Nation Europa
Nation und Europa (NE) - Deutsche Monatshefte (Untertitel) war eine extrem rechte Monatszeitschrift. Nation&Europa gehört mit einer Auflage zwischen 15.000 und 25.000 Exemplaren zu auflagenstärksten kontinuierlichen Publikationen der rechten Szene.
Nation und Europa (NE) - Deutsche Monatshefte (Untertitel) war eine extrem rechte Monatszeitschrift.[1] Die Zeitschrift wurde 1951 von Arthur Ehrhardt und Herbert Böhme gegründet. Ihr ursprünglicher Titel lautete bis 1990: Nation Europa. Monatszeitschrift im Dienste der europäischen Neuordnung. Nation&Europa gehört mit einer Auflage zwischen 15.000 und 25.000 Exemplaren zu auflagenstärksten kontinuierlichen Publikationen der rechten Szene. Arthur Ehrhardt (20.3 1896-11.5 1971), der Nation Europa bis zu seinem Tode 1971 leitete, war ein extrem rechter politischer Publizist. Ehrhardt trat 1944 von der Wehrmacht zur Waffen-SS über und arbeitete zusammen mit Wehrmachts- und Waffen-SS-Offizieren ein Handbuch zum Partisanenkampf in Deutschland aus.
Herbert Böhme (17.10 1907- 23.10.1971) war in der Zeit des NS-Regimes ein nationalsozialistischer Lyriker, Schriftsteller und Publizist.[2] Er erhielt den Posten des Hauptschriftleiter in der „Reichsleitung“ der NSDAP („Reichsfachschaftsleiter“ für Lyrik), und wurde als „führender dichterischer Gestalter nationalsozialistischer Ideen“ geschätzt. Nachdem er als Soldat am 2.Weltkrieg teilnahm, wurde er 1944 Ordinarius für Philosophie der „Reichsuniversität“ Posen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte er sich zu einem extrem rechten Kulturfunktionär, der 1950 das Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG) gründete.[3] Im Jahre 1961 war er Mitbegründer der Gesellschaft für freie Publizistik e.V. (GFP). Dann wurde er 1965 Mitglied der NPD sowie Mitbegründer des „Arbeitskreises Volkstreuer Verbände“ (AVV). 1970 war er einer der Initiatoren der Aktion Widerstand und der „Deutschen Bürgergemeinschaft“.
NE erschien in der „Nation Europa Verlags GmbH“, deren Sitz in Coburg war. Ein Buchdienst mit demselben Namen war der Zeitschrift angeschlossen, zu dessen Auswahl neben den Erscheinungen im Verlag selbst auch Schriften anderer extrem rechter Verlagsgesellschaften (Arndt, Grabert) gehörten. Dieser Buchdienst war der bedeutendste in den deutschsprachigen Ländern. Den letzte Initiative zur Gründung der Zeitschrift war die Bildung 951 in Malmö der Europäischen Sozialen Bewegung (ESB) 1951 in Malmö, einem Zusammenschluss faschistischer europäischer Organisationen. Der Nation Europa kam die Funktion der Vernetzungsarbeit in Deutschland zu.[4] Der ursprüngliche Titel „Nation Europa“ geht auf den englischen Faschistenführer Oswald Mosley zurück, der 1947 erstmals den Begriff "Nation Europa" verwandte.[5] Als Geldgeber wurden vom britischen Untersuchungsausschuss zur Naumann-Affäre die Personen Gaston-Armand Amaudruz, Maurice Bardeche, Jean Bauvard sowie die beiden französischen Bankiers Albertinu und Guy Lemonier genannt.[6] Zu den Unterstützern der Zeitschrift zählten der ehemalige stellvertretende „Reichspressechef“ Helmut Sündermann und sein Nachfolger als Leiter des extrem rechten Druffel Verlages, Gerd Sudholt.[7]
Ehrhardt und Böhme starteten mit der Zeitschrift den Versuch, in einem neuen Gewande eine geläuterte Variante des Faschismus anzubieten. Ehrhardt vertrat schon innerhalb der Waffen-SS eine Minderheitenposition, da er nicht auf ein großgermanisches Reich unter deutscher Führung setzte, sondern eine „Nation Europa“ ansteuerte. Er definierte dies als „die große ethnische Idee der weißen Menschheit der Zukunft“. Ehrhardt äußerte zu seinen gedanklichen Grundlagen:[8] „Die Einigung Europas bedeutet für uns grundsätzlich mehr als einen nur widerwillig beschrittenen Ausweg aus wirtschaftlichen Nöten und politisch-militärischen Gefahren. Wir wollen die Verwirklichung einer hohen Idee. Die Forderung ‚Nation Europa’ enthält ein Gebot handgreiflicher Notwendigkeit: Die volle Gleichberechtigung aller europäischen Völker, die man uns Deutschen noch immer vorenthalten will. An diesem Gebot weltanschaulicher Staatskunst und europäischen Rechtes ist nicht zu deuteln, und hier hilft kein Feilschen“.
In den Gründerjahren von Nation Europa schrieben wichtige europäische Faschisten für diese Monatszeitschrift. Darunter waren der britische Faschist Oswald Mosley, Maurice Bardeche und La Rochelle aus Frankreich, Per Engdahl, Paul von Tienen, Richard Cavallier, Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift „La Vogue“ der italienische Faschistenführer Guilio Evola und Pino Rauti, Schriftleiter von „Ordine Nuovo“.[9] Ehemalige nationalsozialistische Schriftstelle wie Hans Grimm fanden ebenso ein Betätigungsfeld bei Nation Europa wie auch Gottlob Berger, SS-Obergruppenführer und Chef des SS-Hauptamtesoder Fritz Hippler, „Reichsfilmintendant“ und verantwortlich für den Film „Der ewige Jude“.
Auf diese Weise entwickelte sich „Nation Europa“, obwohl es nur in ausschließlich in deutscher Sprache erschien, zum intellektuellen Bindeglied vieler Richtungen des internationalen Faschismus.[10] Die zentrale Funktion der Zeitschrift ist die Bereitstellung von strategisch entscheidenden Themen, Strategiediskussionen und Interventionsmöglichkeiten, die sich an das gesamte extrem rechte Spektrum richtete. Neben diesen strategischen und theoretischen Überlegungen enthält die Zeitschrift auch Beiträge zum aktuellen Tagesgeschehen. Nach den Vorstellungen von Ehrhardt und Böhme sollte „Großdeutschland in einem regionalistischen Europa die Führungsrolle bei der Wiedergewinnung der Identität der europäischen Völker zukommen“.[11] Da die beiden Weltmächte USA und die Sowjetunion wegen ihres enormen politischen Einflusses diesem Ziel im Weg stehen, richtete sich der Tenor der Zeitschrift ganz besonders gegen diese Großmächte.
Eine theoretische Grundlage von Nation Europa war der Irrationalismus:[12] „Es gibt zwei Gegensätze des Fühlens und Denkens – mechanisches und organisches. Das mechanische ist ganz im Verstandesmäßigen verstrickt. In ihm tritt das Ich der Welt isoliert gegenüber, lsogelöst von volkhaften Bindungen, geleitet vom bloßen Zivilisationsdenken (…) Mechanisches Denken ist wie alles, was aus dem bloßen Verstande kommt, international. Es richtet sich auf Menge und Zahl und jongliert mit ihnen rein übungsmäßig. (…) Völlig anders ist es mit dem organischen Denken bestellt. Es ist nicht wurzelloser Instinkt, sondern strömt aus echter Gefühlsverbundenheit mit seinem Volkstum hervor, es wird getragen von arteigenen Kräften, nicht von einem isolierten verstandesmäßigen Ich. (…) Es ist nicht blutleer abstrakt, sondern blutmäßig konkret. Es ringt nicht nach gehäuften Kenntnissen, sondern nach tiefgehenden Erkenntnissen, es geht ihm nicht um das analysierende Experiment, sondern um aufbauende Gestaltung. Analytiker, d.h. Zergliederer können Kenner werden, aber nicht Schöpfer.“
Nation Europa bezog sich auf die Auffassung Moeller van den Brucks, dass der Liberalismus eine vom Westen eingeführte, für Deutschland verderbliche Idee sei.[13] Die parlamentarische Demokratie sei 1918 und 1945 von den Westmächten eingeführt worden, um damit die „Zerstörung der deutschen Einheit von innen“ zu erreichen. Die antidemokratische Stoßrichtung der Zeitschrift zeigte sich besonders in den ersten Jahren. Die Demokratie wurde als Produkt der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands im 2. Weltkrieg gesehen:[14] „Wer weiß denn noch, was Demokratie und Parlamentarismus sind? (…) Sie gewinnen Wert nur noch durch den Geist, der sie erfüllt. Sie mussten dazu dienen, Terror, Massenmord, Menschenverjagung, Rechtsbrüche sonder Zahl zu rechtfertigen – ja sogar die Nutznießer der Niederlage im eigenen Volk zu tarnen.“ Drei Jahre später wurde definiert, wer als Demokrat zu bezeichnen sei:[15] „Ein Demokrat ist deshalb für mich ein Mensch, der sich gefreut hat, als unser Großdeutsches Reich in Feindeshand fiel und Hunderttausende um ihre Lebensgrundlage gebracht wurden.“ Dagegen wird eine Elitenherrschaft gefordert:[16] „(…) Ich bekenne mich zur Führung des Staates durch eine Elite! Diese Elite sammelt sich nicht allein an der Spitze, wo die Regierung gebildet wird; sie durchzieht Volk und Staatsapparats von oben nach unten, die Kreuz und die Quer. Diese Elite sind die Tore zum Aufstieg und zur Regeneration zu öffnen. Nicht die Masse hat die Elite zu führen, sondern die Elite die Masse. (…) Ich halte Demokratie mit dem Führertum für vereinbar! Die Erfahrung lehrt – Demokratie ohne Führer wird steuerlos, ein Führer ohne Kontrolle wird hypertroph. (…) Die starke Persönlichkeit ausschalten, um ein Prinzip zu Tode zu reiten, heißt ein Volk entmannen.“
Ende der 1960er Jahre förderte NE „nationalrevolutionäre“ Intellektuelle und erschloss Anfang der 1970er Jahre das Thema „Überfremdung“ als wichtiges Agitationsfeld. Die Zeitschrift schuf in rassistischer Manier die regelmäßige Rubrik „Nachrichten von der Überfremdungsfront“. Vor allem mit Berichten über Gerichtsurteile gegen Migranten wurde suggeriert, dass Menschen nicht-deutscher Staatsangehörigkeit krimineller seien als Deutsche.[17]
Zum 10. Jahrestag des Todes Hitlers veröffentlichte Ehrhardt einen glorifizierenden Nachruf auf Hitler:[18] „(…) Denn seine eigentliche, seine weltgeschichtliche Größe beruht darauf, daß er die tödliche Bedrohung des weißen Mannes durch die vom Osten entfesselten Kräfte als erster erkannt und sich dem Feind tollkühn entgegengeworfen hat.“
Sogar die Euthanasie der Nationalsozialisten wurde gerechtfertigt:[19] „Die Aussetzung und Tötung von Neugeborenen war nach indogermanischem und später nach germanischem Recht zulässig und üblich. Man sah bei der Betrachtung der Naturvorgänge, daß der Grundsatz der Auslese dem göttlichen Willen entspricht.“
Nation Europa stand seit Mitte der 1960er Jahre der NPD nahe. Nach dem Tode Ehrhardts 1971 wurde als Nachfolger Peter Dehoust installiert, der auf verschiedenen Funktionärsebenen für die NPD tätig war.[20] Unter der Führung von Dehoust gab es eine enge Zusammenarbeit mit dem rassistischen „Hilfskomitee Südliches Afrika“ und der „Gesellschaft für Freie Publizistik“. 1970 erschien in einer Sondernummer der Zeitschrift die Broschüre Werwolf – Winke für Jagdeinheiten mit einer Einleitung von Arthur Ehrhardt.[21] Dabei ging es um Guerillataktiken zur Unterstützung einer regulären Armee in einem „symmetrischen Krieg“ handelte.[22]
[1] Eine ausführliche Vorstellung der Zeitschrift findet sich bei Pfeiffer, T.: Für Volk und Vaterland. Das Mediennetz der Rechten - Presse, Musik, Internet, Berlin 2002, S. 145-176
[2] Klee, E.:: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage, Frankfurt/M. 2005, S. 59
[3] Hillesheim, J./Michael, E. (Hrsg.): Lexikon nationalsozialistischer Dichter. Kapitel Herbert Böhme (1907-1971), Würzburg 1993, S. 87
[4] Antifaschistisches Autorenkollektiv (Hrsg.), Drahtzieher im braunen Netz – Ein aktueller Überblick über den Neonazi-Untergrund in Deutschland und Österreich, Hamburg 1996, S. 216
[5] Erhardt, A.: Die Idee wird siegen, in: Nation & Europa 02/1975, S.43-45, hier S. 43
[6] Jansen, C.: Die konspirative Tätigkeit des Rechtsradikalismus. Die neonazistische Internationale, Amsterdam o.J., S. 10f
[7] Fromm, R.: Am rechten Rand: Lexikon des Rechtsradikalismus, Marburg 1993, S. 148
[8] NE 1/1951, S. 3f
[9] Riebe, J: Im Spannungsfeld von Rassismus und Antisemitismus. Das Verhältnis der deutschen extremen Rechten zu islamistischen Gruppen, Marburg 2006, S. 116
[10] Assheuer T./Sarkowicz, H.: Rechtsradikale in Deutschland. Die alte und die neue Rechte, München 1990, S. 58
[11] Jansen, C: Die konspirative Tätigkeit des Rechtsradikalismus. Die neonazistische Internationale. Amsterdam O.J., S. 12
[12] Nation Europa 1 (1951), Heft 7, S. 42
[13] van den Bruck, M.: Das Dritte Reich, Hamburg 1931, S.97
[14] Nation Europa 1 (1951), S. 14
[15] Nation Europa 4/1954, S. 14
[16]Venatier, H.: Ist das „Neofaschismus“?, in Nation Europa 12/1958
[17] Lange A.: Was die Rechten lesen. Fünfzig rechtsextreme Zeitschriften. Ziele, Inhalte, Taktik, München 1993, S. 116
[18] Nation Europa Nr.5/1955
[19] Nation Europa, Heft 12/1962, S. 23
[20] Pfahl-Traughber, A.: Rechtsextremismus. Eine kritische Bestandsaufnahme nach der Wiedervereinigung, ?,: S. 131
[21] Faksimile-Ausgabe von: Werwolf. Winke für Jagdeinheiten. Missglückter „Kinder-Heckenschützenkrieg“ oder Denkmodell kommender Dinge, in: NATION EUROPA, XX. Jahrgang, Heft 3, März 1970, S. 3-80
[22] Rose, A.: Werwolf 1944-1945. Eine Dokumentation, Stuttgart 1980, S.7