¼ Jahrhundert DATASPACE

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Vor 25 Jahren entstand die Online-Datenbank DATASPACE innerhalb der Infoladen Bewegungen. Ein Versuch der Erinnerung und Reflexion zu diesem Projekt.

 

Zugegeben. Die Bewegung der Infoläden hat schon bessere Zeiten erlebt. Wobei diejenigen von uns, die vor 20 und 30 Jahren schon mit dabei waren auch wissen: Schon damals bewegte sich kaum jemand in die staubigen bis muffigen Räume der Infoläden, die damals noch in jeder größeren Stadt existieren.

Das Sortieren, die Bereitstellung und Archivierung der eigenen Geschichte sowie Linker Theorie war schon immer ein Tätigkeitsfeld innerhalb der Szene, der gegenüber dem Alltagsaktivismus in Autonomen Zentren, auf Plena und in Antifa-Gruppen ein Nischendasein fristete. Für TheorieARBEIT hatte man niemals genug Zeit. Problematisch war das damals wie heute. Und dennoch gab es in den heute nur mehr als graue Vorzeit in Erinnerung geblieben Zeiten, bevor sich das World Wide Web zu dem allgegenwärtigen Vampirschloss (twitter) und Kommunikationsmedium via Bildchen (Instagram) entwickelte, noch einen triftigen Grund für das Betreiben der Infoläden: Sie waren einer der wenigen Orte innerhalb der Szene, an denen Linke Theorie und Geschichte verfügbar gemacht wurden, an denen man sich die neuesten Zines und Bücher (analog) zusteckte und in denen die ersten PCs mit modern 56k Modems verfügbar waren.

In den letzten 25 Jahren konnte man dann zusehen, wie Informationen zunächst via Blogs, Youtube und Wikipedia für alle verfügbar wurden, bis zu dem Kippunkt, an dem der Algorithmus die Oberhand gewann und uns kaum mehr über den eigenen Tellerrand hinausblicken lässt. Heute leben wir in Zeiten, in denen einem mittels fünf Slides auf Instagram der Anarchismus „erklärt“ wird.

Gut daher, dass einige Nerds in den wenigen noch übrig gebliebenen Infoläden über die Jahre nicht damit aufgehört haben, den Bodensatz dessen, was abseits der großen Strömungen, Parteien und ihrer Vorfeldorganisation liegen geblieben ist, aufzusammeln und diesen fein säuberlich in eine Online-Datenbank zu übersetzten.

Kaum zu glauben, 25 Jahre ist es nun her, seit 1999/2000 die Datenbak DATASPACE (ildb.nadir.org) online ging. Die Datenbank und Website wurde damals innerhalb der Infoladenbewegung programmiert, weil noch keine kommerzielle Software für Online-Kataloge auf dem Markt existierte.  Seiter her wurden über 260.000 Datensätze von wenigen Archiven und Infoläden in die Datenbank eingetragen. Bücher, Zins, graue Literatur und duzende linke Zeitschriften bis auf Artikelebene. Alles fein säuberlich verschlagwortet und damit thematisch durchsuchbar. Entstanden ist damit die wohl größte Datenbank für links/radikale Theorie und Geschichte im deutschsprachigen Raum. In den letzten Jahren ist es zudem gelungen, eine .pdf Datenbank mit etwa 8.000 Dokumenten online zu stellen, die zumindest einen kleinen Einblick in einige Publikationen der letzten Jahrzehnte ermöglicht.

Nach all diesen Jahren (die Geschichte der Infoläden ist selbstredend weit älter und reicht zurück in die Zeit der neuen Linken in Folge der 68-er Ereignisse) versteht sich die Infoladenbewegung noch immer als Gedächtnis früherer Debatten innerhalb der Linken, der Jugend- und Subkultur; insbesondere der minoritären Stimmen innerhalb der Szene. Stimmen, die nicht in großen Blättern abgebildet werden, weil sie mit ihnen nichts zu tun haben wollen oder nicht akzeptiert werden. Dabei ist die Einteilung dieser Positionen selbst das Produkt von Debatten. Was »geht« und was nicht, ist dauerhaft im Fluss – wenig ist in Stein gemeißelt. Allerdings hat sich in der Art und Weise, wie der Streit darüber ausgetragen wird, in den letzten 10-15 Jahren etwas getan. Was früher schlicht abseitig war, wird heute moralisierend kategorisiert und aus dem Spiel genommen: Begriffe, die über Jahrzehnte nur als konkrete eine Bedeutung hatten und diese sukzessive verloren haben, werden heute entkernt als Instrument benutzt, um andere Strömungen zu verbannen. Spürbar ist das in den Archiven und Infoläden nicht nur an der fehlenden Rezeption abseitiger Traktate, den Versuchen, die Diskussion ebensolcher zu verunmöglichen, sondern auch an der immer geringeren Produktion von unangepassten Texten. Spleenige Reflexionen aus der linken Szene, sind eine absolute Seltenheit geworden. Vielleicht ist das auch alles, was sich in den letzten 25 Jahren verändert hat.

 

DATASPACE: https://ildb.nadir.org/

Digitalisate auf archive.org: https://archive.org/details/@disposabletime

Und ja, wir sind auch auf Instagram: https://www.instagram.com/infoladendatenbank/

 

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