G7-Proteste – Von falscher Kritik und warum wir dennoch nach Elmau fahren

Eine Bestandsaufnahme

 

Wer einen Blick auf die aktuellen Mobilisierungsversuche verschiedenster Gruppen und Bündnisse zu den G7-Protesten wirft, der_dem springen einige unangenehme Entwicklungen ins Auge.

So agieren Parteien und NGOs als Spalthammer der Proteste und entsolidarisieren sich gezielt mit dem Versuch einen radikalen und breiten Protest auf die Straße zu tragen. Auf diese Weise unterbieten sie die ohnehin schon niedrigen Erwartungen, die an ihre reformistischen Strukturen gestellt werden können, noch. Viele Gruppen und Bündnisse, bei denen Potenzial für einen radikalen Protest vermutet werden könnte, arbeiten gar nicht erst zum Thema, was angesichts dieser undankbar wirkenden Aufgabe und anderer drängender Themen zwar verständlich aber durchaus wenig zufrieden stellend ist. 

Dadurch ergibt sich ein Feld, welches zwar nicht ausschließlich aber dennoch in weiten Teilen von fragwürdigen politischen Analysen und daran anknüpfender Mobilmachung geprägt ist.

Bleiwüsten voller Verkürztheit und Stammtischpolemik, die dennoch einen welterklärenden und somit verschwörungstheoretischen Ton anschlagen, sind das Ergebnis. Die Schuldigen scheinen in jedem Falle klar ausgemacht zu sein.

 

„Ich hab keinen Bock, moralisch zu argumentieren, ich hab Bock, politisch zu argumentieren.“ - Sookee

 

Vieles davon erscheint tatsächlich reaktionär und stereotyp und somit alles andere als emanzipatorisch, denn weder wird dabei die jeweils eigene Rolle im kapitalistischen System reflektiert, noch ist eine auf einzelne Akteur_innen zielende Analyse ausreichend um einen linksradikalen Protest als emanzipatorisch zu rechtfertigen.  Das gilt sowohl in Bezug auf politische als auch auf kapitalistische Akteur_innen. Denn das Problem sind nicht die Hinterzimmertreffen von Regierungsoberhäuptern oder das Gefühl gemeinsam mit der eigenen Peergroup unterdrückt zu werden. 

Genau betrachtet handelt es sich dabei lediglich um logische Konsequenzen kapitalistisch organisierter Staaten, die auch als solche erkannt und verstanden werden sollten. Nicht für gerechtere Staaten oder in irgendeiner Form andersgeartete demokratische Zustände sollte sich Protest formieren. Wir müssen uns klar machen, dass der Kapitalismus diesen nicht dialektisch gegenübersteht, sondern sich in genau ihrem Feld bewegt und entfaltet und wir müssen auch verstehen, dass es keine weniger ausbeuterischen Zustände in der Logik von Nationalstaaten und Kapitalismus geben kann. Denn in ihnen sind und bleiben Menschen und ihre Beziehungen untereinander  stets nur über ihre Eigentumsverhältnisse definiert.

Auf Moral aufbauende Kritik an mangelnder Transparenz des G7-Gipfels oder die Verurteilung westlicher Großkonzerne als besonders große Übel des Kapitalismus vernachlässigen genau das. Es gibt sie nicht, die guten Staaten und Völker oder den besseren Kapitalismus. Ob Ausbeutung von transnationalen Großunternehmen betrieben wird oder anderen, kleineren lokalen Unternehmen hat keine entscheidende Bedeutung, denn sie ist fester Bestandteil sämtlicher kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Und dieses Problem kann nicht mit mehr demokratischer Legitimation für Treffen in schicken Luxushotels gelöst werden. Wir gehen viel mehr davon aus, dass es sich dabei schlicht um logische Auswirkungen struktureller Probleme, die dem System immanent sind, handelt und auch die mangelnde Partizipation ein Problem ist, das sich nicht mit den althergebrachten bürgerlichen Rezepten, also systemintern lösen lassen kann. Wer versucht mittels demokratisch-kapitalistischen Nationalstaaten den Kapitalismus zu bändigen, wird im besten Falle zu einer Verlagerung der Symptome, nicht aber zu einer umfassenden Überwindung von Verwertungslogik, Ausbeutung und Entfremdung gelangen. Den Kapitalismus staatlich bändigen zu wollen kann daher nicht das Ziel einer radikalen Linken sein, die sich abseits der Sozialdemokratie verortet. Dem entsprechend kann demokratische Rechtskritik und Kritik an einzelnen Praktiken, die sich auch in der gleichen Form auf einer bürgerlichen Ebene artikulieren könnten, nur  einen reformistischen Charakter entwickeln und nicht zu einer tatsächlichen Veränderung, der uns alle beherrschenden Verhältnisse beitragen.

Der G7-Gipfel ist dabei vor allem eines: eine politische Kulisse des Kapitalismus. Und genau an diesem Punkt kann auch aus einer emanzipatorischen linksradikalen Perspektive angesetzt werden.

 

Den Widerstand organisieren

 

Zu glauben, das Ende des Kapitalismus käme mit den G7-Protesten, würde uns nicht im Traum einfallen. Wer ehrlich zu sich ist, sollte zu einem ähnlichen Schluss gelangen. Denn im kapitalistischen Alltag ist die ganze Tragweite des Kapitalismus nur selten klar erkennbar und die nötigen Massen für einen Umsturz sind genau deshalb schlicht nicht vorhanden. Der Kapitalismus wird sich zudem weder selbst erledigen, noch durch Reformen vom Tisch wischen lassen. 

Und dennoch ist er überwindbar. Er ist sozial geschaffen und somit auch abzuschaffen. Dafür ist es jedoch wichtig, ihn im Ganzen und nicht nur einzelne Akteur_innen zu kritisieren. Das heißt auch, sich darüber klar zu werden, wie fest der Kapitalismus ideologisch verankert ist. Doch aus einem Bewusstsein der eigenen, eingeschränkten Handlungsmacht und der vielleicht marginalen gesellschaftlichen Bedeutung jeglichen Protest, der auf eine Veränderung der bestehenden Verhältnisse abzielt, zu unterlassen und einfach nur vom Schreibtisch aus erhaben den Zeigefinger hochschnellen zu lassen, kann für uns nicht die einzige Betätigung sein. Wir wollen die drängenden Interessen auch auf der Straße  artikulieren, denn eine kritische Intervention gehört auch dorthin.

Ob die Gipfelproteste eine bessere oder schlechtere Möglichkeit darstellen den radikalen Antikapitalismus auf die Straße zu tragen als andere, darüber können und wollen wir nicht urteilen. Sie stellen jedoch einen Anlass dar, der einen möglichen Rahmen dafür bietet. Und wir sollten diesen Rahmen als Chance begreifen zu zeigen, dass  wir da sind und, dass der Kapitalismus nicht alternativlos ist. Diese Chance lassen wir uns nicht entgehen. Auch andere sollten das nicht tun. Also packt eure Rucksäcke!

 

Gegen Nation und Kapitalismus!

Für den freien Kommunismus!

 

Theorie, Kritik & Aktion | Berlin [TKA]

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