Kommentar zum 25.11: Der 7.Oktober war ein Tag hunderter Femizide und massivster sexualisierter Gewalt

Themen: 
Regionen: 

Bei allen Konflikten, die eine feministische Bewegung mit und gegeneinander auszuhandeln hat, sollte dies ein Satz sein, den alle aussprechen können. Aber dem ist nicht so. Der feministische Aufschrei blieb nach dem 7.Oktober aus. Eine klare Verurteilungen der Hamas, als eine einem reaktionären Todeskult folgende zutiefst patriarchale und autoritäre Terrororganisation, blieb ebenfalls weitgehend aus. Kurz könnte man hoffen, das weitverbreitete Schweigen (queer-)feministischer Gruppen zum Morden und Vergewaltigen der Hamas gäbe es deswegen, weil die Verurteilung so dermaßen selbstverständlich ist, dass sie garnicht extra erwähnt werden müsse.Mittlerweile wissen wir, dass dem leider nicht so ist.

 

 Das feministische Schweigen zeigt eine Unfähigkeit die patriarchale Gewalt der Hamas zu betrauern, da die Benennung der Morde und Vergewaltigungen an Frauen, Mädchen und Queers durch Hamas-Kämpfer als Femizide und als gezielte patriarchale Machtdemonstration das Bild des anti-imperialen und antikolonialen Befreiungskampfes der Palästinenser:innen stören würde. Das Bild von Israel als angeblich kolonialer Staat und Jüd:innen als "weiß" zeigt hier ebenfalls seine Wirkung, so (historisch) falsch es auch sein mag. Stören würde auch die Frage, wie die reaktionäre, mysogyne, fundamentalistische und queerfeindliche Ideologie der Hamas und die Kämpfe um Sichtbarkeit und Selbstbestimmung wie sie linke queerfeministische Initiativen führen zusammenpassen. Um das zu ermöglichen, muss extrem viel Gewalt ausgeblendet werden.

 In diesem Kommentar zum 25. November wollen wir zu unserer Überzeugung bezüglich der Notwendigkeit Israels und unserer antisemitismuskritischen Analyse der derzeitigen Debatten in der globalen Linken gar nicht so sehr in die Tiefe gehen, viele wichtige Debattenbeiträge wurden zu diesem Thema bereits geschrieben, auch wenn es noch viel dezidiert feministische Auseinandersetzung braucht.

 In der Wiener Medienlanschaft gab es bereits gereizte Reaktionen auf die Aufforderung an Feminist:innen sich zur Gewalt der Hamas zu äußern. Nur weil man nichts sage, sei man ja nicht gleich Hamas-Anhänger:in und außerdem seien Feminist:innen ja keine homogene Gruppe. Ja das stimmt natürlich, aber die Sachlage ändert sich darurch, dass es gerade eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit zu sein scheint, dass (queer-)feministisch und links sein bedeutet, sich an die Seite eines palästinensischen Befreiungskampfes zu stellen (inklusive dem manchmal ausgesprochenen, manchmal zwischen den Zeilen stehenden Wunsch nach der Auslöschungs Israels) und die Taten der Hamas wenn nicht sogar zu bejubeln, zumindest zu "kontextualisieren" und dadurch im Sinne klassischer Täter-Opfer-Umkehr Israel selbst die Schuld dafür zu geben. Wir reden hier nicht von jenen überzeugten Hamas-Anhänger:innen und Antisemit:innen, die sowieso schon vor dem 7. Oktober maßgeblich hier aktiv waren, sondern einer größeren Tendenz.

 Wir dachten, wir hätten uns zumindest darauf geeinigt, dass (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen, Mädchen und Queers niemals relativierend kontextualisert werden darf. In Slogans wie: "Man tötet nicht aus Liebe!" und "Es ist niemals meine Schuld!" betonen Feminst:innen und so auch wir dies seit Jahren auf der Straße. Männergewalt gegen Frauen und Queers kann niemals Feministisch sein. Also was passiert gerade?!

 Diese angesprochene Selbstverständlichkeit (links/feministisch= gegen Israel) führt dazu, dass in Wien viele Demonstrationen auch heute am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen/FLINTA, unter dem Motto der Befreiung Gazas stehen. Verwiesen wird auf den Fakt, dass ein Großteil der Opfer Frauen und Kinder sind. Das stimmt ganz sicher, da Frauen/FLINTA und Kinder im Krieg eine hochvulnerable Gruppe der Zivilbevölkerung sind und jedes einzele Leben, das durch diesen Krieg ausgelöscht wird, ist zu betrauern und jeder Empathieverlust, egal gegen wen er sich richtet, ist ein ernsthaftes Problem.

Aber wenn wir am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen bzw. FLINTA eine Vielzahl von Veranstaltungen haben, die durch israelische Bomben ermordete FLINTA als Opfer patriarchaler Gewalt benennen kann, aber den 7. Oktober nicht als Tag der exzessiven spezifisch patriarchalen Gewalt, dann ist das kein Versehen. Eine Erwähnung von Antisemitismus als einer von vielen -ismen auf Flyern und Social Media wirkt in diesem Kontext dann recht leer.

 Wir verweigern uns heute gegenüber falschen Selbstverständlichkeiten und fordern ein Ende der Relativierung (sexualisierter) Gewalt.

 In Gedenken an die Opfer der Femizide des 7. Oktober.

 Gegen jeden religiösen Fundamentalismus, Antisemitismus, Sexismus, Rassismus und jede Queerfeindlihkeit! Für ein Ende patriarchaler Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse! Bis wir keine* einzige* weniger werden und ein gutes Leben für alle frei von Angst und Gewalt möglich wird. Alerta Feminista!

 Ein Zusammenschluss Autonomer linksradikaler Feminist:innen

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen