Stille SMS: Bundesverfassungsschutz pingt im Geheimen

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Das Bundesinnenministerium hält erstmals unter Verschluss, wie oft der Bundesverfassungsschutz die "Stillen SMS" versendet

Das Bundesinnenministerium hält erstmals unter Verschluss, wie oft der Bundesverfassungsschutz das digitale Ermittlungs- und Überwachungsinstrument der "Stillen SMS" nutzt. Insgesamt nutzen Bundesbehörden die neuen Ermittlungsinstrumente der Funkzellenauswertungen und IMSI-Catcher nicht mehr so intensiv wie in den vergangenen sechs Jahren. Dies geht aus der aktuellen Antwort auf eine kleine Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko hervor. Seit 2012 erkundigen sich linke Bundestagsabgeordnete halbjährlich bei der Bundesregierung, wie Bundesbehörden mit neuen digitalen Ermittlungsinstrumenten umgehen.

 

"Stille SMS" als aktive Ermittlungsmaßnahme

 

Wie oft der Bundesverfassungsschutz die "Stille SMS" ("stealth ping") genutzt hat, bleibt im zweiten Halbjahr 2018 erstmals unter Verschluss. Die Behörde gehörte bislang zu den fleißigsten Versendern der SMS. Noch im ersten Halbjahr hatte sie 103.224 SMS verschickt. Die Bundespolizei verschickte im 2. Halbjahr 50.654 SMS, das BKA rund 21.337. Die Nachrichten werden nicht auf dem Empfängergerät angezeigt, erzeugen allerdings auswertbare Verbindungsdaten.

 

Das Bundesinnenministerium stuft auch die Einsatzzahlen der Zollkriminalämter als Verschlusssache ein, die Angaben zum Bundesnachrichtendienst als "streng geheim". Der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko will sich nun für die Freigabe der Einsatzzahlen einsetzen, zumal der Verfassungsschutz die Maßnahme in den vergangenen Jahren "ausufernd" genutzt habe.

 

Hunko sieht in der "Stillen SMS" eine aktive Maßnahme, weil durch sie ein Kommunikationsvorgang erzeugt werde und das Telefon in eine Ortungswanze verwandelt werde. Die Telekommunikationsüberwachung dürfe aber nur als "passive Tätigkeit" ausgeführt werden. Diese Auffassung vertritt auch Tobias Singelnstein, Professor für Kriminologie an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.

 

Der Bundesgerichtshof folgte dieser Argumentation und forderte im Februar 2018 in einem Urteil für jeden Versand einer Stillen SMS durch die Polizei einen richterlichen Beschluss. Im 2. Halbjahr 2018 hätte man erstmals die Auswirkungen des Urteils auf die Praxis des Verfassungsschutzes beobachten können. "Sie lassen sich jedoch wegen der Heimlichtuerei der Bundesregierung nicht feststellen", kritisiert Hunko.

 

Seltener Einsatz von IMSI-Catchern

 

Entsprechend des Urteils werden an die Stille SMS nun dieselben rechtlichen Anforderungen gestellt wie an den Einsatz eines IMSI-Catchers. So dürften "Stille SMS" nur noch versandt werden, wenn der Vedacht einer erheblichen Straftat im Raum steht. Wie zurückhaltend IMSI-Catcher eingesetzt werden, zeigen die aktuellen Zahlen: So setzten Bundespolizei und Bundeskriminalamt IMSI-Catcher 40-mal ein, wobei auf die Bundespolizei 24 Einsätze kamen. IMSI-Catcher spielen einem Mobiltelefon vor, ein normaler Funkmast zu sein, und greifen dabei dessen ständige Signale ab. Damit können bis dahin den Behörden unbekannte Geräte geortet und identifiziert werden. "Ob diese vergleichsweise niedrigen Zahlen allein den höheren rechtlichen Hürden oder auch dem teuren Einsatz des Gerätes geschuldet sind, ist nicht bekannt", schreibt der Rechtsanwalt Lukas Theune zum Urteil.

 

Funkzellenauswertungen und Gesichtserkennung

 

Das Bundeskriminalamt setzte das Ermittlungsinstrument der nicht-individualisierten Funkzellenauswertungen 2018 deutlich zurückhaltender ein als noch im Vorjahr. Während es 376 Auswertungen im 2. Halbjahr 2017 durchführte, waren es nur noch zwei im 2. Halbjahr 2018. Vergleichsweise moderat fielen dagegen die Änderungen bei der Bundespolizei und dem Zollfahndungsdienst aus. Bei der Bundespolizei wurden im zweiten Halbjahr 2018 90 Auswertungen durchgeführt, beim Zollfahndungsdienst 35.

Die kleine Anfrage erkundigte sich ebenfalls über die Beschaffung und den Einsatz anderer IT-gestützter Ermittlungssysteme. So stiegen die Rechercheabfragen im zentralen Gesichtserkennungssystem GES in den letzten Jahren: 2016 wurden rund 23.000 Recherchen in GES durchgeführt, während es 2017 schon 27.000 waren. Allein im ersten Halbjahr 2018 wurden bereits 20.749 Recherchen durchgeführt, wobei 320 Personen identifiziert werden konnten. (olb)

 

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