22.02.25 – Recherche zu AfD Wahlkampfabschluss in Neu-Ulm
Am Samstag, den 22.02.2025, führte der Neu-Ulmer Kreisverband der extrem rechten AfD eine Kundgebung auf dem Petrusplatz in Neu-Ulm durch. Es sollte sich dabei um den offiziellen Wahlkampfabschluss zur Bundestagswahl am darauffolgenden Tag handeln.
Die Kundgebung zeigt beispielhaft die Funktion der AfD als parlamentarischer Arm für die extreme Rechte. Von AfD, Querdenken-Resten, Zentrum Automobil, Identitärer Bewegung Schwaben bis zu Neonazis waren alle auf dem Petrusplatz vertreten.
Als Redner traten neben Franz Schmid (AfD Neu-Ulm, Mitglied des Landtag Bayerns), Rainer Rothfuß (AfD Lindau, Mitglied des Bundestages und die beiden Direktkanditaten zur Bundestagswahl Gerd Mannes (AfD Günzburg) für den Wahlkreis Neu-Ulm und Daniel Rottmann (AfD Ulm) für den Wahlkreis Ulm/ Alb- Donau- Kreis auf.
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Publikum und Infrastruktur
Insgesamt waren ca. 70 Personen bei der AfD-Kundgebung auf dem Petrusplatz anwesend. Nicht nur bei den Rednern handelte es sich zum großen Teil um ältere Männer. Es waren aktive AfD- Mitglieder und Funktionsträger der Kreisverbände Ulm und Neu-Ulm anwesend. Aber auch andere Kreisverbände waren vertreten wie z.B. Andreas Huber der AfD Kempten oder Walter Metzinger von der AfD Günzburg.
Andreas Huber ist erster stellvertretender Vorsitzender der AfD Kempten und sagt selber, dass er regelmäßig die Querdenken- Spaziergänge in Ulm besucht. Auch war er bei der Martin Sellner Veranstaltung, die von dem Ulmer AfD- Gemeinderat und Aktivist der Identitären Bewegung Nicolas Brickenstein im November 2024 in Neu- Ulm organisiert wurde, anwesend.
Walter Metzinger ist jetzt der Vorstand des AfD- Kreisverbandes Günzburg. Im Jahr 2013 war er Beisitzer für die Partei “Die Linke” in Günzburg/Neu-Ulm und bis 2018 war er stellvertretender Kreisvorsitzender des DGB. Mittlerweile wurde er öffentlichkeitswirksam aus dem DGB- Amt entfernt und tritt als aktives Mitglied für die extrem rechte “Gewerkschaft” Zentrum Automobil auf.
Diverse Mitglieder der AfD Ulm und Neu-Ulm, die vorher an einem Wahlkampfstand in den beiden Innnenstädten waren, kamen auch.
Außerdem auffällig war die hohe Teilnahme von den Resten der Ulmer/Neu-Ulmer Querdenken- Protestbewegung. So saß zum Beispiel einer Gruppe rund um die Anmelderin der Freitagsspaziergänge auf der Terasse des PP1 am Petrusplatz. Das PP1 ist ein Treffpunkte der Querdenken-Bewegung – hier fanden in den letzten Jahren u.a. Planungstreffen für Demonstrationen, Stammtische und Treffen der Partei “Die Basis” statt.
Der Großteil der auf der Kundgebung eingesetzten Schilder werden auch bei den freitäglichen Querdenken “Spaziergängen” benutzt und haben entsprechende Inhalte.
Für die Kundgebung war ein LKW der Firma “Siegfried Klappenecker GmbH” mit Sitz in Bretzfeld nahe Heilbronn als Bühne umgebaut. Eine Person in blauer “AfD Hohenlohe/Schwäbisch Hall”- Jacke war allein für die Technik und deren Aufbau verantwortlich.
Die Veranstaltung wurde gleich von zwei verschiedenen Personen für die AfD fotografisch festgehalten. Friedemann Hinsche dokumentierte während des Wahlkampfes mehrmals die Infostände der AfD Neu-Ulm. Er ist als Fotograf unter dem Namen “zeitundblende” aktiv und gibt unter anderem Fotografie- Kurse über die VHS Neu-Ulm. Im Juli 2024 war Friedemann Hinsche bei der Freiwilligen Agentur “Hand in Hand” zu Besuch. Im Nachgang veröffentlichte er ein Foto, mit dem Text “zeitundblende unterstützt das Bayrische Ehrenamt”. Auf dem Foto, was augenscheinlich in der Agentur gefertigt wurde, trägt Hinsche ein T-Shirt der Neonazi-Marke Thor Steinar.
Die zweite Person, die augenscheinlich Teil der eigenen Fotodokumentation der AfD war, fotografierte die Redner und teilweise das Publikum von der Bühne aus.
Ordner
Unter den fünf Ordnern der AfD-Kundgebung befanden sich drei Personen, die bei der Identitären Bewegung Schwaben aktiv waren: Nicolas Brickenstein, Nick Steger und Robin Mengele.
Nicolas Brickenstein ist heute AfD- Gemeinderat in Ulm. Nick Steger und Robin Mengele treten eher zusammen mit Franz Schmid und der AfD Neu-Ulm auf. Zu Beginn der Kundgebung zeigte Brickenstein den extrem rechten Wolfsgruß in die Richtung der Gegenproteste.
Zusätzlich trat Sebastian W. als Ordner auf dem Petrusplatz auf. Sebastian W. besuchte am 27.03.2021 auf einer Querdenken Kundgebung in Neu-Ulm gemeinsam mit Achim Kast von der NPD Neu-Ulm/Günzburg. Auch nahm Sebastian W. an der neonazistischen Kundgebung des Dritten Weges in Illerkirchberg am 12.12.2022 teil.
Der fünfte Ordner war Marcel Patzke. Er ist Teil des Vorstandes der AfD Neu-Ulm. In den letzten Jahren war Marcel Patzke an mehreren Aktionen gemeinsam mit Aktiven der Identitären Bewegung beteiligt.
Streamer
Trotz der eher geringen Teilnehmendenzahl wurde die AfD-Kundgebung am 22.02.25 gleich von drei regionalen Streamer begleitet. Der AfD-nahe Streamer “ReruTV” übertrug die Veranstaltung live. “ReruTV” wird von Reiner Russ, der seit Jahren die Querdenken Spaziergänge aus Ulm live streamt, betrieben. Er ruft regelmäßig zur Wahl der AfD auf und ist bekennender AfD-Wähler. Begleitet wurde Reiner Russ durch seine Partnerin, welche aktiv mit AfD-Schildern an der Kundgebung teilnahm und zwischenzeitlich auch die Kamera übernahm.
Neben “ReruTV” filmte auch Konrad W., der als “DJ Konrad” auftritt, die Veranstaltung. Dieser stellt seinen Content selbst als “neutrale Berichterstattung ohne Ideologie” dar. Er berichtet seit 2023 vor allem von Querdenken Protesten, aber auch von anderen regionalen Demonstrationen wie den Bauern-Protesten oder Pro- Pälastinensische Demos. Der dritte Streamer “bogdansocial”, der sich wie Konrad W. als neutralen Beobachter darstellt und auch in Neu-Ulm anwesend war, produzierte im Wahlkampf viel Content rund um Infostände von Parteien.
Auffallend ist bei DJ Konrad die Menge von Videos über die AfD Infostände, was zumindest eine gewisse Nähe suggeriert. So begrüßte er den Ulmer AfD- Gemeinderat Nicolas Brickenstein mit Vornamen.
Sowohl “bogdansocial” als auch DJ Konrad scheinen primär an Clickbait Content für Social Media interessiert zu sein. Beide geben aber immer wieder ohne jegliche kritische Einordnung extrem rechten Personen eine Plattform und profitieren davon.
Inhalte der Reden
Es gab insgesamt vier Reden von Franz Schmid (AfD Neu-Ulm Vorsitzender & MdL Bay. Landtag), Daniel Rottmann (AfD Ulm Vorsitzender), Rainer Rothfuss (MdB) und Gerd Mannes (AfD Neu-Ulm Direktkandidat). In den Reden am 22.02.25 wurden inhaltlich vor allem klassische AfD-Narrative verbreitet. Es zeigten sich die verschiedenen politischen Schwerpunkte der Redner.
Franz Schmid machte unmittelbar am Anfang seiner Rede seine völkische Weltsicht mit folgender Aussage deutlich:
“Wir wollen nicht, das Deutschland Siedlungsgebiet ist, sondern das Land der Deutschen.”
- Franz Schmid
Unter diesem Motto steht seine gesamte Rede, die in ihren Forderungen in vielen Punkten deutlich über die Forderungen seiner Partei in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl hinausgeht. So fordert Schmid u.a. die Schließung der deutschen Grenzen und deutete den Einsatz der Bundeswehr an der deutschen Landeskgrenze an. Er fordert die Abschiebung von 15.000 nigerianischen Geflüchteten und die Abschaffung der doppelten Staatsangehörigkeit.
“Das Problem sitzt heute tief verankert in den staatlichen Strukturen, tief in den Instutitionen (…) kürzlich besuchten wir einen Kindergarten in München. Der Erzieher in lackierten Fingernägeln und Rock, hat uns dann seine bunte Regenbogenwelt erklärt. Und wir wissen was inzwischen unseren Kindern in den Kitas und Schulen angetan wird – Stichwort Frühsexualisierung und diese ganze Gender-Ideologie. Wenn wir in Regierungsverantwortung sind liebe Freunde, dann werden wir diese Regebenbogen Fanatiker aus dem Dienst entfernen.”
-Franz Schmid
Darauf folgten Daniel Rottmann, der in seiner Rede viele Punkte nur kurz anriss. Später fokussierte er sich auf seinen christlich-fundamentalistischen Einstieg in die Politik. Bemerkenswert ist eine Aussage, dass Geld für Soziales die Spaltung in Deutschland vorantreiben würde:
“Und wenn wir wieder wie die dahinten (der Gegenprotest) das fordern, immer mehr Geld für Soziales, immer mehr Geld für die ganze Welt, dann wird dieses Land in dieser Spaltung verschwinden, für die nicht wir als AfD verantwortlich sind, sondern die Feinde der Demokratie, auf der anderen Seite.”
– Daniel Rottmann
Rainer Rothfuß versuchte in seiner Rede die AfD als einzige Friedenspartei darzustellen. Er betonte die Notwendigkeit von Frieden, v.a. im Kontext des Krieges in der Ukraine. In seiner Rede lieferte er jeodch keine konkreten Pläne zu dessen Umsetzung.
Daniel Rottmann und Rainer Rothfuß positionierten sich beide begründet aus ihrer christlich-fundamentalistischen Weltsicht gegen Abtreibungen und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung.
Gerd Mannes wandte sich gegen Steuern auf CO2 und arbeitete sich an der CSU und Markus Söder ab.
Lieblingsfeind: Antifa
“Hört ihr einigermaßen was, ja?”
- Franz Schmids eröffenende Worte der Veranstaltung am 22.02.
Offensichtlich störten sich alle Redner an dem antifaschistischen Gegenprotest. Dieser war mit 200-300 Personen deutlich größer als die AfD-Kundgebung. Während der gesamten Dauer der extrem rechten Kundgebung drückte der Gegenprotest lautstark seinen Unmut über die AfD aus.
Auf der Bühne und in Gesprächen unter den Teilnehmenden der extrem rechten Kundgebung wurden die üblichen haltlosen extrem rechten Behauptungen zu bezahlten Antifaschist*innen, die alle arbeitslos und oder angereist sind, verbreitet. Tatsächlich fanden zeitgleich in vielen süddeutschen Städten (u.a. in Augsburg, Mannheim, München, Ravensburg, …) antifaschistische Proteste statt.
“Ja liebe Freunde, die staatlich finanzierte Antifa und das Regenbogengesocks, diese Leute, die stehen für all das was wir als AfD nicht wollen. Die stehen für Vielfalt, die daraus besteht, dass wir in einem Land leben müssen mit Messermänner, mit Vergewaltiger und Clan-Kriminellen. Kulturfremden, die an Silvester unsere Sicherheitskräfte beschießen oder direkt die Rakete in das Zimmer unserer Kinder abschießen. Dahinten steht die Truppe die das will. Hier stehen die Leute die das nicht wollen, wir wollen unser Land zurück.”
- Franz Schmid
Ebenfalls wurde ein Banner an der Petruskirche mit dem Schriftzug “Die Welt ist bunt genug, Gott sei Dank” von vielen der Rednern aufgegriffen. Hier wurde ein inhaltlicher Widerspruch beim Verhältnis zur Kirche und Religion der vier AfDler untereinander bemerkbar: Rottmann und Rothfuß positionierten sich stark christlich-fundamentalistisch und explizit für eine Politik, die sich an Bibel und Christentum orientiert – dahin gegen forderten Schmid und Mannes in ihren Rede, dass die Kirche sich nicht politisch betätigen solle.
“Und weil ich es auch gerade drüben an der Kirche sehe “die Welt ist bunt genug, Gott sei dank” es ist furchtbar, dass die Kirche sich immer wieder in die Politik einmischt und vor allem ist es furchtbar, dass die Kirche auch links abrutscht."
- Franz Schmid
“Eintreten für unsere Werte und dafür zu kämpfen – Für mich persönlich heißt das auch hin zu Gott. Sich an seinen Worten und an der Bibel zu orientieren und da sich auch inspirieren zu lassen für die Politik.”
- Daniel Rottmann
“Die Alternative für Deutschland hat ein Stück weit die Funktion der Kirchen übernommen. Die Kirchen stehen nicht mehr ein für Frieden für Freiheit. (…) Sie warnen nicht mehr vor Fehlentwicklungen. Sie stellen sich auch nicht mehr so mutig vor das ungeborene Leben. Das machen wir als alternative für Deutschland.”
- Rainer Rothfuss
“Wir die AfD, wir verteidigen das christliche Abendland. (…) Das heißt aber auch nicht, dass ich der Meinung bin, dass sich die Kirche politisch äußern soll. (…) Guckt um das Seelenheil eurer Gemeindemitglieder und mischt euch nicht so in die Politik ein, passt nicht.”
- Gerd Mannes
Unsere Einschätzung:
Die Kundgebung zeigt auf kleiner Ebene, wohin sich die AfD in den letzten 10 Jahren entwickelt hat: Eine Zusammensetzung aus unterschiedlichen extrem rechten Strömungen – von Querdenken, zu Identitärer Bewegung, extrem rechten Gewerkschaftsversuchen, christlich-fundamentalistischen Rechten, völkischen-faschistoiden Rechten, Personen, die Neonazi-Kleidung tragen oder an Neonazi-Kundgebungen teilnehmen und und und. Es ist ein Mosaik der extrem Rechten in der die AfD den parlamentarischen Arm bildet.
Beispielhaft ist dies an den fünf Ordner zu sehen. Hier wird deutlich, wie die lokale AfD mit regionalen extrem rechten Organisationen vernetzt ist und zusammenarbeitet.
Inhaltlich wurden auf der Bühne die üblichen AfD Narrative verbreitet, die einige offensichtliche Widersprüche im extrem rechten Weltbild der AfD aufzeigten. Wiederholt sprechen sich alle Redner für Meinungsfreiheit, Diskurs, Demokratie, gegen gesellschaftliche Spaltung und Dämonisierung (der AfD) aus. Im nächsten Atemzug wird kaum getarnter Rassismus gegenüber allen, die keinen deutschen Pass haben verbreitet, Antifaschist*innen für alles verantwortlich gemacht oder durch Franz Schmid eine queer-gelesene Erzieher*in dämonisiert.
Bei der Betrachtung des organisatorischen Aufwandes ist zu vermuten, dass die AfD Neu-Ulm als Veranstalter mit einem größeren Zulauf zu ihrem Wahlkampfabschluss gerechnet hatte. Die Anzahl der anwesenden Personen schien verhältnismäßig gering zum Aufwand. Einige Anwesende schienen ebenfalls enttäuscht über die geringe Teilnahme.
“Du ich muss ehrlich sagen, ich bin entsetzt, dass die Arschlöcher mehr sind als wir. Das kann doch nicht sein, dass die Leute auf unserer Seite einfach nicht hier herkommen.”
- Aus einem Gespräch von der AfD Kundgebung über die antifaschistischen Gegenproteste
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