Die Schnüffelpraxis des Jobcenters Frankfurt/Main
Das Jobcenter Frankfurt Ost verlangt in einem Aushang von allen seinen „Kund*innen“ bei Anträgen auf Weiterbewilligung von Leistungen nach SGB II die Vorlage ungeschwärzter Kontoauszügen. Erwerbslose protestieren gegen ausufernde Schnüffelpraxis des Jobcenters Frankfurt.
Insbesondere die Aufforderung des Jobcenters Frankfurt Ost, ungeschwärzte Kontoauszüge vorzulegen, erscheint vor dem Hintergrund einer Informationdes Bundesdatenschutzbeauftragtenrechtlich mehr als zweifelhaft.
Betroffene wehren sich!
Zum Einen hat sich eine von der Aufforderung des Jobcenters Ost betroffene „Kundin“ am 01.08.2019 mit einer datenschutzrechtlichen Beschwerde an den Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) gewandt. Diese Beschwerde hat die Betroffene der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main zur Veröffentlichung in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt. Darin werden 3 Fragen an den BfDI gestellt: Wie beurteilt der BfD
1. die Aufforderung des Jobcenters Frankfurt Ost, wonach ungeschwärzte Kontoauszüge vorzulegen sind;die Aufforderung des Jobcenters Frankfurt Ost, wonach ungeschwärzte Kontoauszüge vorzulegen sind;
2. die Fragestellung, ob auch Regelungen des Sozialdatenschutzes an den Anforderungen der Europ. Datenschutz-Grundverordnung https://dsgvo-gesetz.de/ (DSGVO) zu messen sind;
3. das Problem, dass das Jobcenter Frankfurt Ost die Vorlage von Kontoauszügen für bis zu sechs Monate fordert, während die Urteile des Bundessozialgerichtes (19.02.2009 – B 4 AS 10/08 R u. 19.09.2008 – B 14 AS 45/07 R) von einem Zeitraum von max. drei Monaten ausgehen?
Zum Anderen hat sich das Frankfurter Erwerbslosenbündnis „AufRecht bestehen“ in einem Brief vom 07.08.2019 an die Geschäftsführerin des Jobcenters Frankfurt gewandt und festgestellt: “… wir sehen uns veranlasst die neue Verwaltungspraxis der Frankfurter Jobcenter zu problematisieren, da SGB-II-Antragstellerinnen und Antragsteller einem Pauschalverlangen von Kontoauszügen ausgesetzt werden. Wir als Bündnis ‚AufRecht bestehen‘, einem Zusammenschluss aus verschiedenen Erwerbslosengruppen und –initiativen, erachten dies in mehrfacher Hinsicht insbesondere in Anlehnung an die Urteile des Bundessozialgerichtes (19.02.2009 – B 4 AS 10/08 R u. 19.09.2008 – B 14 AS 45/07 R) für hochproblematisch…” Dem schließt sich die Aufforderung an, “die unbestimmte massenhafte Einsammlung von Kontoauszügen einzustellen und die Vorlagepflicht entsprechend der Bundessozialgerichtsurteile zu beschränken.Statt Aushänge haben die Jobcenter der Informations-, Auskunfts- und Beratungspflichten gemäß § 13, 14, 15 SGB I, regelmäßig erweitert durch § 57 SGB II, §§ 29 ff. SGB III, § 93 SGB IV, § 17 Abs. 1 SGB VII, § 7 SGB XI, § 22 Abs. 1 SGB IX, § 109a SGB VI, § 11 SGB XIInachzukommen und den Datenschutz zu beachten.“
Zwei ergänzende Informationen:
1. Der Bundesdatenschutzbeauftragte ist die zuständige Datenschutz-Aufsichtsbehörde für alle Jobcenter in gemeinsamer Trägerschaft von Bundesagentur für Arbeit und dem jeweiligen kommunalen Träger (Landkreis oder kreisfreie Stadt). Für Jobcenter in alleiniger kommunaler Zuständigkeit ist die/der jeweilige Landesdatenschutzbeauftragte die zuständige Datenschutz-Aufsichtsbehörde
2. In der Informationdes Bundesdatenschutzbeauftragtenzum Umgang mit Kontoauszügen in den Jobcentern ist im Abschnitt „Wie muss ich Kontoauszüge vorlegen und was passiert damit?“eindeutig formuliert: „Einnahmen dürfen auf den Kontoauszügen nicht geschwärzt werden. Denn Geldeingänge muss das Jobcenter daraufhin prüfen, ob diese als Einkommen (§ 11 II) den Leistungsanspruch mindern. Bei Ausgabebuchungen dürfen das Buchungs- und Wertstellungsdatum oder der Betrag ebenfalls nicht geschwärzt werden. Nur bestimmte Passagen des Empfängers und des Buchungstextes dürfen geschwärzt werden, wenn der zu Grunde liegende Geschäftsvorgang für die Prüfung durch das Jobcenter plausibel bleibt. Geschwärzt werden dürfen die in den Auszügen enthaltenen besonderen Arten personenbezogener Daten, wie beispielsweise Angaben über die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Gesundheit oder Sexualleben (Artikel 9 Absatz 1 Datenschutzgrundverordnung). Nach der Schwärzung müssen Texte wie Mitgliedsbeitrag, Zuwendung oder Spende als grundsätzlicher Geschäftsvorgang erkennbar bleiben.“Und im Abschnitt „Darf das Jobcenter meine Kontoauszüge zur Akte nehmen?“wird u. a. festgestellt: „In der Regel sollte es ausreichen, auf den Antragsformularen zu vermerken, dass die Kontoauszüge vorgelegen haben und mit den im Antrag angegebenen Daten zu Ihrer finanziellen Situation übereinstimmen. Diese Prüfung kann eventuell schon im Termin erfolgen, meistens aber erst zu einem späteren Zeitpunkt… Bis zur Entscheidung über den Leistungsantrag können die Kontoauszüge erforderlich und ihre Speicherung deshalb datenschutzrechtlich zulässig sein. Eine Leistung ist dann festgestellt, wenn die Leistungsgewährung nach dem Vier-Augen-Prinzip überprüft und die Auszahlungsanordnung erteilt wurde. Ab diesem Zeitpunkt halte ich die Aufbewahrung der Kontendaten generell nicht mehr für erforderlich. Die angeforderten Kontoauszüge sind ab diesem Zeitpunkt an den Antragsteller zurückzugeben (Originale) oder zu vernichten…“
Ergänzungen
Jobcenter Kassel gleiches Spiel
Beim Jobcenter Kassel läuft's genau so: Kontoauszüge der letzten sechs Monate - auch bei Folgeanträgen. Vielleicht ist Hessen besonders pingellich.
Die Schnüffelpraxis im Jobcenter
auch im Jobcenter Frankfurt-West wird dies Praxis umgesetzt. Die vorgelegten Auszüge werden eingescannt und laufen durch ein spezielles Programm. Anträge werden nur bearbeitet wenn die Auszüge vollständig vorliegen. Es bleibt rechtlich nur der Weg nach Vorlage der Auszüge + Bewilligung Feststellungsklage einzureichen.
Die Schnüffelpraxis
Die Kontoauszüge habe ich eingereicht. Aus denen wurden für die Leitung vollständig irrelevante 6 Buchungen herausgepickt u.a. eine Einzahlung in Höhe von 15 Euro, die erklärt werden sollen. Zugleich wurde mir erklärt das Leistung nur nach Erfüllung aller vom JC angeforderten Mitwirkungspflichten erfolgen kann. SGB II ist unstrittig mein einziges Einkommen + so wurde ich aktuell ab 1. November auf null gesetzt. U.a. keine Mietzahlungen mehr möglich.