Google, c‘est la guerre - Über die selbstbestimmte Nutzung von Techniken
So viele Dinge sind praktisch, sie erleichtern unseren Alltag. Doch alles was wir tun, alles was wir produzieren und nutzen, hat auch Folgen - für mich und andere. Der Wohlstand von Einigen beruht auf der Ausbeutung Anderer, es gibt gar nicht genügend Ressourcen, dass alle Menschen im Luxus leben könnten. Komplexe Technologien erfordern große Fabrikreihen, globalen Warenaustausch, Spezialist*innen und Führung, da die Anforderungen zur Herstellung hochkomplex sind und unzählige Herstellungsschritte erfordern. Hinzu kommen soziale Auswirkungen, wie zum Beispiel die Kurzfristigkeit von Beziehungen durch die intensive Nutzung virtueller sozialer Netzwerke. Also die immer stärker werdende Unfähigkeit, sich sozial zu binden und füreinander Verantwortung zu übernehmen.
Dies sind nur einige kurz angerissene Beispiele. Gemein ist ihnen der Gedanken der Effizienz, der Waren- und Wertsteigerung, der Vereinfachung des Lebens für die, die es sich leisten können und das Verlangen nach schierer Masse, nach möglichst viel Konsum - seien es angebliche virtuelle Freund*innen, Turnschuhe oder die möglichst umfassende Berieselung und Betäubung.
„L‘Automobile, c‘est la guerre“ („Das Automobil ist der Krieg“) sagte mal jemand und versuchte damit zu provozieren, dass Technologie niemals neutral ist, sondern immer bestimmte Intentionen verfolgt und in sich trägt. Die Industrialisierung, allen voran das Auto und der Zug, hat lokale soziale Zusammenhänge zerstört und zerfleddert und waren der Motor von Kolonialisierung und Krieg. Praktisch ja klar und ein Krankenwagen ist auch hilfreich, aber die allgemeine Vereinsamung, sowie emotionale und soziale Verwahrlosung sind in dieser Welt unübersehbar. Hinzu kommt, dass viele Dinge nicht zum Wohl des Menschen entwickelt wurden, sondern zur Profitmaximierung oder für andere Herrschaftsinteressen wie Krieg. Die Massenproduktion des Autos durch Ford: ungeahnte Geldquellen – oder das Internet: vom US-Militär zur effizienteren Kriegsführung geplant – sind für diese Ziele entwickelt worden, sie tragen die Idee einer Welt der Ausbeutung in ihrem Design.
Wenn ich jedoch eine Welt wünsche, in der es keine Ausbeutung mehr gibt und damit auch keine Herrschaft, eine Welt in der die Menschen möglichst auf Augenhöhe agieren, in der die Menschen möglichst glücklich sind, wachsen die Zweifel. In dieser Welt hier wird alles dem Nutzen und der Effizienz nach beurteilt. Und nicht, ob es den Menschen und den Beziehungen gut tut. Dies nutzt denen, die auf Kosten anderer Leben und somit vor allem denjenigen, die am meisten an dieser Systematik profitieren: Firmen, der Staat und am Ende ein bisschen auch die Privilegierten dieser Erde.
Der Vorschlag ist also, nicht den Ideen der Effizienz und des reinen Nutzens zu gehorchen und somit folglich das Diktat der Technologie abzulehnen. Techniken sollten jedoch auch nach ihrem sozialen Gehalt beurteilt werden: was machen diese mit den Menschen? Wie können Menschen möglichst viel Selbstständigkeit und Autonomie bewahren, wie kann produziert werden, möglichst ohne entfremdete Arbeit, Spezialist*innen und Hierarchien?
In einer möglichst herrschaftsfreien Gesellschaft wird es zum Beispiel nicht möglich sein, Computer herzustellen. Allein die Produktion erfordert umfassende Hierarchien und Spezialist*innen. Die Kontrolle über diese Geräte kann kaum jemand selbst steuern und eine gute Suchmaschine benötigt die monopolistische Bündelung der Informationen und somit eine unglaubliche Machtkonzentration.
Und trotzdem: viele Menschen sind angewiesen auf beispielsweise Brillen. Und auch Kühlschränke sind erst mal eine schöne Erfindung. Diese Dinge werden benutzt zur Sicherung der Grundbedürfnisse, aber auch sie benötigen unter anderem eine Fabrik. Aber niemand kann abschließende Antworten darauf geben, wie eine freie Welt aussehen soll. Allerdings geht es aber um eine Haltungsänderung, es geht darum darum nicht alles einfach hinzunehmen und für sich selbst Schlüsse zu ziehen. Auch wenn man die Produktion von Brillen in einer freien Gesellschaft bewusst in Kauf nehmen würde, ist es wichtig die Intentionen und die Auswirkungen immer zu bedenken.
Macht uns Luxus denn glücklich? Was bringen mir denn 130 Jahre Leben wie es Google für die Zukunft verspricht, wenn ich dann alleine bin? Was bringen mir 500 „Freund*innen“ bei Facebook, wenn mich niemand in den Arm nimmt wenn ich einsam bin? Was bringt es mir viel zu besitzen, wenn ich unter totaler Kontrolle bin? Was, wenn sich diese Fragen gar nicht stellen, da ich zugunsten Privilegierter in einer Mine bei der Arbeit sterbe?
Selbstbestimmung und Autonomie können einer Welt der Ausbeutung entgegengesetzt werden. Die Mittel müssen jedoch unsere eigenen sein, denn vieles ist von der Herrschaft für die Herrschaft konzipiert. Techniken müssten in diesem Sinne nicht grundsätzlich abgeschafft werden. In einer freien Welt müssen wir aber auf viele Dinge verzichten, um selbstständig sein zu können. Der Gewinn sind nicht tausende Dinge, sondern eine Qualität in Beziehungen und den Momenten die wir (er)leben.
Nur um die Illusion zu zerstören, um kurz inne zu halten und zu überlegen, was das Leben lebenswert macht.
(aus: SHITSTORM #3, Berlin, Januar 2019)