Überzogene Telefonkosten in Gefängnissen?
So sehr die Telefonie in Freiheit verbreitet ist (insbesondere mittels Handy/Smartphone), so sehr hinken die Gefängnisse hinterher – gemäß § 32 StVollzG-Bund „kann“ Gefangenen gestattet werden, zu telefonieren; am restriktivsten dürfte Bayern sein, da dort nur „in dringenden Fällen“ vgl. Art. 35 Abs. 1 BayStVollzG) Telefonate gestattet werden können. Für den Bereich der Sicherungsverwahrung besteht im Regelfall für die Betroffenen ein Rechtsanspruch auf Telefonate exempl. § 30 Abs.1 JVollzGB-5 Baden-Württemberg).
In jedem Fall jedoch, außer es liegt Bedürftigkeit vor, haben die Inhaftierten die Kosten zu tragen. Diese liegen jedoch oftmals weit über den Tarifen in Freiheit. Dort gibt es schon Flatrates von 9,95 Euro/Monat für Handies oder um die 20 – 30 Euro für Festnetzanschlüsse, inkl. Internetanschluss.
Firma Telio Communications GmbH
Nach eigenen Angaben (vgl. http://www.tel.io/de) ist das 1998 gegründete Unternehmen Marktführer im Bereich Gefängnistelefonie und betreibt europaweit über 300 Anlagen. In Deutschland verlangt die Firma 0,10 Euro/min für Ortsgespräche, 0,20 Euro/min für Ferngespräche und zwischen 0,60 Euro und 2,60 Euro/min für Auslandstelefonate, bzw. Anrufe in das Mobilfunknetz.
Diese Preispolitik ist seit Jahren Anlass für Kritik der davon betroffenen Inhaftierten.
Beschluss des Landgerichts Stendal
Mit Entscheidung vom 30.12.2014 (Az. 509 StVK 179/13) verpflichtete das Gericht die JVA Burg neu über den Antrag des dortigen Strafgefangenen auf Senkung der Telefongebühren zu entscheiden. Ein Beschluss, der überregional in den Medien Beachtung fand. Anwaltlich vertreten wurde der Gefangene von Rechtsanwalt Dr. Oelbermann (http://www.heischel-oelbermann.de) aus Berlin.
Auf immerhin 26 Seiten nahm das Gericht das Geschäftsmodell der Firma auseinander, sich dabei stützend auf ein Sachverständigengutachten.
Das Gutachten
Mit Beweisbeschluss vom 11. November 2013 ordnete das mit einer Einzelrichterin besetzte Gericht an, dass ein Sachverständiger untersuchen möge, ob die Firma ihre Leistungen den Gefangenen „zu marktgerechten Preisen“ anbiete. Sofern der Gutachter diese Frage verneine, möge er sich dazu äußern, ob die spezifischen „Bedingungen des Strafvollzugs (…) die überhöhten Entgelte erforderlich“ machen.
Der in Berlin ansässige Dipl.-Ingenieur Stefan Eberle http://www.sv-eberle.de/) legte am 04.04.2014 ein 34-seitiges Gutachten vor. Er kam zu dem Ergebnis, dass das Leistungsangebot der Firma Telio Communications GmbH in der JVA Burg pro Gefangenen und Monat um 272 % über dem als Referenzwert angesehenen günstigsten Angebot für Gefangenentelefonie liege (da in Burg die Insassen 10 Freiminuten erhalten, liegt die Firma ohne Berücksichtigung dieser Rabattregelung sogar 310 % über dem Referenzwert).
Eindeutig deshalb seine Beurteilung, das Telefonsystem dieser Firma biete den Gefangenen nicht die Möglichkeit, zu marktgerechten Preisen zu telefonieren. Abschließend stellte der Sachverständige fest, „(...) die überhöhten Entgelte (sind) für die Gefangenentelefonie nicht erforderlich.“
Als Gewinnspanne errechnete der Gutachter runde 66 %.
Auch wenn der anwaltliche Vertreter der Firma versuchte, die Ergebnisse des Gutachtens zu entkräften, gelang ihm dies nicht.
Die Folgen
Das Landgericht beruft sich auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2010/07/rk20100715_2bvr032807.html).
Am 15.07.2010 hatte dieses entschieden, dass Haftanstalten, welche gesetzliche Verpflichtungen, die diese zu erbringen haben, und durch private Betreiber anbieten lassen, sicher zu stellen hätten, dass der ausgewählte Anbieter die Leistung zu marktgerechten Preisen erbringe.
Es liegt auf der Hand, dass es wesentlich um die Frage geht, was „marktgerechte Preise“ sind; der anwaltliche Vertreter der Firma hatte argumentiert, da TELIO Communications GmbH rund 69 % des Marktes bediene, sei jener Preis „marktgerecht“, der für ein bestimmtes Leistungsangebot vorherrschend sei, mithin die Preise der von ihm vertretenen Firma.
Da dem das Landgericht nicht folgte, bleibt abzuwarten, wie – auf eine Rechtsbeschwerde hin – das Oberlandesgericht entscheiden wird. Sollte sich die Rechtssprechung des Landgerichts durchsetzen, bundesweit sind mehrere Verfahren anhängig (u.a. auch beim Landgericht Freiburg, Az. 13 StVK 550/14), müssten die Anstalten günstigere Anbieter beauftragen.
Außerdem kommen noch zivilrechtliche Ansprüche der Gefangenen gegen die jeweiligen Justizverwaltungen in Betracht (vgl. Dr. Oelbermann/Dr. cand. jur. Fährmann, „Preise der Gefangenentelefonie“ in „Forum Strafvollzug“, 2014, S. 387 ff). Ferner sind bei der Staatsanwaltschaft Hamburg Verfahren wegen des Verdachts des Wuchers eingeleitet worden.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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