Alte Post in Babelsberg soll wieder Hippster-Ort werden
Die "alte Post" in Potsdam-Babelsberg soll mit Leben gefüllt werden, doch darin stecken Gentrifizierung und Turbokapitalismus für einen alten Kiez und eine Person, die genau jenen Turbokapitalismus verkörpert.
Normal
0
21
false
false
false
DE
X-NONE
X-NONE
/* Style Definitions */
table.MsoNormalTable
{mso-style-name:"Normale Tabelle";
mso-tstyle-rowband-size:0;
mso-tstyle-colband-size:0;
mso-style-noshow:yes;
mso-style-priority:99;
mso-style-parent:"";
mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt;
mso-para-margin-top:0cm;
mso-para-margin-right:0cm;
mso-para-margin-bottom:8.0pt;
mso-para-margin-left:0cm;
line-height:107%;
mso-pagination:widow-orphan;
font-size:11.0pt;
font-family:"Calibri",sans-serif;
mso-ascii-font-family:Calibri;
mso-ascii-theme-font:minor-latin;
mso-hansi-font-family:Calibri;
mso-hansi-theme-font:minor-latin;}
Nachdem schon das Unternehmen St. Oberholz mit dem Übernahmeversuch der „Alten Post“ zu einem Coworking-Space mit Café in Babelsberg, auch dank der Initiative von Anwohnenden, sich permanent dem Gentrifizierungsdruck entgegen zustellen, gibt es nun neue, aber ähnliche Pläne mit dem Gebäude im Herzen von Potsdam-Babelsberg. „Coworking-Space, Café, IT-Hütte und Veranstaltungssause“, so werden die Pläne des Unternehmers Stephan Goericke in den lokalen Medien beworben. Er will „dahin gehen, um zu bleiben“, so seine Ankündigung. Na das werden wir sehen.
Die „alte Post“ ist für viele seit Jahren ein Treffpunkt geworden, an dem mensch ohne Kohle zu besitzen abhängen kann. Ob arm und reich, ob Jung und Alt, ob Punker:in, Wohnungslose, Nulldrei-Fan oder Stino, die Pläne, die St. Oberholz schon hatte und nun durch Stephan Goericke fortgeführt werden sollen, sind alles andere als inklusiv. Es wird ein exklusiver Raum geschaffen, für Leute mit Geld, der zudem maßgebliche Auswirkungen auf den Babelsberger Kiez haben wird. Schon jetzt ist Babelsberg durch den Zuzug von zahlungskräftigen Personen und an ihre Bedürfnisse angepasste Orte mit teuren Cafés, Bürokomplexen und schick sanierten Häusern verändert worden.
Der Reichtum wird auf die Kosten der Anderen ausgetragen, diejenigen, die nur wenig Geld haben, diejenigen, die nicht mehr in die smarte und hippe Welt passen. Der Nachbarschaftskiez ist bedroht, denn schon jetzt können sich viele die steigenden Mieten in Babelsberg nicht mehr leisten. Diese Entwicklung wird mit den Plänen des Unternehmers Stephan Goericke noch beschleunigt. Eine Schreibtischmiete für einen Tag soll 49 Euro betragen, so die Pläne. Goericke spricht von einem „IT- und Kreativquartier“, einem „offenen Haus für die Babelsberger“. Dazu verpasst er dem Areal den Namen „1448zwo“, angelehnt an die Babelsberger Postleitzahl.
Für uns klingt das nicht nach Babelsberg und schon gar nicht nach „alle sind hier willkommen“. Für uns klingt das nach turbokapitalistischer Hippster-Scheiße. Bereits vor zweieinhalb Jahren schrieben wir als autonome Anwohnende zu dem Projekt von St. Oberholz, der gleichen Scheiße wir jetzt, nur anders verpackt: „Argumentiert wird gerne, Arbeitsplätze zu schaffen, zum Wachstum beizutragen und – wie im Fall der Immobilie der alten Post – etwas für das Stadtbild zu tun. Dabei (…) sind Coworking Space und die Start Up´s Turbokapitalismus pur und Ausbeutung Hoch Drei. Es ist die Illusion von Selbstverwirklichung durch ihre Arbeit, mit einem Latte machiatto in der Hand mehr Mitsprache im Berufsalltag zu haben und einfach frei, kreativ, jung und urban zu sein. Man träumt von Social Media, dem großen Geld, Berühmtheit und Expansion. Es geht nur noch um Kohle und Zahlen.“
„Dabei ist die schöne neue Welt, in der jede:r erfolgreich sein kann, wenn hart genug gearbeitet wird, ein wesentlicher Baustein in der kapitalistischen Maschinerie. Oftmals sind die Nutzer:innen in prekären Verhältnissen, teilen sich ein überteuertes Büro mit anderen, nur um Kontakte zu haben, man trifft sich nicht mehr in der Kneipe – die werden ja verdrängt – sondern im Café, um seine beruflichen Beziehungen zu stärken. Die Grenzen zwischen Job und Freizeit, zwischen Leben und Arbeit, verschwimmen immer mehr. Es ist die eigene Ausbeutung.“
„In einer modernen Dienstleitungsgesellschaft läuft nur noch alles per App, Social Media und Digital Tech. Mit einem Lächeln im Gesicht lässt man sich selbst oder andere ausbeuten, nur um etwas Tolles erfunden zu haben oder der Dienstleitungsgesellschaft etwas Gutes zu tun. Ein Coworking Space ist ein Zentrum des ökonomischen Kapitals inmitten der Marktströme. Leben und Ausbeutungsarten gehen einander einher. Persönliche Beziehungen und Solidargemeinschaft spielen keine Rolle mehr. Ein smarter Kiez mit jungen Hippstern braucht diejenigen nicht, die keine innovativen, kreativen und unternehmerischen Skills haben. Der öffentliche Raum wird nun von Konsum, Sauberkeit und Sicherheit geprägt, alles für die Schönen und Reichen.“
Doch gegen diese Vorstellung, gegen diesen Turbokapitalismus, gegen diesen Hippster-Style und gegen diese Verdrängung hilft Widerstand. Dies haben wir als Anwohnende in der zurückliegenden Zeit immer wieder bewiesen. St. Oberholz hat sich übernommen, ist krachen gegangen an uns – die ständig dafür gesorgt haben, dass der Kiez und das Gebäude nicht in die smarten Hände der Unternehmer fällt und damit einen coolen, urbanen Platz für sich und ihre Projekte vereinnahmen. Parolen, Schmierereien, Scherben, laute Musik – dies über viele Monate hinweg, erzeugen ihre Wirkung. Das ist unser Platz, wir wohnen hier!
Ins Bild passt die Person selbst, Stephan Goericke. Er, der CDUler, immerhin tätig für die konservative Partei, ist Unternehmer in der CEO International Software Quality Institute (iSQI GmbH) und versucht auch sonst überall anzudocken, wo es nur geht – ein richtiger Player eben. So ist er im Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg und auch Vorsitzender des SC Potsdam, die gerade in einer tiefen Krise stecken. Da hat er wohl „seinen Laden“, den größten Sportverein im Land Brandenburg, nicht im Griff.
Ach so, Lotte Loebinger, eine vor den Nazis nach Moskau geflüchtete Kommunistin und Schauspielerin, die unter anderem später in der DDR an unzähligen Hörspielen, Theaterstücken und Filmen beteiligt war, gefällt ihm nicht. Er mag lieber Heinrich George, der in den NS-Propagandafilmen Hitlerjunge Quex (1933), im antisemitischen Propagandafilm Jud Süß (1940) und in Kolberg (1945) führende Rollen einnahm. Er kommentierte die Straßenumbenennung von Heinrich George zu Lotte Loebinger in Babelsberg mit dem Worten: „Zum Fremdschämen...“. Das spricht Bände in einem Stadtteil, der früher einmal das „rote Nowawes“ war.
Babelsberg war in seiner Historie schon immer politisch und widerständig und wird es auch heute bleiben. Der Kiez bleibt unser – im Karli, vor dem Späti, vor Edeka und auch vor der alten Post!
Alter Artikel zu St. Oberholz: https://de.indymedia.org/node/138717