(FAZ) Auf das Feuer hinter den Zellen!

Wir wollen nicht nur Statements zu Aktionen veröffentlichen, sondern auch die Prozesse und Gedanken teilen, die uns als Netzwerk und Gruppe beschäftigen. Wir wollen zeigen, dass unsere Aktionen nicht aus dem Nichts heraus passieren, sondern Teil einer gemeinsamen Vernetzung und Praxis sind. Wir wollen greifbar sein, keine abgehobene Aktivisti-Eliteklasse füttern, sondern uns als Menschen zeigen. Als Menschen, die zweifeln, die begehren, die miteinander lachen und die träumen.

Diesmal wollen wir euch mitnehmen zu einer Schlucht, in der wir gerade stehen, wo unsere Ansprüche sich an der Wirklichkeit stoßen. Wir wollen versuchen euch teilhaben zu lassen an unseren Widersprüchen und Fantasien trotz Repressionsrisiken im Hinterkopf. Wir wollen uns vom zunehmend totalitären Überwachungsstaat nicht daran hindern lassen, unsere Gedanken in Worte zu fassen; wollen nicht verstummen, sondern immer wieder aufschreien, präsent, freudvoll und wütend bleiben, miteinander den Sprung ins kalte Wasser wagen - trotzdem wir nicht wissen, was alles auf uns zukommen wird.

#Die Realität ist so viel vielschichtiger als jede Planung
Uns als Individuen im FAZ-Kontext verbinden Ansprüche an feministische und antiautoritäre Praxis, an nicht nur aktionsbezogenen Austausch (u.A. Raum für Unsicherheiten, Ängste und Utopien schaffen), der Wunsch nach sowohl langfristiger Planung, als auch ausgiebiger Reflektion, sowie der klare Anspruch an einen kritischen Blick auf interne Hierarchien und eine darauffolgende ernsthafte individuelle, wie kollektive Auseinandersetzung damit, wie diese abgebaut werden können. All dem kommt immer und immer wieder die kalte, zischende Realität dazwischen, sodass in der Praxis all die Wünsche und Ansprüche nette Ideen zu bleiben scheinen und trotz Versuchen und unseres besseren Wissens doch zu kurz kommen.
Schon bei der Entstehung dieses Textes geht die Schere auseinander. Nachdem aus Tagen des Sich-Vornehmens ein realer und spannender Austausch wurde, nahm uns kurz darauf die Flut des Alltags wieder in ihren Bann und so wurde dieser Text mehr und mehr zu einem "muss noch geschrieben werden", statt einem "yeah lass mal fertigschreiben". Was ist diese Realität, die wir da in gefühlter Dauerschleife erleben? Was lässt uns in der Praxis unsere Prioritäten anders setzen, als wir es vorhatten?

#Der Realität konstant hinterher rennen
Für unser Projekt gibt es dauerhaft richtig viel zu tun und all diese Aufgaben - von Kochen bis sich ums Material kümmern - dauern oft länger als geplant. Das passiert meist unfreiwillig, z.B. wenn der Einklau-Baumarkt plötzlich die Überwachung ausbaut oder wenn die Kartoffeln fürs gemeinsame Abendessen einfach nicht durch werden wollen. Aber es geht einher mit einem enormen Zeitdruck bezogen auf die knappe Zeit, die wir uns zusammen nehmen und geben für Aktionen, Austausch und alles drum rum.
Aber auch bezogen auf Druck in einem kapitalistischen Sinne, wo es scheinbar nur darum geht, schnell die nächste krasse, noch krassere Aktion zu liefern und nebenbei noch in zehn anderen Gruppen die Struktur mitzuhalten. Unsere Sozialisierungen und damiteinhergehende internalisierte Denkmuster führen zu Verhalten und (un)bewusst getroffenen Entscheidungen, die den destruktiven Status Quo beibehalten, statt offensiv eine Aktion zu streichen oder die Zeit zu finden, einfach mal der Person in der Küche den passenden Topfdeckel für diese scheiß Kartoffeln zu geben.

#Wohlfühlen vs. Aktion?
Um zusammen in Aktion gehen zu können, braucht es Vertrauen ineinander. Es braucht Raum für Gefühle und Ängste, um langfristig als Gruppe handlungsfähig zu bleiben. Und wir haben uns zusammengefunden, um uns diesen Raum zu nehmen und nicht nur harte Aktivisti zu spielen. Und ja, wir sind da dran, hören einander zu in unseren Bedürfnissen und Sorgen. Aber unsere Muster zeigen immer wieder in eine andere Richtung. So wird im Zeitdruck "die Aktion" noch schnell zu Ende geplant, damit es nachts dann wie geplant losgehen kann. Und die Unstimmigkeiten zwischen uns als Menschen werden ignoriert. Am nächsten Tag sitzen wir dann in unserer Emo-Runde da und kotzen uns über diese Dynamik aus. Es wirkt so bescheuert, sich das immer wieder vor Augen zu führen, wenn wir dann doch immer wieder am selben Punkt enden.

#Selbstkritik bis in alle Ewigkeit
Ja, die Ansprüche, die wir an unser Miteinander, ans gemeinsam Aktionen machen haben, sind krass hoch in einer Welt, die von kapitalistischem Leistungsdruck und Effizienzdenken durchzogen ist und wo so viel so unglaublich schief läuft. Trotzdem können Ansprüche, Wünsche und Utopien an unsere gemeinsame Praxis doch nicht nur abgespeicherte Entwürfe bleiben. Trotzdem wollen wir durch die schwierigen Dynamiken durchwachsen und sie brechen - nicht nur hochtrabend von ihnen sprechen, sondern sie ehrlich angehen.
Diese Liste vor uns mit all den Kritikpunkten, die wir an uns als Gruppe und Individuen haben, ist noch lang. Und all das könnte jetzt in ein ewiges Lamentieren übergehen, aber hey, irgendwie sind wir ja noch dabei und die Lacher schreiben wir zwar nicht mit, aber die sind schließlich auch in Fülle da.

#Weiter balancieren
Statt uns selber fertig zu machen für unsere Unperfektheiten, statt uns einer kapitalistischen Wachstumslogik - gegen die wir doch eigentlich kämpfen - folgend weiter zwanghaft zu optimieren, könnten wir einfach mal durchatmen. Könnten unseren jetztigen Stand als das sehen, was es ist. Ein Ist-Zustand und weder perfekt noch statisch. Aber das muss er auch nicht sein, es bleibt ein Prozess, in dem wir lernen, Fehler machen und uns weiterentwickeln. Wir sind gerade in der Anfangszeit und da ist natürlich alles noch nicht so krass am Laufen. Klar, die Angst, dass sich die ungleichen Verantwortlichkeiten und sonstigen kritischen Gruppendynamiken so einspielen und sich verfestigen, ist da. Aber nein, alles nur entspannt nehmen wird uns auch nicht dorthin bringen, wo wir mit unserer Praxis und Aktionen hinwollen. Eine tragbare Balance zu finden, überhaupt sowas wie eine Balance zu finden, erscheint immer wieder unmöglich - okay, lasst es uns eine Herausforderung nennen. Und so bleiben viele offene Fragen und Fetzen, und so werden wir weitergehen. Aber jetzt ist erstmal Zeit fürs Abendessen. Und wir bleiben kritisch und versuchen, gut zu und mit uns selber zu sein und weiter zu balancieren mit Feuer in Händen und Herzen.

Gruß und Kuss,

eine Feministische Autonome Zelle

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