(B) UBER plätten! – Erweiterte Kampagnenerklärung für ein aktionistisches 2020!

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Es ist inzwischen 2020 und einiges ist passiert. Trotz längerer Aktualisierungspause auf unserem Blog ueberplaetten.blackblogs.org haben wir das Jahr 2019 mit geplätteten Leihrädern und demolierten E-Scootern ausklingen lassen. Damit sind wir nicht allein. Innerhalb und außerhalb der Kampagne “UBER plätten” üben immer mehr Menschen eine aktionistische Kritik an den elektronischen Gefährten (und dem dahinterliegenden Geschäftsmodell). Auch UBER selbst scheint den wachsenden Widerstand zu registrieren. Mit einiger Verwunderung fanden wir eine Nachricht vom UBER-Pressesprecher Oliver Klug in unserem Postfach (s. Screenshot). Das Unternehmen sucht vermeintlich einen Dialog, in dem „grobe Missverständnisse“ geklärt werden sollen. Doch unsere Kritik am UBER-Geschäftsmodell ist kein Missverständnis. Damit auch der Oliver das begreift, haben wir die letzte Zeit genutzt, um neben physischem Aktionismus einen ausführlichen Aufruf für unsere Kampagne zu schreiben. Dort werden die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen von Firmen wie UBER als Ausdruck einer wachsenden ‘gig economy’ des Plattformkapitalismus und unser Widerstand dagegen thematisiert. Der Text ist auf indymedia, sowie in der aktuellen Ausgabe des Autonomen Blättchens erschienen.

Des Weiteren haben wir reichlich Post mit Anmerkungen und Ideen erhalten, über die wir uns sehr gefreut haben. Wir werden demnächst auf unserem Blog einige nützliche Infos diesbezüglich veröffentlichen!

 

Alles in allem wächst der Druck auf UBER: Landgerichtsurteile gegen das Personenbeförderungsmodell, Petitionen und direkter politischer Protest gegen das Unternehmen und andere Anbieter der E-Scooter-Branche. Diese Anzeichen lassen uns Hoffnungsvoll auf ein erfolgreiches politisches Jahr 2020 blicken! UBER zu plätten ist möglich, wenn wir alle mitanpacken. Gemeinsam können wir ein wichtiges Zeichen gegen eine sich ausbreitende Neoliberalisierung weiter Lebensbereiche setzen. Wir wünschen allen Sympathisant*innen, Mitstreiter*innen, Genoss*innen und Gefährt*innen einen guten, aktionistischen Start ins neue Jahr!

 

Der Gig-Economy die Luft rauslassen – UBER plätten!
Aufruf und Erklärung zu einer neuen antikapitalistischen Mitmach-Kampagne

Wer den Namen UBER hört, denkt bestimmt zuerst an die taxi-ähnliche Beförderungsvermittlung per App und die damit verbundene Ausbeutung der Fahrer*innen. Daneben ist das Unternehmen noch in weiteren Teilen des Mobilitätsmarktes vertreten, z.B. mit Kooperationen und eigenen Angeboten im Bereich von Elektro-Fahrrädern und E-Scootern.1 Mit den rollenden roten Pestbeulen und ihrem penetranten JUMP-Aufdruck flutet UBER unsere Innenstädte. Die ungenutzten Gefährte verstopfen die Fußwege und ihre Nutzer*innen nerven alle anderen mit oftmals rücksichtslosem Verhalten. Fahren darf ohnehin nur, wer einen horrenden Endbetrag entrichtet. Doch der Preis für die Nutzung endet nicht beim Minus auf dem digitalen Konto. Wer verblendet genug ist, eines der Gefährte per App zu chartern, wird genau getrackt. Die Daten sind für UBER bares Geld wert. Davon sehen allerdings die Menschen, die die Fahrräder und Scooter als Selbstständige aufladen und warten müssen, fast nichts.

 

Uns reicht es jetzt! Wir wollen nicht mehr tatenlos zusehen, wie kapitalistische Unternehmen immer weiter die Städte vermüllen und die Arbeitskraft oder die Daten von Menschen mit ständig neuen Mitteln ausbeuten. Deswegen haben wir Ende August 2019 in Berlin die Kampagne „UBER plätten“ ins Leben gerufen (mehr Infos auf uberplaetten.blackblogs.org). Gemeinsam können wir den Konzern da treffen, wo es ihm am meisten wehtut: am Profit. Jedes zerstörte Gefährt bringt für eine gewisse Zeit keinen Gewinn mehr, die Reparaturkosten steigen und zu guter Letzt leidet auch das Image überall verfügbarer Bikes und Scooter. Wenn UBER Anstellungsverhältnisse durch den Zwang zur Selbstständigkeit ins Unendliche prekarisiert und das als “Flexibilisierung” verkauft, antworten wir mit einem verteilten und flexiblen Widerstand – ganz ohne App. Jede*r kann die massenhaft herumstehenden Gefährte mit wenigen Handgriffen unbrauchbar machen. Durch massenhafte Nadelstiche – im wahrsten Sinne des Wortes – konnten allein in Berlin in den vergangenen Monaten mehrere hundert Bikes zeitweilig geschrottet werden. Jetzt heißt es: weitermachen – am besten auch in anderen von JUMP betroffenen Städten, wie z.B. München. Für eine selbstorganisierte Stadt ohne Großkonzerne und in Solidarität mit den ausgebeuteten UBER-Fahrer*innen und JUMP-Auflader*innen.

Einwand I: Aber was ist mit der Verkehrswende?
Auf den ersten Blick mag es verwirrend wirken, dass eine autonome Kampagne zum Zerstören von Fahrrädern aufruft. Gerade in Zeiten von Klimaprotesten helfen doch alle Angebote, die eine ökologische „Mobilitätswende“ vorantreiben und den Autoverkehr von der Straße wegholen, oder? Nicht wirklich, so zeigen bereits erste Studien aus Frankreich, dass Leihangebote von E-Gefährten per App fast gar nicht auf Strecken genutzt werden, für die sonst das Auto genommen worden wäre – wie den berühmten letzten Kilometer vom Bahnhof zum Arbeitsplatz.2 Stattdessen dienen Fahrräder und Scooter eher als bequeme Alternative zum selber Laufen für vergleichsweise kurze Wege. So wird nicht nur kein CO2 eingespart – stattdessen steigt auch der Materialeinsatz durch Herstellung, Aufstellung, Abholung, Ladung und Wartung und damit die aufgerechnete Umweltbelastung auf den genutzten Strecken. Gleichzeitig sind die entsprechenden Angebote oftmals auf die unmittelbaren Innenstadtbereiche beschränkt, in denen in der Regel ohnehin genügend umweltfreundlichere Alternativen zum Auto bereit stehen sollten.

Argument I: It‘s still capitalism (and that‘s shit)
Spätestens jetzt sollte auch den Kritiker*innen unserer Kampagne dämmern, dass die derzeitigen politischen und wirtschaftlichen “Lösungen” zur „Verkehrswende“ sicherlich nicht die Rettung der Umwelt oder die Abmilderung des Klimawandels zum Ziel haben. Entsprechende Argumente sind nichts als green-washing-Gequatsche windiger Kapitalist*innen. Als hätte „Bundesverkehrsminister“ Andreas Scheuer die Zulassung von E-Scootern (mit der sog. „Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung“ – eKFV – vom 15.6.2019) entgegen aller Kritik aus purer Menschenliebe quasi im Alleingang durchgebracht. Und als würden Unternehmen, wie UBER, auch nur etwas für Umweltschutz übrig haben, wenn dieses Label keine satte Gewinne versprechen würde – schließlich basiert das Kerngeschäft des Unternehmens immer noch auf der Erhöhung des Verkehrsaufkommens durch die Vermittlung von Autofahrten. Vielmehr geht es darum, neue Bereiche im Feld der (Massen-)Mobilität der kapitalistischen Verwertung zugänglich zu machen. Durch die Möglichkeit zum massenhaften Aufstellen von E-Gefährten, die nur gegen Gebühr genutzt werden können, werden weitere Teile des ohnehin gefährdeten öffentlichen Raumes in Gestalt vormals nutzbaren Straßenlands quasi privatisiert. Wo ein kapitalistisches Unternehmen Geld verdienen will, müssen Senior*innen oder Menschen im Rollstuhl längere Wege in Kauf nehmen oder Radfahrer*innen absteigen, weil eine Reihe Scooter den Weg blockiert. Gleichzeitig sind die Angebote nicht gerade kostengünstig (ein Euro bei jedem Freischalten und dann 15 Cent pro Minute), was den Kreis der potentiellen Nutzer*innen massiv einschränkt. Wenn vermeintliche Mobilitäts-Alternativen nicht uneingeschränkt für alle bezahlbar sind und damit nicht massenhaft genutzt werden können, geht ihr allgemeiner Nutzen gegen Null. Nur die Unternehmen freuen sich. Und diese Freude geht über die monetären Zugewinne hinaus. Angebote, wie JUMP von UBER, sammeln über Tracking wichtige Daten. Gerade bei mehrmaliger Nutzung entstehen so detaillierte persönliche Bewegungsprofile, die auf anderem Wege für Unternehmen ohne direkten Zugriff auf Handy-Tracking-Funktionen nur schwer zu erhalten sind. Außerdem geht die Sammelwut der UBER-App weit über die vermeintlich vermittlungsrelevanten Daten hinaus, sodass u.a. auch auf die Kamera zugegriffen werden kann oder der Akku-Ladestand an das Unternehmen übermittelt wird.3 In diesem Sinne bedrohen solche Angebote bei minimalen Nutzen den öffentlichen Raum der Innenstädte sowie die individuelle Datensicherheit der Nutzer*innen. Die größte Zielgruppe der entsprechenden Leihangebote von Elektro-Gefährten sind Touris. Im besten Fall ordentlich angetrunken heizen sie dann alleine oder in Gruppen über die innerstädtischen Fußwege und machen diese für andere, verletzbarere Gruppen unbenutzbar. Und das soll dann ein Beitrag zu einer ökologischeren Mobilität in den Städten sein.

Einwand II: Aber ist das Zerstören der Fahrräder nicht unökologisch?
Zuerst müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass es nicht um mit eigener Kraft betriebene Räder geht, sondern um eine breite Auswahl von Elektro-Gefährten. Deren Batterien verfügen nicht zuletzt aufgrund der massiven Verwendung seltener Rohstoffe, die zumeist unter neo-imperialistischen Bedingungen und härtester menschlicher Ausbeutung gefördert werden, um dann über den halben Globus verfrachtet zu werden, über eine desaströse Umweltbilanz – von den Zuständen in den zumeist chinesischen Fertigungsbetrieben ganz zu schweigen. Eine detaillierte Kritik haben die Gefährt*innen “Greta und Kenny” in ihrem lesenswerten Beitrag (u.a. im letzten “Autonomen Blättchen”) geliefert.4 Solche Umweltsünden ließen sich höchstens durch einen langen Betrieb ausgleichen. Doch die Realität sieht anders aus. Selbst die politisch sicherlich nicht unabhängigen „Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages“ sprechen von einer Lebensdauer der öffentlich aufgestellten Gefährte und ihrer Batterien zwischen 28 Tagen und zwölf Monaten,5 wobei eher von weniger als von mehr auszugehen ist. Sie sollen eben nicht lange halten, sondern vor allem billig in der massenhaften Anschaffung sein. Danach landen sie auf dem Sondermüll. Recycling findet bisher nur begrenzt statt, denn der Umgang mit dem anfallenden Schrott ist politisch noch nicht geregelt. Umweltpolitische Regulierungen würden das neue Marktsegment wohl zu sehr einschränken. Somit lässt sich frei nach Bertolt Brecht festhalten: Was ist die Zerstörung eines E-Fahrrads gegen die Herstellung eines E-Fahrrades? Gleichzeitig rufen wir nicht dazu auf, die Fahrräder und Scooter im nächsten Fluss oder See zu versenken. Es besteht zumindest noch die Gefahr, Tiere und Pflanzen zu schädigen, falls sie noch in Gewässern in Innenstadtnähe anzutreffen sein sollten. Demgegenüber produziert die gezielte Beschädigung der Reifen oder der Speichen nur sehr wenig nicht potentiell wiederverwertbaren Müll. Oder ironisch zugespitzt formuliert, schlägt diese Form der Sabotage locker die Ökobilanz von jedem brennenden SUV.

Argument II: Why UBER? – Because platform capitalism and gig economy are even worse
Zu klären bleibt noch die Frage, warum wir uns bei der Vielzahl der Anbieter*innen von E-Bikes und E-Scootern gerade UBER als Ziel einer Sabotage-Kampagne ausgesucht haben. Sind die Arbeits- und Herstellungsbedingungen bei den anderen nicht genauso beschissen? Werden nicht alle E-Gefährte von den gleichen Nutzer*innen-Gruppen verwendet? Ist LIDL nicht auch ein übler Ausbeutungsverein? Und sind die „Juicer“ von LIME nicht ebenso arm dran wie die Auflader*innen bei JUMP?6 Das mag alles richtig sein. Und nur weil wir explizit zur Sabotage von UBER aufrufen, heißt das nicht, dass wir die anderen Anbieter*innen besser oder weniger bekämpfenswert finden. Jedes kaputte E-Gefährt von einem Großanbieter ist gerechtfertigt – überall. Allerdings glauben wir, dass der Schaden für das Unternehmen sowie der Nutzen für alle Betroffenen der Konzernpolitik bei UBER am größten ist. Von allen Anbietern am bundesdeutschen Markt verfügt UBER über das breiteste Unternehmensportfolio im Mobilitätssegment, da es neben dem E-Gefährte-Verleih beispielsweise noch die Beförderungsvermittlung per App betreibt. Damit bieten sich dem Unternehmen mehr Möglichkeiten, um unterschiedliche Daten(-sätze) miteinander zu vernetzen und so deren (potentiellen) Nutzen zu erhöhen. Im Bereich der urbanen Mobilität besteht somit vor allem bei UBER die Gefahr, dass sich das Unternehmen aufgrund der Angebotsvielzahl und des massiven Abgreifens persönlicher Informationen der Nutzer*innen zu einer bedrohlichen Datensammelmaschine entwickelt. UBER gibt es sogar als Ziel aus, zum “Amazon des Transportsektors” werden zu wollen.7 Zugleich hat UBER durch die Konzentration der Unternehmenspolitik auf den Bereich urbaner Mobilität sowie die breite Angebotspalette, am ehesten die Mittel und ein wahrscheinliches Interesse an der Herstellung einer dominanten Marktposition in dem Sektor. Sollte es uns gelingen, der kapitalistischen Hydra in diesem Segment den stärksten Kopf abzuschlagen, ist unklar, ob die Vielzahl der anderen Anbieter*innen die Möglichkeiten besitzen, selbst eine marktbeherrschende Position anstreben zu können oder zu wollen bzw. sich überhaupt in dem vergleichsweise kleinen Bereich zu halten. Inwieweit eine solche Kannibalisierung unterschiedlicher kleinerer Anbieter*innen sowie die damit verbundene Verödung eines Marktsegments funktionieren kann, zeigt gerade der Bereich des Elektrofahrrad-Verleihs, der bis zur Einführung der hippen E-Scooter kaum wirtschaftlich lukrativ auszubeuten war. Noch steckt das JUMP-Angebot in den Kinderschuhen, da es in der Bundesrepublik bislang nur in zwei Städten (Berlin und München) verfügbar ist. Ansonsten kooperiert das Unternehmen mit LIME. Die Chancen einer massenhaften Sabotage von UBER und seinen Partner*innen stehen gut, dieses Experiment frühzeitig zu beenden.

Außerdem steht der Name UBER wie kaum ein anderes Unternehmen für die Erneuerung der kapitalistischen Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft unter den Vorzeichen der sogenannten “Gig-Ökonomie” des Plattform-Kapitalismus. Bekannt wurde UBER als App-basierte Vermittlungsplattform für Autofahrten. Was im ersten Moment wie ein weiterer Taxi-Service klingt, unterscheidet sich jedoch massiv von bekannten Geschäftsmodellen. So sind die UBER-Fahrer*innen weder besonders geschult oder geprüft (z.B. in Bezug auf städtische Wegekunde) noch persönlich überprüft (s. Vielzahl sexueller Übergriffe bei US-amerikanischen Fahrer*innen)8. Außerdem sind sie nicht bei UBER angestellt, sondern empfangen als Selbstständige über das Unternehmen bzw. dessen digitale Plattform der App lediglich die Aufträge. Die Fahrer*innen sind dementsprechend darauf angewiesen, die ihnen zugewiesenen Aufträge oder polemisch „Gigs“ beständig anzunehmen. Dies entspricht einer maximalen Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse. Einerseits ist das Auftragsaufkommen gerade über einen längeren Zeitraum kaum planbar und neben der Hangelei von Job zu Job existieren keinerlei soziale Absicherungen, sodass z.B. Krankheit eine existentielle Bedrohungen darstellen kann und an Urlaub eigentlich kaum zu denken ist. Und wenn das Auto kaputt ist, zahlt UBER auch nichts. Andererseits sind die Fahrer*innen hauptsächlich von einem einzigen Unternehmen abhängig, das im Gegenzug keine Verpflichtungen hat. Versicherung im Krankheitsfall kann UBER egal sein und auch gewerkschaftliche Organisierung geht bei formal Selbstständigen ins Leere. Und wenn mal etwas schief geht, kann das Unternehmen alle Verantwortung an die Fahrer*innen abwälzen. Trotz allem sahnt UBER kräftig ab.9 Obwohl offiziell “nur” 25% des Fahrpreises als “Vermittlungsgebühr” abgeführt werden müssen, liegt der wahre Wert aufgrund der Abgabe der komplette Buchungsgebühr sowie des Bonus-Systems laut einer Studie von “ridester.com” mit bis zu 42,75% deutlich höher.10
So ersetzen maximal-prekarisierte Scheinselbstständigkeiten Normalarbeitsverhältnisse. Dies ist nicht zuletzt ein Angriff auf die im Zuge jahrhundertelanger Arbeiter*innen-Bewegungen erkämpften Erleichterungen des kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisses. Selbst wenn diese nur als vergleichsweise magere Errungenschaften auf dem Weg gesellschaftlicher Befreiung erscheinen, sollten ihre historischen Wirkungen nicht unterschätzt oder den Kapitalist*innen leichtfertig zum Fraß vorgeworfen werden. Insgesamt steht UBER für einen besorgniserregenden Trend in Bezug auf die Gestalt von Arbeitsverhältnissen, der immer mehr Branchen und Lebensbereiche umfasst. Beispiele hierfür sind u.a. Essenslieferdienste, wie „Lieferando“ (oder außerhalb der BRD „UberEats“), deren Fahrer*innen von den Unternehmen kaum mehr als die mit dem Logo versehenen Klamotten bekommen, oder „Wohnungsvermittlungsplattforme n“, wie “airbnb”, die in Form von massenhaften Ferienwohnungsangeboten kommerzieller Unternehmen den Mietdruck in Großstädten maßgeblich erhöhen oder als Möglichkeit der privaten Vermietung den kapitalistischen Verwertungszwang in die Sphäre der Reproduktion verlängern. Auch UBER selbst setzt diese Form der Ausbeutung über die Beförderungsvermittlung hinaus ein. So werden Aufladung und Wartung der Scooter und Fahrräder von selbstständigen Auflader*innen übernommen. Sie holen mit ihren privaten Wägen die leeren oder kaputten Gefährte ab, richten sie wieder her und laden sie auf (im schlimmsten Fall auf ihre private Stromrechnung, wie beim UBER-Partner LIME) und das Unternehmen stellt höchstens das (Spezial-)Werkzeug. Vulgär-marxistisch interpretiert, bedeutet diese Entwicklung nichts anderes, als dass die Lohnarbeitenden zur Erwirtschaftung des Mehrwertes von den sie ausbeutenden Kapitalist*innen nicht mal mehr die Produktionsmittel gestellt bekommen, sondern diese selbstständig und auf eigene Kosten in den kapitalistischen „Wertschöpfungsprozess“ einzubringen haben. Ob solche Jobplattformen jedoch in der Lage sind, zur bestimmenden Form der Arbeitsverhältnisse in einer digitalisierten Ökonomie zu werden, darf momentan noch bezweifelt werden. Allerdings trägt die Gig-Economy des Plattform-Kapitalismus entscheidend zu einer umfassenden Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und der Existenzbedingungen derer bei, die auf dem „regulären“ Arbeitsmarkt ohnehin systematisch ausgegrenzt werden. Statt schlecht bezahltem Minijob heißt es in Zukunft wohl vermehrt Scheinselbstständigkeit in Abhängigkeit von Angebotsplattformen. Ein „Engagment“ in der Gig-Economy erfolgt trotz der vollmundigen Versprechungen der Unternehmen oftmals nicht freiwillig, sondern bei einem Großteil massivem wirtschaftlichen oder sozialen Druck geschuldet. Auch die angepriesenen “flexiblen” Arbeitsverhältnisse sind aus Sicht der von ihnen Betroffenen wohl eher blanker Hohn, da nur ein geringer Anteil die versprochene „Unabhängigkeit“ tatsächlich erlebt.11 Und obwohl den Unternehmen bereits jetzt massenhaft billig auszubeutende Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, wirken die Angebote des Plattform-Kapitalismus als eigener Nachschublieferant. Dies zeigt sich am Einfluss von UBER auf das reguläre Taxigewerbe. Aufgrund der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, wie Preisbindungen, die UBER aufgrund der Geschäftsstruktur umgeht, können viele der zumeist kleinen Taxi-Unternehmen nicht mit den Preisen von UBER konkurrieren. Das Preisdumping sowie die „Geiz-ist-geil“-Mentalität der Kund*innen führt über kurz oder lang zum Verlust von Arbeitsplätzen im Taxigewerbe und damit zu neuen potentiellen UBER-Fahrer*innen.

Schlussfolgerung: Gig Economy? – Fuck U(ber)!
Der Widerstand gegen UBER geht über die Sabotage des einzelnen Unternehmens hinaus. Er ist zugleich eine Kampfansage an jegliche Form des neuen Plattform-Kapitalismus. Wir schädigen UBER, doch Angst sollten alle haben, die daran arbeiten, uns und unsere Kolleg*innen und Gefährt*innen mit neuen Lohnarbeitsverhältnissen noch weiter für ihren Profit auszupressen. Es gab bereits einige erfolgreiche Interventionen in diesen neuen Ausbeutungsbereich. Beispiele hierfür sind der Kampf der syndikalistischen Basisgewerkschaft „Deliverunion“ der Essenslieferant*innen für bessere Arbeitsbedingungen 12 oder der internationale Kampf gegen “airbnb” und Konsorten, der zunehmend in Form von gezielten Sabotage-Akten geführt wird 13. Auch der Widerstand der Beschäftigten im Taxi-Gewerbe und ihrer Gewerkschaften weltweit gehört gewissermaßen dazu, da er gegen die Zerstörung des Sektors durch UBER und die den damit verbundenen Verlust selbst minimaler Arbeitnehmer*innen-Rechte gerichtet ist.14 All diesen Kämpfen gilt unsere Solidarität!
Wir haben jedoch den Weg der massenhaften Sabotage gewählt. Jedes zerstörte Bike und jeder zerstörte Roller kosten UBER Geld für die Instandsetzung und können zeitweilig nicht zur Profitmaximierung genutzt werden. Außerdem führt die Wahrnehmung kaputter Gefährte zu einem derben Imageschaden durch empörte Kund*innen, die wieder selber laufen oder Konkurrenzangebote wahrnehmen müssen. So haben sich in Berlin mit dem Start der Kampagne die Beschwerden über JUMP auf twitter gehäuft, sodass UBER auch potentiell interessierte Menschen abhanden kommen. Doch kann einem weltweit operierenden Unternehmen überhaupt durch das Zerstechen von ein paar Reifen geschadet werden? Wie sehr sich UBER vor den Folgen einer erfolgreichen Massensabotage sorgt, zeigte sich bereits kurz nach dem öffentlichen Start unserer Kampagne. Es waren erst wenige Dutzend Bikes zerstört und schon malte die bürgerliche Presse ein Bild der Verwüstung an die Wand. Es war die Rede von „Linksextremen“, die „zur Beschädigung von Leihfarrädern“ aufriefen (Berliner Morgenpost) und E-Roller „zerstörerisch attackieren“ würden (Berliner Kurier).15 Auch der UBER-Pressesprecher Oliver Klug sah sich zu einer Stellungnahme genötigt. Die Angst ist offenbar groß, dass eine solche Kampagne eine nicht mehr ordnungspolitisch kontrollierbare Dynamik entwickelt, wie bspw. bei den Autobrandstiftungen gegen Gentrifizierung und ihre Profiteur*innen Mitte der 00er Jahre in Berlin. Außerdem ist die Zeit momentan günstig für einen konzentrierten Angriff auf UBER. Zum Einen hat das Unternehmen gerade massive Probleme, sein Beförderungsvermittlungs-Angebot UBER X in der Bundesrepublik rechtssicher zu gestalten. So drohen u.a. nach einer einstweiligen Verfügung des Kölner Landgerichts im Herbst Verbote und damit massive Umsatzeinbußen im Kerngeschäft.16 Zum Anderen stehen gerüchteweise nicht die notwendigen Kapazitäten zur Einlagerung der ganzen Gefährte über den Winter zur Vefügung. Es ist davon auszugehen, dass bei gleichzeitigem Rückgang der Nutzung die Wartungsintervalle vergrößert werden. Die zerstörten Bikes und Scooter werden somit über einen langen Zeitraum eindrucksvolle Mahnmale unseres Zorns in den Straßen abgeben, wodurch der Gesamtschaden am Ende der kalten Jahreszeit nur unter großen finanziellen Aufwendungen zu beheben sein wird.

UBER plätten – Aber wie?
Das namensgebende Plätten, also das Zerstechen der Reifen der Fahrräder, ist sicherlich eine einfache und schnelle Möglichkeit, die Dinger aus dem Verkehr zu ziehen. Versucht dabei unbedingt Spuren zu vermeiden, indem ihr bspw. Handschuhe tragt und eher unauffällige Werkzeuge benutzt. Auch Kameras, Bullen- oder Ordnungsamt-Streifen sowie Aktivbürger*innen solltet ihr beim nächtlichen Entfernen der luftigen Reifenfüllung im Blick haben. Da so ein Reifen jedoch schnell geflickt ist, sind auch Formen der nachhaltigeren Zerstörung dankbar, z.B. in Form des Durchtrennens einiger Speichen (ein guter Bolzenschneider wirkt Wunder). Allerdings wäre es nett, dennoch die Reifen zu zerstechen, damit nicht irgendjemensch auf die Idee kommt, das Bike noch zu fahren und einen Unfall baut. Außerdem bieten die einfarbig roten Gestelle viel Platz, um Botschaften gegen UBER oder die Nutzer*innen anzubringen und so die Gefährte zu Autonomen (Anti-)Werbeträgern umzufunktionieren. Etwas schwieriger gestaltet sich die Sabotage der JUMP-Scooter, da diese über Hartgummireifen verfügen. Um sie aus dem Verkehr zu ziehen, bietet es sich an, die QR-Codes vorne am Lenker und hinten an der Radverkleidung unleserlich zu machen, z.B. durch penetrante Sprühfarbe, und gleichzeitig das kleine Display am Lenker zu zerstören (ein großer Stein reicht). So können sie nicht mehr benutzt werden.
Das sind nur einige Anregungen für mögliche Sabotagen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.17 Auch als Street-Art lassen sich die Fahrräder und Roller nutzen, indem sie in Bäume gehängt, auf Bus-Häuschen gestellt oder zu riesigen Skulpturen verkeilt werden. Doch bei allem Aktionismus bitte immer schön an die Umwelt denken, nicht wahr! In diesem Zusammenhang sind wir besonders am Erfahrungsaustausch zur “proletarischen Aneignung” der Gefährte (oder ihrer Komponenten) interessiert. Denn statt der kompletten Zerstörung wäre es uns auch lieber, eher die Sicherheitssperren zu cracken und die Fahrräder und Roller zur kostenlosen Verfügung für alle in die Stadt zu stellen oder die teuren Batterien in eigene Fahrradprojekte zum kollektiven Gebrauch einzubauen. Leider scheint es, als ob entsprechende Ansätze und Methoden aus den USA, die dort in zahlreichen Internet-Videos kursieren, nicht ganz umstandslos auf Europa übertragen werden können, da UBER die digitalen wie vor allem die realen Sicherungssysteme angepasst zu haben scheint. Wer Bock hat, aktiv zu werden, aber gerade nicht weiß, wo das nächste Zielobjekt steht; auf folgender Karte sind immer aktuell die Standorte der Bikes verzeichnet (nur mit Tor benutzen!): multicycles.org

Be your own UBERfallkommando!
Es bleibt dabei; wir lassen uns nicht verarschen. Angebote wie JUMP von UBER sind kein Beitrag zu einer ökologischen Mobilitätswende. Stattdessen erleichtern sie nur das Leben von einigen wenigen privilegierten Nutzer*innen, denen sie Fußwege abnehmen. Solche Angebote dienen lediglich dazu, weitere Felder des täglichen Lebens der kapitalistischen Verwertung zu unterwerfen, sodass Großunternehmen ihre Profite und Datenbanken vergrößern können. Das geschieht auf dem Rücken aller, die solche Angebote nicht nutzen wollen. Doch UBER steht nicht nur für eine zunehmende Kapitalisierung des öffentlichen Raums. Das Unternehmen ist sowohl im Kernbereich der Beförderungsvermittlung per App sowie bei der Wartung seiner Gefährte Vorreiter einer sich verschärfenden kapitalistischen Ausbeutungslogik in Form der Gig-Ökonomie des Plattform-Kapitalismus. Die an das Unternehmen gebundenen Arbeiter*innen bleiben trotz der formalen Selbstständigkeit von den Aufträgen der Vermittlungsplattformen abhängig, wobei sich UBER von jeglicher Verantwortung ihnen gegenüber befreit hat. Diesen Entwicklungen gilt es gemeinsam einen Riegel vorzuschieben. UBER plätten! – In Berlin und überall.

VERWEISE (Die Anmerkungen dienen der allgemeinen Dokumentation und spiegeln größtenteils nicht unsere Präferenzen der Informationsgewinnung wider. Doch manchmal lassen sich auch Mitteilungen des politischen Gegners in unserem Sinne nutzen.)

1 Um der allgemeinen Verwirrung entgegen zu wirken, bezeichnen wir die kleinen Gefährte ohne Sitz und ohne Führerschein-Zwang als Scooter. Die anderen sind E-Roller.

2 Link zum Abstract der Studie: https://6-t.co/trottinettes-freefloating

3 Zur UBER-App als Datenstaubsauger: https://www.fr.de/wirtschaft/wozu-braucht-uber-ganzen-daten-11207344.html

4 https://de.indymedia.org/node/36572

5 https://www.bundestag.de/resource/blob/656430/300cac802d6ddc2a29c639054a...

6 Bericht der "taz" zu den Arbeitsbedingungen der Auflader*innen unterschiedlicher Unternehmen in Berlin: https://taz.de/E-Scooter-in-Berlin/!5605912/

7 https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/das-ziel-sind-90-milliarden-dolla...

8 https://money.cnn.com/2018/04/30/technology/uber-driver-sexual-assault/i...

9 Einige Einblicke in das undurchdringliche Prämiensystem, mit dem UBER die gewinne der Fahrer*innen systematisch beschneidet: https://www.taxi-times.com/ein-uber-partner-packt-aus/

10 https://www.ridester.com/uber-fees/

11 Einen Einblick in die Einschätzung von „Gig-Jobber“ zu ihren Beschäftigungsverhältnissen liefert der Report des (wirtschaftsnahen und ultra-neoliberalen) „McKinsey Global Institute“ zu „Independent Work: Choice, Necessity and the Gig Economy“:  https://www.mckinsey.com/~/media/McKinsey/Featured%20Insights/Employment...

12 https://deliverunion.fau.org/

13 Action-Video gegen "airbnb" im Rahmen der „Tu mal Wat“-Aktionstage in Berlin im September 2019: https://www.youtube.com/watch?v=CJv2PTcDGrw

14 Bericht des öffentlich-rechtlichen „Rundfunks Berlin Brandenburg“ zum Taxistreik gegen UBER und Co. im April 2019: https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2019/04/taxiverkehr-soll-mittags...

15 Links und Texte gesammelt zu finden auf unserem Blog: https://uberplaetten.blackblogs.org/reaktionen/

16 https://www.heise.de/newsticker/meldung/Taxi-vs-Uber-Koelner-Landgericht...

17 Auch "Greta und Kenny" haben hierzu einige Ideen: https://emrawi.org/?Greta-und-Kenny-schlagen-zuruck-401

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Ergänzungen

In Deutschland fahren keine Selbstständigen für Uber, höchstens im Auftrag von Sub-Sub-Auftragnehmen. Wegen der einmaligen Gesetzeslage ist das Uber-Taxi Geschäftsmodell in Deutschland ein anderes als auf dem Rest der Welt: Die Fahrten werden von Mietwagenunternehmen mit FahrerIn durchgeführt, z.B: in Berlin Teilen sich diesen Auftrag nur wenige Unternehmen wie berlane.de und hautsächlich rocvin.safedriver.de (von denen lange nicht nur die B-RV- Toyota kommen). Wen die dann als FahrerInnen Stellen ist eine andere Frage, aber in Deutschland handelt es sich nicht um Privatautos.