Fotos: Blockaden stoppten Naziaufmarsch in Demmin
Die komplette Innenstadt abgeriegelt, 800 Polizisten im Kampfmontur zwischen Sitzblockaden und Straßensperren: Gegen den jährlichen Fackelmarsch der Nazis am 8. Mai in Demmin gingen so viele Menschen wie noch nie auf die Straße. In diesem Jahr war es fast gelungen den Aufmarsch zu verhindern, die Nazis und Geschichtsrevisionisten hatten gerüchteweise sogar vor gehabt umzukehren. Am Ende erreichten sie zwar ihr Ziel, einen Gedenkkranz in die Peene zu werfen, jedoch zähneknirschend und mit großer Verspätung. Umso größer dürfte die Motivation im kommenden Jahr sein, den „Trauermarsch“ im zehnten Jahr endgültig zu stoppen.
Fotos unter: http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/080515demmin.html
Nach dem 8. Mai im letzten Jahr gab es heftige Kritik am Polizeieinsatz. Polizeihunde wurden ohne Maulkorb an langer Leine gegen Sitzblockierende eingesetzt, Wasserwerfer zum Abschirmen der Nazis aufgefahren und es gab eine übermotivierte Festnahmeeinheit. Diese prügelte einen französischen Aktivisten solange, bis er bewusstlos war und auf dem Weg ins Krankenhaus ins Koma gelegt werden musste. Der brutale Polizeieinsatz führte zu Landtagsdebatten, einer öffentlichen Aufarbeitung und wohl auch dazu, das in diesem Jahr die Polizei deutlich zurückhaltender agierte.
Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes veranstaltete das Aktionsbündnis die erste Demminer Konferenz gegen Krieg und Faschismus. "Warum demonstrieren wir? Wo stehen wir heute? Welche Bedeutung haben Krieg, Nationalismus und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft?“ Diese Fragen waren Ausgangspunkt für Vorträge und Diskussionen mit internationaler Beteiligung vom 7. Mai bis in den Vormittag des 8. Mai.
Ab 14 Uhr startete auf dem Marktplatz ein buntes Fest von Vereinen und Organisationen. Um 17 Uhr gab es ein Friedensgebet in der Kirche und um 17.30 begann die Demonstration mit rund 500 Teilnehmer_innen vom Marktplatz zum Barlachplatz. An der Stele für Opfer von Krieg und Gewalt wurden Blumen niedergelegt. Bei der Abschlusskundgebung sprachen Vertreter des Aktionsbündnisses, der Kreistagspräsident, Landtagsabgeordnete und internationale Gäste. Nur von den Stadtoberen war niemand anwesend.
Im Anschluß verteilten sich die Menschen in der Stadt. Einige gingen zu den Mahnwachen. Die Swingblockade besetzte den südlichen der möglichen Bahnübergänge der Aufzugsroute. ZivilCHORage und Lebenslaute fusionierten zu einer Blockade in der Frauenstraße. Und immer wieder gelang es Gruppen auf die Aufmarschstrecke zu gelangen, trotz der massiven Absperrungen durch Polizeikräfte und Gitter. Sitzblockaden entstanden auf der Zetkin-Str. und Breitscheid-Straße, die den Weg für die Nazis über Stunden dicht machten. Teilweise setzte die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke zum Zurückdrängen der Demonstrant_innen ein. Insgesamt mindestens 9 Blockaden gelangen auf der Strecke der Nazis. Nachdem die Polizei diese im westlichen Teil phasenweise unkontrolliert lies, verschoben diese sich, eine Dynamik entstand. Der Naziaufmarsch kam zum Stoppen und ersten Mal hielten die Nazis auf dem Weg in den Hafen eine Zwischenkundgebung ab. Udo Pastörs sprach schon Abschiedsworte, als der Aufmarsch doch weiterging. Er wurde an den Sitzblockaden auf dem Gehweg vorbeigeleitet und dann durch Nebenstraßen in den Hafen. Erst gegen 23.15 Uhr konnten die Nazis ihren Kranz in die Peene werfen.
Fast 1000 Menschen beteiligten sich an den phantasievollen und entschlossenen Protesten. Darunter war eine internationale Beobachter_innen-Delegation mit Mitgliedern aus Frankreich, Großbritannien und Kamerun. Diese resümierten ein insgesamt besonnenes Verhalten, sowohl der Demonstrationsteilnehmer als auch der Polizeieinsatzkräfte. Zum Abschluss gab es am 9. Mai ein tolles Friedenskonzert, bei dem „Bejarano und Microphone Mafia“ und weitere auftraten. - Peter Kistenmacher -