Schweigemarsch in Annaberg-Buchholz gestört / Massive Polizeiwillkür
Seit nunmehr 5 Jahren treffen sich im Biblebelt Sachens, in Annaberg-Buchholz, die “Christdemokraten für das Leben” (CDL) zu einem sogenannten „Schweigemarsch für das Leben“. Auch dieses Jahr kamen am 26.05. ungefähr 200 Ultrakonservative zusammen, um für eine weitere Verschärfung des Abtreibungsrechtes zu demonstrieren.
Doch dieses Jahr mobilisierten auch einige Aktivist_innen aus queerfeministischen Zusammenhängen aus dem Erzgebirge, Dresden und Leipzig nach Annaberg-Buchholz, um dem CDL zu zeigen, wie sehr er von vorgestern ist. Ungefähr fünfzig Aktivist_innen folgten dem Aufruf von Pro Choice Dresden, den Schweigemarsch kritisch zu begleiten. Sie hatten Transparente und Schilder mitgebracht. „My Body my choice“, „Emanzipation statt Religion“ oder „Weg mit § 218“ war hier zu lesen.
„Wir sind hier um einen gesellschaftlichen Backlash zu verhindern. Diese Demonstration ist im Kontext einer erstarkenden anti-feministischen Entwicklung in Europa zu sehen. Der § 218 StGB, der den Schwangerschaftsabbruch regelt, ist momentan schon viel zu restriktiv. Der CDL fordert eine weitere Verschärfung. Das kommt einer weiteren Beschränkung des Selbstbestimmungsrechtes der Frau gleich. Wir geben die erkämpften Rechte für Frauen nicht auf, und sind noch lange nicht am Ende!“, sagte uns die Pressesprecherin Kim Luca.
Der Protest sah sich massiven polizeilichen Repressionen ausgesetzt. Bereits am Beginn der Veranstaltung wurde eine Gruppe von etwa 20 Aktivist_innen von Beamten der Zwickauer Polizei gestoppt, und fast zwei Stunden festgehalten. Eine Begründung der polizeilichen Maßnahme gab es nicht. Andere Aktivist_innen, die es bis an den Rand des Marsches geschafft hatten, wurden dann ebenso aufgehalten und nach Hause geschickt. Als sie sich auf den Weg machten, wurden sie von Polizeibeamten in den Kessel gedrängt. Es folgten Personalienaufnahme und Platzverweise. Unter den Festgehaltenen befand sich auch eine sächsische Landtagsabgeordnete der Partei Bündnis 90/die Grünen, die die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme in Frage stellt.
Insgesamt wurden von 77 Personen die Personalien festgestellt und 88 Platzverweise ausgesprochen, sowie zwei Anzeigen aufgenommen.
Trotz dieses frustrierenden Einblickes in die sächsische Polizeipraxis war es doch ein erfolgreicher Tag. An verschiedenen Stellen gelang es, die Fundamentalistinnen in ihrem Schweigemarsch zu stören. Die Abschlusskundgebung des CDL wurde von Rufen übertönt – „Hätt’ Maria abgetrieben wärt ihr uns erspart geblieben!“, skandierten etwa fünfzig Demonstrant_innen, die auf Sichtweite der Fundamentalistinnen an die Polizeiabsperrung herangelangt waren. An einer kurzfristig angemeldeten Gegendemonstration durch die Innenstadt von Annaberg-Buchholz beteiligten sich spontan auch viele Passant_innen, die sich freuten, dass der Schweigemarsch dieses Jahr nicht ohne Proteste ablaufen konnte. Auch unter den Zuhörer_innen der Abschlusskundgebung fanden sich Kritiker. So rief ein Zuhörer laut “Was redet der für einen Quatsch?!” und wurde sofort abgeführt.
Dies war erst der Auftakt, ein kleiner aber guter Start, der Hoffnung macht, dem CDL nächstes Jahr so richtig die Tour zu vermiesen.
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