Debattenbeitrag zum Ausschluss von feministischen Positionen vom 8.März-Bündnis in Rostock zur Demo anlässlich des Internationalen Frauenkampftages

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Debattenbeitrag zum Ausschluss von feministischen Positionen vom 8.März-Bündnis in Rostock zur Demo anlässlich des Internationalen Frauenkampftages

Der Internationale Frauenkampftag oder auch Feministischer Kampftag am 8. März steht vor der Tür. In Rostock organisiert das „8. März Bündnis“ dazu seit Jahren eine feministische Demo. So auch im diesen Jahr.
Das Bündnis schreibt selbst: „Wir sind offen für alle Personen, die an feministischen Kämpfen interessiert sind und bieten als Struktur die Möglichkeit eure Kämpfe zu organisieren, zu bündeln und zu stärken!“ Und doch wurden im letzten Jahr eine Gruppe junger Aktivist*innen, die ein prostitutionskritisches Banner dabei hatten, von der Demo verwiesen. Eine anschließende Aufarbeitung oder ein Austausch über den Vorfall ist uns nicht bekannt.
Wir wollen darauf im folgenden Debattenbeitrag Bezug nehmen.

Der Internationale Frauenkampftag oder auch Feministischer Kampftag am 8. März steht vor der Tür. In Rostock organisiert das „8. März Bündnis“ dazu seit Jahren eine feministische Demo. So auch im diesen Jahr. Das Bündnis schreibt selbst: „Wir sind offen für alle Personen, die an feministischen Kämpfen interessiert sind und bieten als Struktur die Möglichkeit eure Kämpfe zu organisieren, zu bündeln und zu stärken!“ Und doch wurden im letzten Jahr eine Gruppe junger Aktivist*innen, die ein
prostitutionskritisches Banner dabei hatten, von der Demo verwiesen. Eine anschließende Aufarbeitung oder ein Austausch über den Vorfall ist uns nicht bekannt.

Wir wollen darauf im folgenden Debattenbeitrag Bezug nehmen.

Kritik an Sexarbeit

Die Forderungen des 8.März Bündnis Rostock zum Thema Sexarbeit/Prostitution lautet u.a. "Die Entkriminalisierung der Sexarbeit und die sofortige Beendigung der Debatte, um das Sexkaufverbot".
Einen Standpunkt zum Thema Sexarbeit/Prostitution zu haben bedeutet nicht nur sich solidarisch mit bestimmten Gruppen zu verhalten, sondern bedeutet eben auch die Perspektiven und Stimmen bestimmter Betroffener* nicht gleichermaßen hören zu wollen. Die Entscheidung des Bündnisses, prostitutionskritische Stimmen auszuschließen, bedeutet daher gleichermaßen, dass sich die Stimmen von Betroffenen von Gewalt in der Sexarbeit/Prostitution) denjenigen Frauen unterzuordnen haben, welche vom System Sexkauf profitieren. Und das ist eine Entscheidung. Es ist eine Entscheidung gegen Solidarität mit Betroffenen sexualisierter Gewalt.

Wir stellen uns daher die Frage, welche gesellschaftsanalytischen und feministischen Schlüsse das Bündnis gezogen hat, um genau jene Position, die sich für Betroffene sexualisierter Gewalt einsetzt, kategorisch auszuschließen. Solidarisch mit Frauen in der Sexarbeit/Prostitution zu sein heißt nicht nur Frauen, die Sexarbeit/Prostitution freiwillig machen zu sehen und zuhören, sondern auch den sehr großen Teil der Frauen, die das eben nicht freiwillig machen zu sehen und zu hören.

Mackern aufs Maul aber Freier feiern

Die Kritik an männlichem/mackrigem Verhalten ist allgegenwärtig, aber sobald es um direkte Gewalt in feministischen Diskursen geht, wird es auf mal undiskutierbar und unkritisierbar. Aber Hauptsache ein cis-Mann sitzt mal zu breitbeinig auf einem Plenum. Während zahlreiche Sexarbeit-positive Feminist*innen Freier als normale Kunden einer Dienstleistung betrachten, bringen sowohl Freierforen und als auch Berichte von Prostituierten die Gewissheit, dass Freier die Vergewaltigung von Prostituierten billigendin Kauf nehmen oder sogar explizit erwünschen. Allein dieser Umstand sollte dazu führen, dass wir als Feminist*innen Freier und das dahinterstehende System scharf kritisieren. Wir glauben Betroffenen, solange bis sie Prostituierte/Sexarbeiter*innen sind Wir begreifen Feminismus als die fundamentale Kritik an Gewalt und Herrschaft in Geschlechterverhältnissen und sehen es als die Aufgabe von Feminist*innen, genau diese gewaltvollen Geschlechterverhältnisse in den Blick zu nehmen und zu bekämpfen. Die feministische Bewegung hat es unter anderem geschafft Vergewaltigung in der Ehe zu kriminalisieren und den Begriff des Femizids zu etablieren. Besonders im Zuge von MeToo und weiteren öffentlichen Vorwürfen sexualisierter Gewalt fordern Feminist*innen weltweit nach wie vor, dass wir Betroffenen sexualisierter Gewalt zuhören und vor allem glauben müssen. Und genau aus dem Umstand heraus, dass Frauen in der Prostitution Gewalt erleben, unabhängig davon dass einzelne gute Erfahrungen machen, müssen wir als Feminist*innen den Frauen, die Gewalt und Prostitution als Gewaltvoll erleben, zuhören und ihre Stimmen stark und sichtbar machen.

Solidarisch mit Sexarbeiter*innen und Prostituierten, aber niemals mit Freiern!

8.März = Queerfeminismus?

Auf der 8.März Demo werden allerdings nicht nur prostitutionskritische Positionen ausgeschlossen, sondern auch anderen feministischen Strömungen keinen Platz geboten. Das 8.März Bündnis ist selbst ein Queerfeministisches Bündnis und bezeichnet den 8. März in ihren Ankündigungstexten als „Internationalen Queerfeministischen Kampftag“. Der „Queerfeminismus“ als poststruktureller Feminismus ist neben anderen Formen und Ausprägung des Feminismus eine Strömung von vielen. Ihn als Konsens für die Demo vorauszusetzen, exkludiert andere feministische Strömungen und Feminist*innen.
Nach Rosemary Hennessy ist Feminismus ein: „... Ensemble von Debatten, kritischen Erkenntnissen, sozialen Kämpfen und emanzipatorischen Bewegungen {...}, das die patriarchalen Geschlechterverhältnisse, die alle Menschen beschädigen, und die unterdrückerischen und ausbeuterischen gesellschaftlichen Mächte, die insbesondere Frauenleben formen, begreifen und verändern will.“ Es gibt also nicht den einen Feminismus, es gibt eine Geschichte von vielen verschiedenen feministischen und sozialen Kämpfen und Debatten. Hinzu kommt, dass es nicht einmal eine historische Begründung gibt nun genau diese Strömung als Konsens zu nehmen. Der Frauenkampftag entstammt historisch dem sozialistischen/marxistischen Feminismus. Das indirekte Ausschließen dieser Strömung kann im besten Fall noch Geschichtsvergessenheit genannt werden, im schlimmsten Fall Ignoranz gegenüber den Positionen und Kämpfe aller Frauen, den wir die Ursprünge der Frauenbewegung zu verdanken haben. Der 8. März ist eben kein Tag einer speziellen feministischen Strömung, sondern sollte strömungsübergreifend Feminist*innen und ihre Positionen willkommen heißen.

Was wir wollen:

Den Anspruch, den das Bündnis selber formuliert, unterstützen wir. An diesem Datum sollten alle feministischen Personen, Gruppen, Meinungen gebündelt werden, um den feministischen Kampf zu stärken. Natürlich ist es dementsprechend in Ordnung, wenn ein queerfeministisches Bündnis mit einer positiven Bezugnahme auf Sexarbeit/Prostitution ihre Forderungen stellt, aber am 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag/Feministischen Kampftag, andere feministische Aktivist*innen und Positionen auszuschließen, verunmöglicht eine breite feministische Bewegung und verfehlt das eigene Ziel. Was ist mit der befreiten Gesellschaft?

Folgende Fragen und Analysen sollten wir außerdem nicht außer Acht lassen, wenn wir über das Thema Sexarbeit/ Prostitution diskutieren: Über die individuelle Entscheidung in der Sexarbeit/Prostitution tätig zu sein oder das nicht vorhanden sein einer individuellen freien Entscheidung, wird in der Debatte häufig diskutiert. Eine oft zu kurz kommende Perspektive ist die Frage, ob wir als Linke eine Gesellschaft wollen, in der Männer den Sex mit Frauen kaufen können und was das mit dem Männer- bzw. Frauenbild macht. Wollen wir das Konsens käuflich ist? Wollen wir das Männer sexuelle Lust mit Dominanz und Macht verwechseln? Wollen wir das Männer die Gewissheit haben, sexuelle Lust jederzeit mit Geld befriedigen zu können? Wollen wir das Sex eine kapitalistische Waren, wie jede andere ist?

Für eine starke feministische Bewegung

Wir brauchen dafür eine vernünftige feministische Diskussionskultur, in der

1. verschiedene feministische Perspektiven/Standpunkte als solche anerkannt werden
und nicht von vornherein ausgeschlossen werden,
2. Debatten sowohl emotional als auch sachlich und argumentativ geführt werden
können, ohne das wir am Ende nur jene Positionen berücksichtigen, die am lautesten
schreien,
3. Konflikte nicht per se als kontraproduktiv oder gewaltvoll verstanden werden,
4. Dissens auch ein Zustand ist, der Debatten voran bringen kann.

Anstatt also die jungen Aktivist*innen von einer Demo auszuschließen oder im Vorhinein ganze feministische Standpunkte als Gegeben anzusehen, sollte es der Anspruch sein, mit unterschiedlichen feministischen Meinungen in Austausch zu treten, sich argumentativ auseinander zu setzen und unterschiedliche Positionen auszuhalten. Zu glauben, dass die eigene Position die einzige und richtige sein kann, ist realitätsfern. Dieses Denken basiert auf einer Vereinfachung von komplexen Zusammenhängen und besorgniserregenden schwarz/weiß-Denkens. Konfliktscheuheit, Verweigerung von Diskursen und die Forderung nach der Beendigung einer Debatte kann niemals ein feministischer und linker Anspruch sein. Mehr noch: Sich möglichen Diskursen oder Dissens zu stellen sollte Teil einer lösungsorientierten und emanzipatorischen Praxis sein und von uns allen angestrebt werden. Die Forderung des Bündnis nach der Beendigung einer grundlegenden feministischen Debatte verurteilen wir deshalb aufs schärfste und wollen alle Feminist*innen ermutigen, sich weiterhin den schwierigen und auch emotional aufgeladenen Debatten zu stellen und solche niemals einfach beenden zu wollen. Nur so können wir miteinander aushandeln, in welcher Gesellschaft wir leben und für welche Welt wir kämpfen wollen.

Für eine breite und starke feministische Bewegung, die Dissens und Diskurse aushalten kann!

Wir möchten uns zu guter Letzt bei dem Bündnis für Vielstimmigkeit im Feminismus aus
Kassel für die tolle Auseinandersetzung zum Thema Sexarbeit/Prostitution bedanken.

Emanzipatorische Antifa Rostock (EAR)

 

 

*Der Begriff „Betroffenheit“ meint in einer Pro-Sexarbeit Position die Betroffenheit von
einer Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen/Prostituierten. Diese Stigmatisierung
entstammt unser zutiefst misogynen/patriarchalen Gesellschaft, die Frauen die alleinige
Schuld ihrer Lebenszustände zuspricht und von allen Feminst*innen
jederzeit zurückgewiesen werden sollte.
In einer Sexarbeit/Prostitution-Kritischen Position meint Betroffenheit, die Betroffenheit
von tatsächlich körperlicher Gewalt u.a. Vergewaltigung.

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Ergänzungen

Ganz ehrlich - das liest sich wie das SWERF 1x1 unter dem Deckmantel von Meinungsfreiheit, Debattenkultur und Betroffenenrechten. 

"Einen Standpunkt zum Thema Sexarbeit/Prostitution zu haben bedeutet nicht nur sich solidarisch mit bestimmten Gruppen zu verhalten, sondern bedeutet eben auch die Perspektiven und Stimmen bestimmter Betroffener* nicht gleichermaßen hören zu wollen. Die Entscheidung des Bündnisses, prostitutionskritische Stimmen auszuschließen, bedeutet daher gleichermaßen, dass sich die Stimmen von Betroffenen von Gewalt in der Sexarbeit/Prostitution) denjenigen Frauen unterzuordnen haben, welche vom System Sexkauf profitieren. Und das ist eine Entscheidung. Es ist eine Entscheidung gegen Solidarität mit Betroffenen sexualisierter Gewalt."

Äh nein, einen Standpunkt zum Sexkaufverbot zu haben, bedeutet, einen Standpunkt zum Sexkaufverbot zu haben. Das sagt einfach null darüber aus, welche Einstellung zu Betroffenen von MEnschenhandel und BEtroffenen sexueller Gewalt besteht.

Das ist eine Instrumentalisierung Betroffener EURERSEITS, die einfach nicht in Ordnung ist.