STAATSSCHUTZVERFAHREN: »Sie wird in der Zelle videoüberwacht«

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JVA Vechta: Verschärfte Haftbedingungen für mutmaßliches Mitglied der Ex-RAF Daniela Klette. Prozesstermin völlig unklar. Ein Gespräch mit Lukas Theune

Interview: Oliver Rast junge Welt 27.3.24

Dr. Lukas Theune ist Rechtsanwalt in Berlin und Verteidiger von Daniela Klette

 

Nach der Festnahme von Daniela Klette am 26. Februar war tagelang unklar, wer das mutmaßliche Exmitglied der früheren Rote Armee Fraktion, RAF, anwaltlich vertritt. Warum wurde Klette zunächst von einer Pflichtverteidigerin aus Niedersachsen vertreten?

 

Anfangs wurde ihr eine Kollegin aus Verden an der Aller beigeordnet, weil es mittlerweile zum Glück gesetzlich vorgeschrieben ist, dass bei jeder Haftvorführung eine Anwaltin oder ein Anwalt dabei ist.

 

Gerade die ersten Stunden und Tage sind nach einer Festnahme für Betroffene entscheidend. Was wissen Sie darüber, wie es Ihrer Mandantin in dieser Zeit ergangen ist? Wurde physischer oder psychischer Druck von Beamten etwa des Bundeskriminalamts ausgeübt, gegen vermeintliche »Mittäter« auszusagen?

 

Sie wurde nicht misshandelt. Allerdings wurde ihr direkt gesagt, dass sie besser kooperieren und die Fahndung unterstützen solle, weil sie sich doch auch kein »zweites Bad Kleinen« (GSG9-Einsatz Ende Juni 1993, bei dem Birgit Hogefeld, RAF-Mitglied, festgenommen und ihr Begleiter Wolfgang Grams tödlich verletzt wurde, jW) wünschen würde.

 

Daniela Klette sitzt in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta, einer Kreisstadt im westlichen Niedersachsen. Wie sind ihre Haftbedingungen, gibt es eine Sonderabteilung mit Isolationszellen?

 

Die Haftbedingungen sind völlig unangemessen. Der Vorwurf nach Paragraph 129 a Strafgesetzbuch wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist ja verjährt, deswegen sind die richterlich angeordneten Beschränkungen gar nicht so schlimm. Die JVA-Leitung ist allerdings viel restriktiver. Sogar der Besitz eines Kugelschreibers wird ihr untersagt, weil das angeblich ein gefährlicher Gegenstand sei. Seit zwei Wochen hat sie ein junge Welt-Abo – nicht eine Zeitung wurde ihr bislang ausgehändigt. Sie wird in der Zelle videoüberwacht, darf nur allein in den Hof und wird von allen Gemeinschaftsveranstaltungen ausgeschlossen. Vor ihrem Fenster ist ein Metallblech, das ihr das natürliche Licht nimmt.

 

 

Vorgeworfen wird der Inhaftierten neben verschiedenen Raubtaten zwischen 1999 und 2016 die Mitgliedschaft in der RAF. Dabei unter anderem eine Beteiligung beim Sprengstoffanschlag auf die fast fertiggestellte JVA Weiterstadt in Südhessen 1993, bevor die RAF 1998 ihre Auflösung erklärte. Welche Taten dürften zuerst verhandelt werden? Drohen Klette zwei Prozesse, ein späterer, trotz Verjährung, möglicherweise nach Paragraph 129 a?

 

Das steht wohl alles noch in den Sternen. Wahrscheinlich ist, dass es zunächst zu einer Anklage wegen Raubes vor dem Landgericht Verden an der Aller kommt. Aber in die Abstimmungen unter den beiden Staatsanwaltschaften (Staatsanwaltschaft Verden und Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, jW) werden wir natürlich nicht eingebunden.

 

Aber können Sie einschätzen, wann es zu einem Gerichtsverfahren kommen und wie lange dieses dauern könnte, kurz: Reden wir hier von Jahren?

 

Wann ein Prozess gegen meine Mandantin startet und in welchem Zeitraum prozessiert werden wird, ist im Moment noch überhaupt nicht absehbar.

 

Übrigens: Wie sieht es denn mit der Akteneinsicht aus, oft fehlen Verteidigerinnen und Verteidigern besonders bei Staatsschutzverfahren Aktenbestände oder werden erst nach und nach ausgehändigt ...

 

Wir haben bisher erst zum Teil Akteneinsicht.

 

Kann Ihre Mandantin in der Haft besucht werden?

 

Ja, aber die Besuche müssen beim Ermittlungsrichter und der Bundesanwaltschaft beantragt werden – und sie werden von Beamtinnen und Beamten des BKA überwacht.

 

Vor rund anderthalb Wochen, am 17. März, gab es eine Solidaritätskundgebung vor der JVA Vechta. Das Medienecho war groß, die Teilnehmerzahl eher klein. Davon unabhängig, von Ihrer Mandantin gibt es bislang keine Statements, ob und wie sie sich eine Unterstützung außerhalb der Gefängnismauern vorstellt. Was wissen Sie darüber?

 

Sie hat sich sehr über die Kundgebung gefreut, auch über diejenigen, die ihr jetzt Briefe schreiben und ihr ein bisschen von draußen berichten. Die Solidarität lässt für sie, so sagt sie, die Sonne aufgehen.

 

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