Die Verdrängung der Ausländer in der Öffentlichkeit, ihre Zusammenballung in Wohnheimen, die fehlenden Begegnungsmöglichkeiten, das Verbot der Selbstorganisation, die teilweise vom Staat verhängte Kontaktsperre nicht nur gegenüber den Kirchen haben dazu beigetragen, daß Deutsche und Ausländer sich nicht kennenlernten.“[4]
Die Ausschreitungen hatten eine lange Vorgeschichte, ein „allgemein rassistisches Brodeln“[5] war lange vorher erkennbar. Schon zu DDR-Zeiten wurden die Vertragsarbeiter in Geschäften oder Kneipen, wenn überhaupt, meist unfreundlich bedient und auf der Straße häufig rassistisch beschimpft. Es verbreiteten sich Gerüchte, Mosambikaner würden ständig deutsche Frauen belästigen und sogar vergewaltigen. Dies war aber keine Ausnahmeerscheinung in der ehemaligen DDR. Bei einer im Jahre 1990 in Auftrag gegebene Studie zum Thema „Ursachen, Umfang und Auswirkungen von Ausländerfeindlichkeit auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und zu den Möglichkeiten ihrer Überwindung“ zeigte sich, dass die überwiegende Mehrheit der befragten Migranten in der DDR schon mindestens einmal von Deutschen beschimpft oder beleidigt wurden.[6] Jeder fünfte befragte Migrant machte die Erfahrung, in Gaststätten nicht bedient worden zu sein, und ebenfalls ein Fünftel gab an, von Deutschen tätlich angegriffen und geschlagen worden zu sein. Diese Studie macht deutlich, dass selbst militante Formen von Rassismus in der ehemaligen DDR keine Ausnahmefälle darstellten. Die DDR-Bürger nannten schon lange vor der „Wiedervereinigung“ Vietnamesen „Fidschis“ und Afrikaner „Kohle“.[7]
In den Braunkohlegruben, wo Deutsche und Arbeitsmigranten zusammenarbeiteten, kam es häufiger zu Schlägereien. Im April 1991 notierten die DDR-Behörden 14 von deutschen Jugendlichen provozierte Auseinandersetzungen mit Vertragsarbeitern. Ein Betroffener erzählte:[8] „Schon vorher durften wir uns nirgendwo sehen lassen. In der Disco tanzen? Eh, Neger, weg da! Im Restaurant essen? Das nächste Mal bringst du dir dein eigenes Besteck mit! Oder sollen wir etwa mit derselben Gabel essen? Es war schrecklich. Wir hatten gehofft, hier Zuflucht zu finden vor den schrecklichen Erlebnissen in unseren Heimatländern. Aber es kam noch schlimmer.“
Ein anderer Betroffener schilderte die Situation in Hoyerswerda folgendermaßen: „In Hoyerswerda waren Vietnamesen, Äthiopier, Rumänen, Jugoslawen, Kameruner, Ghanesen, Senegalesen, Angolaner... Wir kamen aus verschiedenen Orten. Einige aus Frankfurt, andere kamen aus Berlin und es gab auch welche, die aus Zittau kamen, die ihr Verfahren im Osten begonnen haben. Manche kamen auch aus Niedersachsen. Wir kamen zuerst nach Chemnitz. Von dort wurden wir nach Hoyerswerda geschickt. Am Anfang fühlten wir uns gut aufgenommen. Nach einem Monat stellten wir fest, dass die Bevölkerung uns nicht gut gesonnen war. Man beleidigte uns, man bedrohte uns auf der Straße, sie griffen uns an, sie belästigten uns. So waren wir gezwungen, nur noch in Gruppen auszugehen. Gingst du raus zum Telefonieren gab es Probleme; gingst du einkaufen, wurdest du bedroht, all das. So haben wir schnell verstanden, dass die Leute von Hoyerswerda uns nicht mochten“.[9]
Am 1.5.1991 kam es auf dem „Rummelplatz“ der Stadt zu einer Massenschlägerei zwischen ca. 200 deutschen Jugendlichen und 50 Mosambikanern. Da die Überzahl der deutschen Schläger zu groß wurde, zogen sich die Afrikaner in ihr Wohnheim zurück, was daraufhin Ziel von Steinen wurde. Die deutschen Angreifer wurden dabei von ca. 1.000 Schaulustigen angefeuert. Die Angriffe wurden erst beendet, als die Polizei den Vorplatz des Wohnheimes räumen ließ.
In Hoyerswerda waren Migranten in den nächsten Monaten kaum noch ihres Lebens sicher; sie wurden mit Leuchtspurmunition beschossen, Molotowcocktails und Steine flogen auf ihre Unterkünfte.[10] Seit dem Sommer hatte es Beschwerden von Nachbarn über „Lärm- und Geruchsbelästigung“, „bettelnde Kinder“, „im Müll wühlende Neger“ und „Schrottlauben auf den Gehsteigen“ gegeben; ein Klima des Hasses war entstanden.
Am 18.7.1991 alarmierte der Landesrat des Kreises Hoyerswerda, Wolfgang Schmitz, den damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Biedenkopf (CDU) in einem Brief, dass die Sicherheit der Arbeitsmigranten nicht mehr gewährleistet sei. Biedenkopf ignorierte jedoch die Befürchtungen seines Parteifreundes.[11]
So kam es „nach der Reichspogromnacht 1938 der Nationalsozialisten“ zu „ungefähr dem Schlimmsten, was sich auf deutschem Boden abgespielt hat.“[12] Vom 17.-22.9.1991 randalierten und brandschatzten zunächst etwa 50, später bis zu 200 extrem rechte Jugendliche in Hoyerswerda. Zunächst attackierten sie das Wohnheim in der Albert-Schweitzer-Strasse, in dem die mosambikanischen Vertragsarbeiter untergebracht wurden. Später griffen die Neonazis die ZAST in der Thomas-Müntzer-Strasse an.[13] Unterstützt wurden die Neonazis von mehreren hundert Zuschauern, die selbst Steine schmissen, die Neonazis anfeuerten oder Benzin für Brandbomben organisierten. Der Journalist Andreas Borchers schrieb:[14] „Nach Feierabend ziehen Hunderte, mit Bierbüchsen und Kaffeekannen ausgestattet, teilweise Kleinkinder auf den Armen haltend, in die Albert-Schweitzer-Straße, um die angreifende Meute moralisch zu unterstützen. Sie klatschen rhythmisch in die Hände, brüllen im Chor ‚Ausländer raus’ und ‚Deutschland den Deutschen’.“
Ab dem 18.9. wurde in den Nachrichtensendungen aller Fernsehkanäle (teilweise live) aus Hoyerswerda berichtet. Noch am 20.9. erklärte der sächsische Innenminister Krause (CDU), dass er trotz der Ausschreitungen eine groß angelegte Polizeiaktion vermeiden wollte.[15] Erst am folgenden Tag war die Polizei mit einem größeren Aufgebot vor Ort.[16] Am Morgen des 21. September wurden die Flüchtlinge unter SEK-Begleitung mit Bussen auf Unterkünfte im Umland verteilt.Die Ausschreitungen endeten mit der „Abreise“ der ArbeitsmigrantInnen aus Hoyerswerda am 23.9 und damit der administrativen Umsetzung der Neonazis nach „Neger- und Zigeunerfreiheit“ in der Stadt. Sogar die abfahrenden Busse wurden mit Steinen beschmissen und beschädigt. Dabei wurde ein Vietnamese durch einen Steinwurf schwer verletzt, ein Arzt wurde nicht gerufen.[17] Bei diesen rassistischen Ausschreitungen wurden insgesamt 32 Menschen verletzt.
Mitglieder der der neonazistischen Partei Deutsche Alternative (DA) waren nachweislich an gewaltsamen rassistischen Ausschreitungen in Ostdeutschland wie auch in Hoyerswerda beteiligt.[18] Das Pogrom von Hoyerswerda wurde von der Führung der DA als „Front von Bürgern und Nationalisten“ gefeiert und als ein Etappenziel betrachtet „Mitteldeutschland ausländerfrei“ zu machen.[19]
Bei der Etablierung neonazistischer Strukturen in der DDR und den fünf neuen Bundesländern kam der DA eine wichtige Rolle zu. Im Rahmen des von Michael Kühnen und der Führung der DA im Januar 1990 erstellten „Arbeitsplan Ost“ sollte zusammen mit der DA die „legale Partei“ der neonazistischen Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) geschaffen werden.[20] Die DA wurde am 5.5.1989 in Bremen von Kühnen-Anhängern des Landesverbandes Bremen der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) gegründet. In ihrem Parteiprogramm verfolgte die DA das Ziel, das „Deutsche Reich wiederherzustellen“ und forderte die „Rückgewinnung der geraubten Ostgebiete.“[21] Die Westpartei bildete die organisatorische Grundlage für den Parteiaufbau in der DDR. Auf dem Parteitag am 13.1.1990 in der Nähe von Bonn wurde Walter Matthaei, der Gründer der neonazistischen Wiking-Jugend, zum „Reichsführer“ gewählt. Ende Januar wurde ein „Arbeitsplan Ost“ verabschiedet, der den Aufbau selbständiger Strukturen in Ostdeutschland propagierte.
Ein deutscher Bewohner der Albert-Schweitzer-Strasse äußerte sich folgendermaßen über das Pogrom in seiner Nachbarschaft:[22] „Gegen die Polacken, die Fidschis und die Alis hatten wir ja nichts. Aber die Neger sind zuviel. Wir sind beide arbeitslos, aber die Neger, die haben Arbeit, die Neger. Die spielen sich hier auf, als wären die der König der Albert-Schweitzer-Strasse.“
Der Langener Neonazi Heinz Reisz bejubelte öffentlich die Ausschreitungen in Hoyerswerda:[23] „Ich hoffe, daß der Funke jetzt in Gesamtdeutschland zündet.“ Er hielte es für angemessen, wenn „den Jungs, die in Hoyerswerda gekämpft haben, das Bundesverdienstkreuz verliehen“ würde. Die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokaten, schrieb in ihrem Propagandaheft „Angriff“ folgendes:[24] „In Hoyerswerda gelang den deutschen Freischärlern der erste große Durchbruch. Nachdem die Stadt von den eingedrungenen Zigeunern, Negern und sonstigen Invasoren monatelang terrorisiert wurde, setzte sich die Bevölkerung heldenhaft zur Wehr. Nach tagelanger Belagerung sah sich das deutschfeindliche Regime in Bonn gezwungen, seine ausländischen Hilfstruppen von Hoyerswerda abzuziehen.“
Die in der Stadtverordnetenversammlung von Hoyerswerda vertretenen Parteien (CDU/DSU, SPD, FDP, PDS, Grüne/fdj/DFD) sorgten sich in einer Erklärung mehr um das Image ihrer Stadt als um die angegriffenen Migranten:[25] „Die Abgeordneten der Stadtverordnetenversammlung bedauern zutiefst, daß unsere Stadt durch die Ereignisse der zurückliegenden Tage in negativer Weise in die Schlagzeilen und Sensationsberichterstattung der Medien geraten ist.“
Am 29.9.1991 trat der sächsische Innenminister Krause wegen heftiger Kritik an seiner Person zurück. Die als „Rädelsführer“ identifizierten Personen wurden am 25.2.1992 vom Bautzener Landgericht lediglich zu je 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der Straftatbestand des versuchten Mordes wurde von der Judikative zurückgewiesen.[26]
Die Ausschreitungen von Hoyerswerda waren ein Fanal für eine Welle neonazistischer Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte im gesamten Bundesgebiet. Zwei Tage nach dem Ende der Ausschreitungen in Hoyerswerda wurde ein Ghanaer bei einem Brandanschlag von Neonazis in einem Ausländerwohnheim in Saarlouis getötet. Bis zum Jahresende 1991 wurden ca. 1.500 weitere extrem rechte Gewalttaten registriert, davon 150 Brandanschläge.[27] Die Zahl der tatsächlich begangenen Straftaten aus rassistischer Motivation dürfte um ein Vielfaches höher sein.
In der bürgerlichen Presse wurden die Geschehnisse in Hoyerswerda verharmlost und ein politisches Eingreifen gegen die „Asylantenschwemme“ gefordert. So schrieb die BILD-Zeitung:[28] „Wer ist schlimmer: Die Skinheads, die Brandsätze gegen die Asylantenheime schleudern, oder Politiker, die schlau reden und tatenlos zusehen? (…) Das zeigt, wer in diesem Herbst handelt und wer abwartet.“ Der Rheinische Merkur folgerte:[29] „Wenn weiterhin Ströme von Fremden in das Land schwappen und keine erfolgreichen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung sichtbar werden, dann in der Tat könnte die Ablehnung in der Bevölkerung zu gewaltsamen Eruptionen führen, für die Hoyerswerda das Menetekel ist.“
Konservative Politiker instrumentalisierten die Ereignisse von Hoyerswerda für ihre eigenen Zwecke. Ein Beispiel dafür war der CDU-Politiker Eckart Schiffer, der bemerkte:[30] „Die Bürger würden es nicht hinnehmen, wenn sie ihre ureigene, am nächsten liegende Lebens- und Erfahrungssphäre durch Überfremdung gefährdet glauben. Heimat im Sinne einer Erhaltung vertrauter Umwelt ist, nicht zuletzt im Hinblick auf die Krise des Lebens, so etwas wie ein kollektives Menschenrecht. Heimat darf nicht zu sehr an Prägung und Substanz verlieren, wenn sie in einer täglich komplizierter werdenden Umwelt weiterhin Halt gewähren soll.“
Nach dem Pogrom ging die rassistische Hetze weiter. Die Neonaziszene in Hoyerswerda trat selbstbewusster auf, weil sie sich weiterhin der Unterstützung und schweigenden Zustimmung aus der Bevölkerung sicher sein konnte. Zum Angriffsziel der Neonazis wurden neben Migranten alternative und antifaschistische Jugendliche aus Hoyerswerda und Umgebung. Der Höhepunkt dieser Entwicklung waren zwei von Neonazis verübte Morde. Auf die Angriffe von Hoyerswerda folgten weitere Angriffe auf Flüchtlingsheime in Deutschland, darunter im Jahr 1991 in Thiendorf (Sachsen) mit acht Verletzten sowie Brandanschläge in Freital (Sachsen), Bredenbeck (Niedersachsen), Münster (Nordrhein-Westfalen), March (Baden-Württemberg) und Tambach-Dietharz (Thüringen) .
Auch nach den Ereignissen dominierte in der Stadt die rechte Gewalt. Sie richtete sich gegen ausländische Geschäftsbetreiber_innen, alternative Jugendliche und jede(n), der/die sich gegen Neonazismus aussprach.. Regelmäßig kam es zu Überfällen auf ein besetztes Haus und auf der Straße dominierte ein beinahe schon systematisches gewalttätiges Vorgehen, was eine Vielzahl linker Jugendlicher schließlich veranlasste, die Stadt zu verlassen. Türkische Imbissstuben wurden niedergebrannt, griechische und asiatische Restaurants und deren Betreiber_innen angegriffen.
Der Höhepunkt dieser Entwicklung waren zwei von Neonazis verübte Morde. In der Nacht zum 11. Oktober 1992 wurde die Aushilfskellnerin Waltraud Scheffler bei einem Überfall auf ein Lokal in Geierswalde bei Hoyerswerda so schwer verletzt, dass sie 13 Tage später starb. Scheffler hatte versucht, auf die mit „Sieg Heil“-Rufen eindringenden Skinheads einzureden. Doch ein Neonazi schlug ihr mit voller Wucht eine Holzlatte auf den Kopf Im Februar 1993 griffen Neonazis eine Feier von alternativen Jugendlichen in Hoyerswerda an und schlugen dabei den Techniker der Gothic-Metal-Band, Mike Zerna, aus Spremberg brutal zusammen. Dann kippten sie ein Auto auf den am Boden liegenden Zerna. Sechs Tage später erlag er seinen Verletzungen.
Für Ende Januar 1996 wurde von Neonazis in Hoyerswerda eine Demonstration unter dem Motto „Die deutsche Reichsgründung“ angemeldet. Für die Veranstaltung wurde mit Einladungsschreiben und über das „Nationale Info-Telefon Berlin“ geworben. Obwohl die Demonstration verboten wurde, reisten ca. 200 Teilnehmer an; 31 Neonazis kamen vorübergehend in Polizeigewahrsam.[31]
Die Jungen Nationaldemokraten (JN) organisierten im Jahr 2006 einen Gedenkmarsch, an dem 200 Personen teilnahmen, die den 15. Jahrestag der Ausschreitungen feierten.
Als Medium des „Nationalen Widerstandes“ agierte das „Nationale Infotelefon Sachsen“ (NIT) in Hoyerswerda, das über Veranstaltungstermine der rechten Szene informierte. Die Betreiber des NIT bezeichneten sich als „Freie Aktivisten Hoyerswerda“ (FAH). Die „Freien Aktivisten Hoyerswerda“ waren Mitherausgeber der neonazistischen Mitteldeutschen Jugendzeitung (MJZ) und waren Mitglied im „Nationalen und sozialen Aktionsbündnis Mitteldeutschland“ (NSAM), einem überregionalen Bündnis neonazistischer Kameradschaften ostdeutscher Bundesländer, das einen „nationalen Sozialismus“ und eine „Volksfront von rechts“ propagierte.
Am 12.9.2011 waren drei Betroffene des rassistischen Pogroms von 1991 erneut in Hoyerswerda – und wurden vor dem ehemaligen Vertragsarbeiterheim erneut von Angehörigen der neonazistischen Szene in Hoyerswerda beleidigt und bedroht.[32] Die drei Mosambikaner wollten mit einem Kamerateam das Haus besuchen, in dem einer von ihnen vor 20 Jahren wohnte. Dort wurden sie von einer Gruppe Neonazis angepöbelt. Mehr als 20 Minuten lang imitierten die extremen Rechten Affenlaute und beschimpften die ehemaligen Vertragsarbeiter mit Worten wie „Bimbo“ und „Neger“.
Zum 21. Jahrestag der ausländerfeindlichen Pogrome von Hoyerswerda hatten in der sächsischen Stadt mehrere hundert Menschen gegen Rassismus demonstriert. An der Demonstration beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 450 Menschen, die Veranstalter sprachen von 500 Teilnehmern. Neonazis haben nach einer Gedenkdemonstration nach Angaben der Kampagne „Rassismus tötet“ ein Kulturprojekt in der Stadt angegriffen. Die Angreifer hätten bereits zuvor die Gedenkdemonstration gestört.
[1] Siegler, Auferstanden aus Ruinen… Rechtsextremismus in der DDR, a.a.O., S. 139
[2] Ködderitzsch, P./Müller, L. A.: Rechtsextremismus in der DDR, Göttingen 1990, S. 36
[3] Ebd., S. 140
[4] Zitiert aus Elsner, E.-M./Elsner, L.: Ausländerpolitik und Ausländerfeindlichkeit in der DDR, Berlin 1992, S.164
[5] Borchers, Neue Nazis im Osten, a.a.O., S. 32
[6] Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (Hrsg.): Ausländerfeindlichkeit in der ehemaligen DDR, Köln 1990, S. 10
[7] Siegler, Auferstanden aus Ruinen…, a.a.O., S. 146
[8] Zitiert aus Ebd., S. 45f
[9] https://www.antifainfoblatt.de/artikel/%C2%BBdie-polizei-griff-nicht-ein...
[10] Borchers, Neue Nazis im Osten, a.a.O.,, S. 33
[11] Dresdener Wochenblatt vom 26.7.1991
[12] Der Spiegel 40/1991, S. 67
[13] Antifa Info-Blatt, Nr. 16, Berlin 1995, S. 1
[14] Borchers, Neue Nazis im Osten, a.a.O., S. 34f
[15] Sächsische Zeitung vom 21.9.1991
[16] Junge Welt vom 23.9.1991
[17] taz vom 26.9.1991
[18] Bundesminister des Inneren, Verfassungsschutzbericht 1991, a.a.O., S. 96
[19] Der Spiegel 40/1991, S. 37
[20] Ebd, S. 53ff
[21] Zitiert aus Backes, U./Moreau, P.: Die extreme Rechte in Deutschland, München 1993, S. 74
[22] Zitiert aus Süddeutsche Zeitung vom 29.11.1991
[23] Zitiert aus taz vom 26.9.1991
[24] Zitiert aus Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 1993, Magdeburg 1994, S. 30
[25] Zitiert aus Der Spiegel 40/1991, S: 41ff
[26] taz vom 27.2.1992
[27] Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 1991, Bonn 1992, S. 74f
[28] BILD-Zeitung vom 26.9.1991
[29] Rheinischer Merkur vom 27.9.1991
[30] Zitiert aus Der Spiegel 40/1991, S. 57
[31] Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt 1994, Magdeburg 1995, S. 31
[32] Vgl. dazu Antifaschistische Nachrichten 19/2011, Köln 2011, S. 6