Der Konflikt ist da – Die Aufarbeitung und der Schutz aber nicht
Der bewaffnete und soziale Konflikt ist also trotz Friedensschluss weiterhin existent, was fehlt ist die Aufarbeitung und der Schutz der Betroffenen und überhaupt eine Umsetzung der vereinbarten Punkte.
Die letzten beiden Wochen zeigten noch einmal deutlich, wie wenig die Regierung derzeit unternimmt, um die Gewalt im Land zu stoppen bzw. einen Plan umzusetzen, um Mitglieder der FARC, soziale Aktivist*innen und politisch Engagierte zu schützen. Dabei sind die hier genannten Ereignisse nur ein kleiner Teil dessen, was an politischer Gewalt in Kolumbien passiert. Besonders Drohungen von paramilitärischen Gruppen nehmen stetig zu, parallel dazu gibt es einen politischen Kontext der Regierung unter Duque, dem Generalstaatsanwalt Nestor Humberto Martínez und dem Ex-Präsidenten Uribe zur Abschaffung bzw. Veränderung der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden und einer Kriminalisierung der sozialen Bewegungen. Es ist feststellbar, dass die Regierung derzeit versucht mit einer Politik der „Demokratischen Sicherheit 2.0“, eine Fortführung der repressiven und militärischen Politik von Uribe, vor allem sozialen Protest zu unterdrücken und den Kontext der Gewalt und seiner grundsätzlichen Probleme zu verschieben. Anstatt den Friedensprozess mit seinen vereinbarten Punkten umzusetzen werden alte Instrumente der rechten Elite wieder salonfähig gemacht und gibt es eine Rückkehr zum rechtskonservativen bis rechtsextremen Duktus.
Innerhalb nur weniger Tage sind in der Provinz Cauca viele Menschen getötet worden. Diese Region ist derzeit von mehreren bewaffneten Akteuren umkämpft, zudem gibt es eine repressive Militärpolitik. Besonders die Gemeinde Argelia ist mit mehr als acht toten Personen betroffen gewesen. Letzten Freitag wurde die Leiche von Uriol de Jesús López in dem Dorf La Emboscada gefunden und nur wenige Stunden zuvor fand man den leblosen Körper von Jefferson Daza, bekannt als „el Flaco” im Dorf El Mango. In derselben Region, in La Playa, fand man am 11.Februar den Toten Edinson Andrés Torres Gutiérrez mit seinen 27 Jahren. Bereits am 8. Februar wurde die Ermordung des FARC-Mitgliedes John Cleiner López Castillo gemeldet, der Teil der Wiedereingliederungszone von Santa Clara in Argelia war. Zudem wurden am selben Tag die Ermordung von zwei weiteren Personen, von Alex Andrés Londoño Burbano und Fernando Iles, berichtet. Auch letztere Person war Mitglieder der FARC und befand sich im Prozess der Wiedereingliederung. Weitere Todesfälle in der Region waren die Personen John Jairo Hoyos Córdoba und Jhon Cleiner López Castillo, die mit einem Motorrad nach Argelia unterwegs waren und als sie nicht anhielten erschossen wurden. Hoyos war ebenfalls ein ehemaliger Kämpfer der FARC und im Prozess der Wiedereingliederung.
Diese Fälle demonstrieren die Untätigkeit der Regierung in schwierigen Regionen wie dem Cauca, wo besonders eine Landreform, die Substitution von illegalen Pflanzen sowie Sicherheit und Perspektive von Nöten wären. Besonders Substitutionsprogramme für Koka-Bauern und soziale Investitionspläne sind dringend nötig, um den sozialen und bewaffneten Konflikt zu lösen. Dies fordert unlängst auch die FARC in einer Mitteilung, genau wie Garantien für das Leben, die Integrität und dem „buen vivir“, also dem guten Zusammenleben, nicht nur für FARC-Leute, sondern für alle Bewohner der Region. Doch auch andere Regionen sind von Gewalt gegen soziale Aktivist*innen betroffen. Am vergangenen 19. Februar wurde der indigene Wayúu-Aktivist José Víctor Ceballos Epinayu von zwei Personen, die sich auf einem Motorrad bewegten, erschossen. Und auch in Catatumbo oder dem Chocó gibt es Meldungen von ermordeten Aktivist*innen. Der Abgeordnete der FARC, Benedicto González, forderte am Dienstag in einer Erklärung an das Innenministerium wirksame Schutzmaßnahmen: „Dieses Massaker kann nicht weitergehen und der Staat muss das Leben aller garantieren. Es ist seine Pflicht.“
In den letzten zwei Wochen gab es in Kolumbien, vor allem von der rechten Elite gesteuert, eine Debatte über die Frage, ob Präsident Iván Duque Einspruch gegen die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) einlegen soll. Die letzte Nachricht gab der rechtsextreme Generalstaatsanwalt des Landes, Néstor Humberto Martínez, der dem ersten Präsidenten einen neunseitigen Brief schickte, in dem er Einspruch einlegt und vier Gründe erläutert. Die JEP ist eine Übergangsjustiz, mit der der jahrzehntelange Konflikt aller Akteure aufgearbeitet werden soll und vor allem die Opfer im Fokus stehen. Es ist ein Ergebnis von langen Diskussionen zwischen der FARC, der Regierung unter Santos und der Zivilgesellschaft. In Kolumbien gab es bisher noch nie so eine Sonderjustiz und deswegen sollte nun ein Gesetz geschaffen werden, in der es die JEP ermöglicht, Entscheidungen auf autonome Weise zu treffen. In den Diskussionen zeigt sich, dass vor allem die Rechte die JEP darin sieht, nur die FARC anzuklagen und die Verbrechen des Staates Außen vorzulassen. „Das ganzheitliche System der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Wiedergutmachung und der Garantien der Nicht-Wiederholung, die nach intensiven und langen Diskussionen am Verhandlungstisch in Havanna vereinbart wurden, dessen ein integraler Bestandteil die JEP ist, war Gegenstand der virulentesten Angriffe derjenigen, die sich entschieden dagegen wehren, dass die Wahrheit über den Konflikt ans Licht kommen wird“, so die FARC in einer Erklärung.
Die Botschafterin der Europäischen Union, Patricia Llombart, sagte bei ihrer Reise durch den Süden des Landes, dass die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden, für die Wahrheit und die Versöhnung des Landes von grundlegender Bedeutung sei, und daher die Bedeutung der Billigung des Präsidenten Duque für das Gesetz. Begleitet wurde sie auf ihrer Reise, unter anderem durch Putumayo, von den Botschaftern aus den Niederlanden und Dänemark. Sie stellte zu Recht fest, dass die JEP ein Organismus ist, der in den Friedensabkommen mit der FARC verfassungsrechtlich verankert ist. „Wir sehen dieses System als eine der Säulen des Abkommens, grundlegend für die Wahrheit, für die Versöhnung, für Gerechtigkeit und für die Nicht-Wiederholung.“ Der bewaffnete und soziale Konflikt ist also trotz Friedensschluss weiterhin existent, was fehlt ist die Aufarbeitung und der Schutz der Betroffenen und überhaupt eine Umsetzung der vereinbarten Punkte.