„Diese Union tötet“
<p>Es kommt ja selten vor, dass man aus Artikeln der Süddeutschen Zeitung zustimmend zitieren möchte, aber es kommt vor. Heribert Prantl kommentierte die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union:</p><p>„Die EU-Politik hätte die Mittel und die Möglichkeiten, die Flüchtlinge zu retten, die der Hölle in Syrien und Libyen entkommen sind; aber man lässt sie ertrinken. Ihr Tod wird hingenommen, er wird in Kauf genommen; er soll abschreckend auf andere Flüchtlinge wirken; er soll von der Flucht abhalten. Europa schützt sich vor Flüchtlingen mit toten Flüchtlingen.</p>
Das Rettungsprogramm Mare Nostrum, das Italien nach der Katastrophe von Lampedusa begonnen hatte, ist beendet worden. Die EU hat sich geweigert, es zu finanzieren. Die Kosten für das Rettungsprogramm hätten denen entsprochen, die demnächst für den Gipfel der Staats-und Regierungschefs in Elmau aufgewendet werden müssen. Der dauert zwei Tage. Mit dem Geld könnte man 365 Tage Rettung organisieren. Sind das die Wertigkeiten, die in Europa gelten? Diese Union tötet; sie tötet durch Unterlassen, durch unterlassene Hilfeleistung. …
Bundesinnenminister Thomas de Maizière sperrt sich gegen eine EU-Seenotrettung; damit arbeite man, sagt er, den Schleppern in die Hände. Das ist Zynismus. So werden Menschen verzweckt: Sie müssen sterben, um eine Kriminalität zu bekämpfen, die durch eine falsche EU-Politik produziert wird. Das Schlepperunwesen kann ja nur deswegen grassieren, weil Europa die Schotten dichtgemacht hat - weil es die Flüchtlinge mit allen, auch völkerrechtswidrigen Mitteln fernhält. Für alle Fluchtländer, auch für die, in denen höchste Not herrscht, gilt Visumspflicht. Das heißt: Ohne Visum kommen Menschen nicht nach Europa. Ein Visum kriegen diese Leute aber nicht. Kurz: Es gibt keine legalen Einreisewege in die EU.“
Prantl tut der EU nur in einer Hinsicht unrecht: Sie tötet nicht nur durch Unterlassen. Sie hat auch an der Erstellung der Höllenzustände in Syrien und Libyen mitgewirkt, denen die Flüchtlinge zu entkommen suchen. Um unliebsame Machthaber zu beseitigen haben die Europäer zusammen mit und teilweise auch in Konkurrenz zu den USA Kriege losgetreten, die die Lebensgrundlagen der Bevölkerung ruiniert haben.
Im Fortgang ausgerechnet diese „mörderische Union“ aufzufordern Flüchtlinge nicht nur aufzufischen, sondern auch aufzunehmen, zeugt allerdings davon, dass bei aller Verurteilung eine Beurteilung europäischer Politik nicht stattgefunden hat.
„Die EU muss legale Einreisewege schaffen. Die EU muss die Visumspflicht für gewisse Zeit aufheben. Die EU muss Asylanträge schon in den Herkunftsländern entgegennehmen. Flüchtlinge aus den Höllenstaaten müssen in EU-Staaten angesiedelt werden. Die EU ist Träger des Friedensnobelpreises. Einer EU, die dem Sterben zuschaut, sollte der Preis wieder weggenommen werden. Eine Union, die das Meer als ihren Verbündeten begreift und einsetzt, ist eine mörderische Union.“
Müssen muss die EU gar nichts von alledem. Allenfalls will und wird sie die Herkunftsländer dafür in die Pflicht nehmen, dass Asylanträge bereits dort durch die EU abgelehnt werden können. Dann sterben die Menschen in den Höllenstaaten, aber sie ertrinken nicht mehr. In Europa ansiedeln „muss“ die EU diese Menschen nur in der Vorstellungswelt von Idealisten, die bei aller Wut auf sie immer noch an einem eigentlich guten Bild von ihr festhalten. Deren Wut führt gar nicht zu einer politischen Gegnerschaft, sondern nur zu einer moralischen Verurteilung und einer virtuellen Entnobelpreisung.
Da hört die Zustimmung schon wieder auf!
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