Der Kampf um den Zugang zum Knasthof
Seit 2013 streiten die Sicherungsverwahrten der Justizvollzugsanstalt Freiburg um den ungehinderten Zugang zum Knasthof - eine schier never ending Story, die nun auf ihr Finale zuzulaufen scheint.
Die Rechtslage
Seit 2013 gelten in allem Bundesländern eigene Gesetze speziell für den Bereich der Sicherungsverwahrung, jener Haft nach der Haft. So soll eigentlich während die Zellen tagsüber, bis in die Abendstunden geöffnet sind, der Zugang zum Gefängnishof ungehindert möglich sein (§ 21 JVollzGB-5). Während die übrigen Bundesländer in der Lage sind dies in ihren SV-Anstalten zu bewerkstelligen, sträubte sich die Justizvollzugsanstalt Freiburg von Anfang an. Wobei ein wesentliches Argument immer die bauliche Situation war. Zwar sei alles engmaschig von Kameras überwacht, jedoch wolle man verhindern, dass sich Verwahrte einer Station zu Verwahrten auf anderen Stationen begeben können (nebenbei: genau das geschieht seit 2013 problemlos in vielen anderen SV-Anstalten der BRD). Deshalb sei es nicht möglich die Stationstüre zum Treppenhauseinfach geöffnet zu lassen, sondern Beamte müssten immer die Insassen bei Bedarf in den Hof geleiten und später zurück auf die Station.
Die 3-Minuten-Regel
War es zu Anfang noch möglich sich jederzeit in den Hof bringen und abholen zu lassen, ging die Justizvollzugsanstalt vor Jahren dazu über diese Möglichkeit radikal zu begrenzen. Es wurden einige wenige Zeiten festgesetzt zu denen eine „Zuführung in den Hof“ beansprucht werden konnte. Aber auch dieses von ihr selbst gesetzte Korsett hielt die Anstalt nicht ein, so dass das Landgericht Freiburg am 24.10.2018 entschied, dass dem Insassen lediglich zumutbar sei drei Minuten über die von der Anstalt selbst festgesetzten Zeiten zu warten, ist dann noch immer keine Hofzuführung erfolgt, sei dies rechtswidrig (13 StVK 189/18). Wenn zum Beispiel um 9:15 Uhr eigentlich die Hofzuführung möglich ist, aber -weil keine Bediensteten auf der Station sind- bis 9:18 Uhr (diese nicht erfolgt, ist dies rechtswidrig.
Ein bisschen kleinlich hört sich das an, aber es war die Anstalt selbst die den Zugang zum Hof radikal beschränkt hatte und nur noch zu den von·ihr selbst festgesetzten Zeiten zulassen wollte- obwohl eigentlich das Gesetz einen jederzeitigen Zugang vorsieht.
Das Verfahren 13 StVK 537/18 beim LG Freiburg
Im November 2018 war es mal wieder soweit, kein Beamter weit und breit; trotz schönsten Sonnenscheins konnte man nicht in den Hof. Also ging an das Landgericht eine Klage mit dem Inhalt festzustellen, dass die faktische Verweigerung des Zugangs zum Hof rechtswidrig gewesen sei.
Hierauf erwiderte immerhin „schon“ drei Monate später der zuständige Vollzugsleiter, der Sozialoberinspektor G. im Auftrage des·Anstaltsleiters. Er trug vor, dass zum Einen ich es unterlassen hätte schon morgens beim Zellenaufschluss (6:25 Uhr) den Beamten auf meinen Wunsch in den Hof gehen zu wollen hinzuweisen. Und zum· anderen hätte ich die vorhandene Zellenrufanlage nicht genutzt, obwohl mir dies zumutbar gewesen sei. Um letzteres zu belegen fügte Herr G. seinem Schriftsatz einen Ausdruck über alle an diesem Tag erfolgten Notrufe bei. ·Naja, was soll ich sagen. Die wenigsten Menschen werden morgens um kurz vor halb Sieben wissen, ob sie um 9:15 Uhr oder 10:15Uhr in den Hof gehen wollen. Solche Wünsche entstehen oftmals spontan. Was nun diese Zellenrufanlage angeht: in der Vergangenheit wurden Insassen disziplinarisch von der Anstalt verfolgt, weil sie es gewagt hatten, ihre Hofwünsche über diese Anlage anzumelden. Noch voreinigen Wochen bestätigte ausdrücklich eine Mitarbeiterin der Justizvollzugsanstalt, die Frau Psychologierätin W. gegenüber den Insassen, es sei verboten solche Wünsche per Zellenrufanlage anzumelden. Nur in echten Notfällen dürfe diese genutzt werden (z.B. bei Feuer, Schlägereien). Sogar der Anstaltsleiter selbst hat ausdrücklich die Anmeldung von Wünschen via Zellenrufanlage untersagt; Verstöße gegen Weisungen des Anstaltsleiters können mit Disziplinarmaßnahmen bestraft werden. Den Beschluss mit der Stellungnahme der JVA Freiburg befindet sich im Anhang als PDF.
Ich konnte nun auf diese Gedanken und Einfälle antworten und nun ist das Gericht am Zug.
Exkurs: Das Schleusensystem
Mittelfristig werden solche Probleme beim Hofzugang wohl der Vergangenheit angehören, denn wie eingangs erwähnt läuft alles auf das Finale zu. Auf den vier Stationen der SV-Anstalt in Freiburg wurde jeweils eine Schleuse eingerichtet. Mittels eines PIN-Codes soll man, so das System wirklich eines Tages funktionieren sollte, in die Schleuse gelangen. Immer nur ein Insasse soll die Schleuse betreten dürfen, um dies sicher zu stellen, wird durch Scanner, an der Decke der Raum gescannt. Danach muss man die Hand auf einen Handvenenscanner legen und gelangt so ins Treppenhaus. Von dort hinab die Treppe, an der Türe zum Hof einen Summer betätigt und dem Spaziergang im Hof· steht nichts mehr entgegen.
Leider funktioniert die Anlage nicht so wirklich, der Scanner konnte bislang nicht sicher erkennen ob wirklich nur ein einziger Insasse in der Schleuse steht. Was ist der Ausweg? Genau! Man baut eine Waage ein! Eine richtig kreative Idee. Ein Prototyp wurde in der Schleuse des 1. Stocks eingebaut. Dazu wurde der Stahlbetonboden in stundenlanger Arbeit aufgestemmt um die Waage ebenerdig verbauen zu können.
Das von mir angeschriebene SIEMENS-Unternehmen, das hier im Zusammenhang mit dem Einbau der Sicherheitsanlage tätig ist, wollte meine Fragen zu den Hintergründen warum die Scanner an der Decke den Raum nicht zuverlässig detektieren, nicht beantworten. Man nehme grundsätzlich zu Aufträgen keine Stellung, so die Reaktion von SIEMENS. Wenn eines Tages die Schleusen wirklich in Betrieb sein sollten, dann kann man zumindest ungehindert jederzeit in den Hof und zurück auf die Station.
Ausblick
Nicht wenige Insassen der Freiburger SV stören sich zunehmen daran, dass selbst um die grundlegendste Lebensgestaltung auch vor Gericht gestritten werden muss; um Dinge die in anderen SV-Anstalten zudem selbstverständlich sind, die auch das hiesige Landesgesetz eigentlich vorschreibt.
Entsprechend groß ist der Frust bei einigen der Bewohnern, der sich dann auch in Stationsversammlungen entlädt, so wie kürzlich, als sich Shorty, ein junger Mann der an ADHS leidet, über die miserable Ausstattung der Stationsküche mit billigsten Blechpfannen, die schon·hier an der Wand der Küche hingen als ich 2013 nach Freiburg kam, als Shorty sich also lautstark darüber beschwerte. Er schnappte sich die vier verbogenen Pfannen, kam damit in den Freizeitraum gelaufen und ließ, eine nach der anderen scheppernd auf die Couch fallen, so dass der anwesende Sozialarbeiter leicht irritiert drin blickte, und auch etwas verunsichert wirkte. Jetzt bleibt erstmal abzuwarten ob das Schleusensystem eines Tages tatsächlich in Betrieb gesetzt werden wird!
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. Justizvollzugsanstalt (SV),
Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg
Ergänzungen
Interview mit dem Autoren TMF in "neues deutschland"
In der neuen Ausgabe von "neues deutschland" findet sich ein Interview mit dem Gefangenen in Sicherungsverwahrung, Thomas Meyer-Falk:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1116680.sicherungsverwahrung-ob...