Matratzenprozess in Dortmund

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Bild von da Prinz*essin auf der Erbse

Am Montag, den 16.12. bin ich wieder ab 10h vor Gericht (Saal ist noch nicht
bekannt, aber mein Nachname lautet "Z****e") und freue mich riesig über
solidarische prozessbegleitung.
Es ist nun der 3. Prozesstag in 2. Instanz (Also vor dem LG in Dortmund - Kaiserstraße 34 )
Angeklagt werde ich wegen Sachbeschädigung an einer Matratze in
Polizeigewahrsam. wir treffen uns bis Virtel vor vor dem Gericht.

Hier ist ein etwas älterer Aufruf zur Prozessbegleitung für die 1. Instanz:

https://de.indymedia.org/node/33472... Da wurde ich nach 2 Prozesstagen zu 50 Tagessätze à 10 euro verurteilt, also hab ich Berufung eingelegt. aber da Unna kein
Landgericht hat, komme ich nach Do. In erster instanz habe ich mich selbst verteidigt. jetzt ist ein solidarischer Anwalt mit dabei.

In dem alten Aufruf wurde aus strategischen Gründen einiges weggelassen, was ich aber jetzt preisgeben kann:

Ich habe die Matratze aufgerissen und mich hineingelegt, weil es in der Zelle Arschkalt war und ich nur in Unterhose eingesperrt wurde, und
meine Rufe nach Kleidung oder Decke und Telefonat nicht beachtet wurden. Somit war die Sachbeschädigung wegen "Rechtfertigender Notstand" (§34 StGB) gerechtfertigt und auch sowieso...

Am ersten Prozesstag (12:00h-17:30h) wurde mein Zellengenosse und ein Polizist vernommen. Der Genosse bezeugte mich gehört zu haben wie ich nach
einer Decke rief, und wie ich brüllte, dass mir kalt war. Der Polizist konnte sich an nichts errinnern, außer, dass wir gestunken haben sollen,
mehrfach in den zellengang uriniert haben sollen und sehr laut gewesen sind.  ich stellte u.a. einen 7 Seiten langen Beweisantrag um zu beweisen,
dass bullenaussagen vor gericht mehr gewertet werden als andere... Das gefiel der Staatsanwaltschaft nicht.

Am 2. prozesstag (11:30h-15:00h) wurden 2 weitere Beamten gehört, die wie der erste sich an nichts erinnern konnten außer dass wir gestunken haben
sollen und lärm gemacht haben. Jedoch aber angeblich immer eine Decke zur verfügung gestellt werde, wenn danach gefragt werde. Der richter wollte mir keine Fahrtkosten
erstatten obwohl ich nicht zahlungsfähig bin (das wird jetzt nochmal am 3. prozesstag thema)

Nun sind weitere 3-5 Polizist*innen geladen, die bezeugen sollen, dass ich NICHT nach einer Decke oder Kleidung rief, um mich verurteilen zu können. das werden
sie nicht bezeugen können aber es hängt auch alles von Richter-willkür ab.
Denkbar ist das das Gerich der Polizei Glauben schenkt, insbesondere dass grundsätzlich Decken bereitrgestellt werden, was definitiv nicht der Fall war. Und damit das Gericht sich nicht erlaubt wiedermal Unrecht zu sprechen weil kein Mensch zuschaut, wünsche ich mir ein paar solidarische Menschis die mit
dabei sind.

Bis dahin solidarische Grüße und warme Wintertage!
Z****e

PS: Wer den fall detailierter nachvollziehen möchte: hier ist meine Einlassung zur Sache. Ich weiß, es ist umstritten inwiefern es sinnvoll ist sich grundsätzlich zur Sache zu äußern, aber in absprache mit meinem Zellengenossen und mit der Motivation den Prozess ein wenig zu politisieren habe ich dennoch diese Einlassung verlesen:------------------(((A)))----------------------

 

Einlassung zur Sache:

 

Erstmal einen schönen guten Tag an allen Anwesenden.
Ich habe zum Anlass dieser 2. Instanz meine Einlassung zur Sache der ersten Instanz ergänzt und an meine heutige Verteidigung leicht angepasst.  Denn ich wollte vor dem Amtsgericht keine Aussage darüber treffen wie die Matratze zerstört wurde. Dies werde ich heute jedoch tun.

 

Der Anlass weshalb an diesem Tag die Polizei uns eingesperrt hat ist die nichtbefolgung eines mündlichen Platzverweises, den wir nachkommen wollten aber schlicht nicht konnten, weil wir nicht ortskundig waren, es dunkel und kalt war, und eine unbeleuchtete Landstraße die Gefahr verbarg, einen Autounfall zu provozieren.
Wir waren per Anhalter unterwegs und sind auf dem Autohof in Werne gelandet, wo wir Menschen darum baten uns in Richtung Berlin mitzunehmen.

 

Gestartet sind wir vom Hambacher Forst aus wo, wir während den unverhältnissmäßigen Räumungen im September als Küchenkollektiv gekocht haben und hunderte von Menschen täglich mit veganem Essen versorgt haben:
Täglich waren wir mit Gewalt und Schikane seitens der Staatsgewalt konfrontiert.
Jeden Tag wurde uns untersagt die Polizeiabsperrungen zu passieren um humanitäre Hilfe zu leisten zu können. Täglich musten wir Anwält*innen kontaktieren um nach Stunden das Essen durchbringen zu dürfen.
Alleine am Tag unsere Ankunft wurden wir aus dem Grund der "Gefahrenabwehr" provisorisch festgenommen und in die Gefangenensammestelle nach Aachen gebracht. Schlagstock Schläge, Tränengas Einsatz und provisorischer Polizeigewahrsam waren an der Tagesordnung für jene, die sich im Hambacher Forst für einelebenswerte Zukunft auf diesem Planeten einsetzten. Es waren teilweise auch ziemlich traumatische Erlebnisse mit dabei.

 

Jedenfalls wurden wir am 19.10.18 an dem Autohof Werne abgesetzt und haben auf eine zeitnahe Mitfahrt gehofft denn es wurde schon langsam dunkel und die Erfahrung zeigt dass es für männlich gelesene Menschen nach Einbruch der Dunkelheit nicht gerade einfacher wird mitgenommen zu werden.
Also saß ich vor der Total Tankstelle und sprach wie gewöhnich ankommende Autofahrer*innen an, ob sie uns nicht ein Stückchen mitnehmen könnten. Es dauerte nicht lange und ein Streifenwagen mit 2 jungen Polizeibeamt*innen kam angefahren. Sie sprachen kurz mit einem Mitarbeiter der Tankstelle und kamen auch sogleich mit einem an mich gerichteten mündlichen Platzverweis für den Berreich der Tankstelle. Diesem kam ich nach und gesellte mich zum Hund und zum Freund vor dem McDonalds gegenüber welcher wie ich Menschen fragte ob sie uns mitnehmen würden.

 

Es Dauerte etwas länger und das Glück war nicht auf unserer Seite, sodass wir nach Einbruch der Dunkelheit immernoch da saßen und Leute ansprechen mussten. Nach einiger Zeit kamen auch schon wieder die selben beiden Polizeibeamten wie davor mit einem 2. mündlichen Platzverweis. Diesmal für den Berreich der McDonaldsfiliale. Unser Problem war jedoch dass es außer McDonalds und der Total-Tankstelle auf diesem Autohof keine Gelegenheit gab Menschen anzuprechen. Weshalb wir den sog. "Freund und Helfer" baten uns doch einfach zum nächsten Bahnhof zu fahren, denn fußläufig gab es in näherer Umgebung nichts wo wir hätten weiterkommen können. Dieser bitte wollten sie jedoch nicht nachkommen. Stadtdessen wurden uns Handschellen hinter den Rücken angelegt und wir wurden in die Polizei Wache nach Unna gefahren. Getrennt von unserer 4 Beinigen Begleiterin, welche ins Tierheim gesperrt wurde.

 

Gemäß § 3 des PolG NRW (Ermessen, Wahl der Mittel) welches besagt:

(1) Die Polizei trifft ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen.
(2) Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Der betroffenen Person ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird.

 

Es wäre also auch möglich gewesen unsere Bitte nachzukommen und uns einfach zum nächsten Bahnhof zu fahren.

 

wieauchimmer...

 

In der Polizeiwache in Unna Angekommen wurden wir in 2 verschiedene Zellen gesteckt und unnötiger Weise bis auf die Unterhose ausgezogen. Es war eine Oktobernacht und ziemlich kalt in der Zelle und uns wurde weder Wasser, Decke noch ein Telefonat gewährt obwohl wir erst höflich darum baten.
Also fingen wir an lautstark danach zu rufen und nach einiger Zeit gegen die Zellentür zu hämmern. So konnte ich auch meinen Gefährten hören der immer wieder rief, ihm sei kalt, er wolle zu seinem Hund, er müsse mal telefonieren.
Ich habe mich ungerecht behandelt gefühlt und wollte also meinen Unmut durch lautes trommeln, klopfen, singen und rufen kundtun. Immerwieder habe ich mit aller wucht gegen die Zellentür gehämmert und meine Rechte eingefordert.
Nach einiger Zeit hatten wir mit unserem Protest einen Teilerfolg und mir wurde ein Pappbecher mit etwas Wasser gebracht. Für einige Zeit kehrte Stille ein.
Jedoch war ich immer noch am frieren und mir war es unmöglich bei den Temperaturen in der Zelle Ruhe zu finden, außerdem hatten wir zu keinem Zeitpunkt Gelegenheit gehabt ein Telefonat zu führen um einen Rechtsbeistand anzurufen.
Also fuhr ich fort mit meinem Lauten Protest, nicht zuletzt weil die Bewegung mich ein wenig warm hielt.

 

Jedoch wurde mir weder meine Kleidung, noch eine Wolldecke noch ein Telefonat gewährt. Die diensthabenden Beamten drohten mir stattdessen mich in der Zelle an Händen und Füßen zu fixieren sollte ich nicht aufhören Lärm zu machen.
Von der Drohung dieser Foltermethode eingeschüchtert musste ich klein bei geben und hörte auf Lärm zu machen.

Empört über diese Maßnahme und der drohenden Gefahr mich zu Erkälten kippte ich das Wasser aus dem Becher unter die Zellentür und machte mich an den Überzug der Matratze zu schaffen. Die LKW-Planen ähnliche überzug war sehr Reisfest und es gab keine Möglichkeit ihn aufzumachen ohne ihn zu beschädigen, jedoch blieb mir keine andere Wahl um mich warm zu halten. Ich konnte mit großer Mühe ein kleines Loch in den Überzug beißen und riss diesen dann auf um mich hineinzulegen.
Dies Tat ich auch. Auf dem nackten Schaumstoff, mit dem Latexüberzug zugedeckt wurde die Kälte erträglich und ich konnte endlich einschlafen.

Nach kurzer Zeit kamen T. Beatrix und 2 andere Beamten in die Zelle rein, weckten mich auf und drohten mir ein weiteres mal mit Gewaltanwendung, würde ich nicht "freiwillig" aus der Matratze rauskommen. (Ich finde der Begriff "Freiwillig" trifft es nicht so ganz aber wieauchimmer...)
Dazu meinten sie noch zu mir sie hätten meinen Freund nun in die Klapse gefahren weil er versucht hätte sich mit seiner Unterhose zu erhängen. Weshalb nun auch ich meine Unterhose abgeben müsse. Ich leistete keinen Widerstand jedoch kooperierte ich auch nicht sodass die Beamten meine Unterhose selbst entwendeten.
Ich dachte erstmal ich sei im Falschen Film gelandet.
Ich kenne meinen Freund ziemlich gut und kann bezeugen dass er voller Lebensfreude und Liebe für das Leben ist. Ich wusste sofort dass es wieder eine Lüge und Schikane seitens der Polizei ist.

 

Seit 2007 bin ich nun politisch aktiv. Ich gehe auf Proteste, organisiere friedliche Versammlungen unter freiem Himmel, sowie Info- und Benefizveranstaltungen um humanistische, emanzipatorische und Umweltfreundliche Projekte zu unterstützen. Ich setze mich aktiv ein gegen Krieg, Faschismus und diskrimination aller Art.
In dieser Zeit habe ich leider erkennen müssen, dass die BRD nicht so demokratisch und rechtstaatlich ist wie sie von sich behauptet. Ich habe miterleben müssen, dass unverhältnissmäßige Polizeigewalt nicht die Ausnahme sondern die Regel ist.
Wie zuletzt auch die Ruhr-Universität Bochum in ihrem Zwischenbericht zu rechtswidriger Polizeigewalt bestätigte.

 

In der Schule wurde mir beigebracht zu welch unfassbar grauenhaften Taten der Mensch fähig ist in Bezug auf Kollonialherrschaft, Kriege und Faschismus, doch dass dies jetzt der Vergangenheit angehöre.
Dennoch setzt sich die BRD dafür ein, dass deutsche Waffen in aller Welt verkauft werden können.
Dass Energiekonzerne weiterhin unsere Umwelt und unser Klima zersören können.
Dass Banken mit Lebensmittelspekulation und Landraub Lebensgrundlagen zerstören.
So trägt die BRD aktiv dazu bei, dass Fluchtursachen entstehen.
Doch statt zu den Bekenntnissen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu stehen, zur EU Menschenrechtskonvention oder gar zum Grundgesetz der BRD, macht die Regierung alles nur noch schlimmer!
Menschen werden Abgeschoben, die EU Außengrenzen sind dichter denn je, Deutschland setzt sich dafür ein dass das Mittelmeer zum einem Massengrab wird.
Seenotrettung wird kriminalisiert und immer mehr Menschen landen in den von u.a. Deutschland gefördeten Lager in Lybien, wo Folter, Vergewaltigung, Mord und Menschenhandel an der Tagesordnung stehen bzw. Sterben schon auf den Weg dahin in der Wüste.

 

Aber zurück zur Sache: So musste ich nun ganz ohne Telefonat, Decke oder Kleidung gar ohne Unterhose im Oktober in einer kalten Zelle liegen, ohne zu wissen wie lange ich der Willkür dieser Beamten ausgesetzt bleiben sollte. Und alldies wegen dem Vorwurf der Nichtbeachtung eines Platzverweises. Also wegen dem Vorwurf einer Ordnungswiedrigkeit.

 

Der § 2 PolG NRW oder der sog. "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" besagt:
(1) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

 

(2) Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.

 

(3) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.

 

Demnach hätte es völlig ausgereicht unsere Personalien aufzunehmen eine Anzeige zu schreiben gemäß § 84a PolG. Aber aus irgendwelchen Gründen haben die Beamten es vorgezogen uns unverhältnissmäßiger weise festzuhalten und fragwürdigen Foltermethoden zu unterziehen. Es mag vlt. hart klingen aber ich nenne das Kind beim Namen, denn Kälte, Schlafenzug und Fixierung an händen und Füßen, sowie es bei meinem Zellennachbarn der Fall war sind Foltermethoden.

Hierzulande wurde nun das sog. neue Polizeiaufgabengesetz beschlossen, der juristische Begriff der "drohenden Gefahr" wird umgedeutet um Oppositionelle grundlos einsperren zu dürfen, so wie es schon im Hambacher Forst mit der begründung des "Gefahrengebiets" der Fall war. Die Polizei bekommt eine vielzahl neuer Befugnisse und werden entgegen dem Prinzip der Gleichheit vor Gericht wie Menschen erster Klasse behandelt.
Vlt. erklärt dies das Verhalten vieler Polizist*innen die sich erlauben andere Menschen zu erniedrigen, zu foltern und zu schikanieren.
An dieser Stelle möchte ich hinzufügen, dass ich nicht der Auffassung bin, dass ausnahmslos alle Polizist*innen, rechtswidrige Gewalt anwenden. Unter den vielen Polizist*innen denen ich begegnen musste gab es tatsächlich ein paar wenige, welche umgänglich waren.

 

In den frühen Morgenstunden wurde ich dann entlassen. Ich bin erst in die Psychatrie nach Unna gefahren um zu erfahren, dass sie meinen Freund von dort aus Nackt auf einer Liege fixiert nach Dortmund in die Geschlossene eingeliefert hatten. Also musste ich in diese Stadt kommen um während der Besucherzeiten  ******** antreffen zu können und anschließend mit dem zuständigen Artzt zu reden, welcher dann feststellen musste, dass mein Gefährte gar nicht fabulierte sondern die Polizei ihn zu Unrecht eingeliefert hatte.

 

Also wurde er entlassen und die Polizei Unna kam auf anordnung des Artztes vorbeigefahren um ihm seine Wäsche und Wertsachen zurückzubringen jedoch fehlte einiges. Wir fuhren gemeinsam zurück nach Unna um den Hund aus dem Tierheim abzuholen und unsere Reise fortzusetzen.

 

 

 

 

 

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