Interview zum zweiten Heini-Prozess

Themen: 

Die Drei Heini‘s
2. Akt 3. Teil

Die Aufarbeitung

Nun wenden wir uns wieder einmal an euch mit ein „wenig“ Output. :)
Mit dem Weg sich selbst vor Gericht zu vertreten, wie es der zweite Heini gemacht hat, gibt es in letzter Zeit wenig oder keine praktischen Erfahrungen bezüglich dieser Schwere der Vorwürfe.
Da dieser Weg nicht nur für den Heini aus Überzeugung geschehen ist, sondern wir auch durchaus ein experimentelles Potenzial in dieser Form des Widerstandes sehen, möchten wir mit dem folgenden Artikel die Gedanken bearbeiten, die wir uns gemacht haben, die Konsequenzen beleuchten, derer wir uns bereits bewusst sind und Handlungsspielräume eröffnen, welche wir durch die tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Rechtssystem kennenlernen konnten.

Nun wenden wir uns wieder einmal an euch mit ein „wenig“ Output. :)
Mit dem Weg sich selbst vor Gericht zu vertreten, wie es der zweite Heini gemacht hat, gibt es in letzter Zeit wenig oder keine praktischen Erfahrungen bezüglich dieser Schwere der Vorwürfe.
Da dieser Weg nicht nur für den Heini aus Überzeugung geschehen ist, sondern wir auch durchaus ein experimentelles Potenzial in dieser Form des Widerstandes sehen, möchten wir mit dem folgenden Artikel die Gedanken bearbeiten, die wir uns gemacht haben, die Konsequenzen beleuchten, derer wir uns bereits bewusst sind und Handlungsspielräume eröffnen, welche wir durch die tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Rechtssystem kennenlernen konnten.
Wir begreifen unsere Arbeit nicht nur als Unterstützung für Die Drei Heinis, sondern sehen dies auch aus vielerlei Hinsicht als große Möglichkeit, Diskussionen in der Szene anzustossen, um neue Wege zu erschliessen und wieder offensiver mit Repressionen umgehen zu können.
Wir haben für diesen Artikel eine Art Interview Format gewählt, um so besser die verschiedenen Seiten beleuchten zu können.
Im Folgenden beschäftigen wir uns mit der Entwicklung Einzelner und der Gruppe, betrachten die Vor- und Nachteile sich selber zu verteidigen, welche Möglichkeiten es gibt, den Gerichtsaal zu erobern. Aber auch, inwiefern die Verweigerung der Logik der Gerichte überhaupt möglich ist und die damit einhergehende politische Relevanz unserer Handlungen. Und zu guter Letzt gehen wir darauf ein, was wir daraus ziehen können, sei es Energie, Selbstbewusstsein oder auch was wir vielleicht eingebüßt haben.
Den Artikel veröffentlichen wir diesmal auf unserem neuen Blog, welchen wir lieber spät als nie nutzen möchten. :)

Hier der Link zum Artikel: http://diedreiheinis.noblogs.org/post/2019/09/06/49/

Wir wünschen euch viel Spaß beim lesen und hoffen sehr, dass wir uns am 24.September um 09.00h in der Turmstr. 91 zum nun dritten Prozesses der Heinis sehen und euch wiedermal als Unterstützer*innen begrüßen können.

Fette solidarische Grüße an alle Gefangenen! Mit besonderem Blick auf „Die Drei von der Parkbank“ und „Die Drei von der Autobahn“, welches die neuesten Opfer der präventiven Abwehrmethoden dieser widerlichen, repressiven Staaten sind!
Freiheit für alle Gefangenen!!!!

Die Drei-Heini-Crew

 

Hier Ausschnitte aus dem Interview:

Wie sah der Gruppenprozess im Laufe der ersten beiden Prozesse aus?
Antwort Support-Kreis:
Eine wichtige Erfahrung für uns als Support-Kreis war das Empowerment im Laufe der Vorbereitung auf den Prozess und während des Prozesses selbst. Das mag im ersten Moment kontraintuitiv erscheinen, weil es sich ja um eine Situation handelt, in der mensch mit Repression zu tun hat. Sich jedoch aus einer Situation der (vermeintlichen) Ohnmacht gegenüber der Repression in eine Position aktiver, kollektiver Mitbestimmung zu versetzen, haben wir als sehr empowernd erlebt.
Die Selbstermächtigung ist für uns ein zentraler Erfahrungswert der Anti-Rep-Arbeit.
Das bedeutet, aus der Repression nicht „nur“ einen Abwehr-Kampf zu machen bzw. die Anti-Rep-Arbeit nicht „nur“ als aufgezwungene Reaktion zu sehen, sondern sie aktiv und selbstbestimmt mitzugestalten. Auf diese Weise kann den eigenen politischen Standpunkten Ausdruck verliehen werden, zum Beispiel über der Prozess, die Gerichtsverhandlung selbst, aber auch Drumherum im Rahmen einer Kundgebung mit Redebeiträgen, über Flyer, Plakate, veröffentlichte Artikel usw.
So haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Rahmen des Gerichts aktiv mitbestimmt werden kann und mensch den Logiken des Justizsystems nicht vollkommen unterworfen ist. So konnten wir mit einem selbstbewussten Gefühl, mehr oder weniger frei vom Gefühl der Fremdbestimmung aus dem Gericht rausgehen.

Die Dinge selber in die Hand zu nehmen, bedeutete auf der anderen Seite auch viel Druck und Verantwortung gegenüber der betroffenen Person. Viel Arbeit wurde nicht in die Hände einer anwaltlichen Unterstützung gelegt, was uns viel Druck hätte ersparen können. Auf der anderen Seite haben wir uns bewusst dagegen entschieden, um mehr eigenen Handlungsspielraum zu haben. Nur in einzelnen Fragen haben wir uns von einer Anwältin unterstützten und beraten lassen.
Die gemeinsam gemachte Arbeit und von uns getragene Verantwortung hat bedeutend zu unserem Gruppengefühl und zur Gruppenstärke beigetragen.

Durch den Prozess haben wir außerdem die Erfahrung gemacht, dass eine offensive Selbstverteidigung nicht per se zu härteren Urteilen führt (zumal, wenn sie “nur” dazu genutzt wird, ein politisches Statement zu setzen). Das Urteil lag sogar niedriger als (von einzelnen) erst angenommen.

Darüber hinaus hat auch eine theoretische Auseinandersetzung innerhalb der Gruppe stattgefunden. Wir haben uns in die Grundlagen des Rechts-, Straf- und Gefängnissystems eingearbeitet und uns mit Alternativen zum Straf- und Gefängnissystem (Stichwort: Transformative Justice) auseinandergesetzt. Auch diese Arbeit haben wir als empowernd erlebt und konnten uns in einem gewissen Maße die Mittel des Gerichts aneignen, um sie gegen dieses zu wenden. Konkret kann das zum Beispiel heißen, sich in das Schreiben von Beweisanträgen einzuarbeiten und/oder die eigenen Rechte (vor Gericht) zu kennen.

Wo siehst du die Vor- und Nachteile, sich selbst vor Gericht zu verteidigen?
Antwort Support-Kreis:
Vorteile sehen wir in verschiedenen Punkten. Einerseits bedeutet es für uns, sich nicht (oder so wenig wie möglich) auf die Logik des Gerichts und des Justiz-/Strafsystems einlassen. Aus diesem Grund wurde keine anwaltliche Vertretung in Anspruch genommen, da Anwält*innen ein Teil des Rechtssystems sind.
Wir haben uns bewusst von der Illusion verabschiedet, in einem “gerechten” Verfahren die eigenen Möglichkeiten auszuloten. Stattdessen haben wir darauf gesetzt, die eigene Meinung offensiv kundzutun und der repressiven Stimmung des Gerichts somit zumindest ein wenig entgegenzutreten.
Außerdem wollten wir neue Strategien vor Gericht wagen und so auch gute Erfahrungen machen, die auch andere ermutigen können, diesen Weg zu gehen.

Nachteile können sich je nach Standpunkt und Ausrichtung der Selbstverteidigung ergeben. Wenn die betroffene Person sich selber verteidigt und das Ziel hat, zum Beispiel die eigene “Unschuld” zu beweisen, fehlt einem im Zweifel die anwaltliche Erfahrung, vor allem in der Befragung. An den entscheidenen Stellen werden dann ggf. nicht die notwendigen Fragen gestellt, die die “Unschuld” belegen könnten.
Die Möglichkeit, sich selbst zu belasten, ist an dieser Stelle auch sehr groß. Im Zweifel halten Anna und Arthur immer noch das Maul!

Wir konnten in dem Prozess leider nicht alles ausschöpfen, weil wir (wegen frühzeitiger Räumung des Gerichtssaals) nicht alle Mittel anwenden konnten, die wir vorbereitet haben (Beweisanträge, Befragung). Aus diesem Grund ist unsere Erfahrung auch begrenzt; Es wäre sehr interessant gewesen, welche Reaktion die Beweisanträge hervorgerufen hätten.
Die Räumung des Gerichtssaales, als Reaktion auf die kleinen Interventionen von Seiten des Publikums am Anfang, hat leider dazu geführt, dass wir nicht alle Mittel ausspielen konnten. Hier kann sich also die Frage gestellt werden: Möchte mensch am Anfang lieber die Füße still halten, um zum Beispiel den Fokus auf Anderes (die Befragung etc.) zu legen. Das Gericht funktioniert so autoriär, dass selbst bei kleinen vereinzelten Störungen geräumt wird, sodass es sich lohnt, sich diese Fragen vorab zu stellen.

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http://diedreiheinis.noblogs.org/post/2019/09/06/49/

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