Der Freiheit und dem Leben so nah! Gericht entscheidet sich für Entlassung

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Seit Oktober 1996 sitze ich in Haft, seit Sommer 2013 in Sicherungsverwahrung (SV). Nun stand die Prüfung der Frage an, ob ich entlassen werde. Das Landgericht Freiburg hat am 05.07.2023 entschieden, die weitere Unterbringung in der SV für erledigt zu erklären.

 

Anhörung vor dem Landgericht Freiburg

 

Am 05.07.2023 fand eine nicht-öffentliche Anhörung der 12. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg, unter Vorsitz des Richters Kronthaler statt.

Auf dem Weg zum Gericht, ich wurde in einem blauen Anstalts-Bully gefahren, wusste ich mich von vielen guten Wünschen seitens Freundinnen und Freunden, wie auch Genossinnen und Genossen begleitet. Zusätzlich Kraft und Mut gab das Wissen, dass Freund*innen und Unterstützer*innen vor dem Gericht während der Anhörung ihre Solidarität bekundeten!
Hatte es in den Morgenstunden in Freiburg teilweise noch heftig geregnet, klarte zwischenzeitlich der Himmel auf und die Sonne brach durch die Wolken – ein gutes Vorzeichen, wenn man so möchte.

Für 12 Uhr mittags waren vor Gericht geladen: Mein Rechtsanwalt aus Düsseldorf, sowie jene zwei Sachverständige, die vom LG zuvor beauftragt worden waren, mich erneut zu begutachten. Ferner waren VertreterInnen der JVA erschienen, namentlich der Leiter der SV-Abteilung, Herr G. und die Stationspsychologin Frau W., zudem die künftig zuständige Bewährungshelferin Frau M. und zu guter letzt ich selbst.

Nachdem im Herbst 2022 eine Münchner Psychiaterin in einem im Auftrag des Gerichts erstellten 130-Seiten umfassenden Gutachten zu dem Schluss kam, von mir seien keine rechtlich erheblichen Taten zu erwarten, schon gar nicht bestünde die hohe Gefahr der Begehung schwerster Gewalttaten, wurden gegen diese Expertise seitens der Staatsanwaltschaft, der Haftanstalt und auch des Gerichts teils massive Einwände erhoben. Deshalb hatte das LG zwei weitere Sachverständige beauftragt und von diesen wurde ich im Mai 2023 in sechs Sitzungen über Stunden hinweg befragt.

 

Ergebnis des Gutachtens

 

Die beiden neuen Sachverständigen, sie sind für eine forensische Psychiatrie (ZfP) aus dem Freiburger Umland tätig, kamen in ihrem 93-Seiten umfassenden Gutachten zu dem Ergebnis, es bestehe keine hohe Gefahr der Begehung schwerster Gewalttaten und schrieben, sie würden eine Entlassung befürworten. Der „soziale Rückhalt im radikallinken Milieu und die (von mir) akzeptierten Nachsorgeangebote bilden ein hinreichend tragfähiges Gerüst für eine straffreie Lebensführung“, so die beiden Sachverständigen.

 

Verlauf der mündlichen Anhörung

 

Die Anhörung fand wegen der Zahl der Teilnehmenden in einem normalen Gerichtssaal statt, schon nach wenigen Minuten wurde klar, es würde auf eine Entlassung hinauslaufen, denn der Vorsitzende, er wurde begleitet von einer Richterkollegin und einem Richterkollegen, meinte lapidar, er habe eigentlich keine weiteren Fragen, das Gutachten sei schlüssig, das Gericht könne diesem gut folgen. Zu Wort kamen kurz die Stationspsychologin, wie auch die anderen Verfahrensbeteiligten, alle hoben die gründliche Arbeit der Sachverständigen, und auch ihre rasche Erledigung des Auftrags, innerhalb von wenigen Wochen, hervor. Nach etwas mehr als einer halben Stunde war der Termin erledigt, denn unter allen Beteiligten bestand Einvernehmen darin, dass nur noch die Entlassung in Frage komme.

 

Ergebnis der Anhörung

 

Das Gericht sprach die sogenannte „Erledigung“ der SV aus, d.h. es handelt sich nicht um eine Aussetzung der Bewährung (die eines Tages den Widerruf der Bewährung ermöglichen würde), sondern „Erledigung“ meint, dass die SV vollständig erledigt ist. Als Auflagen wurden erteilt: Mindestens einmal im Monat zur Bewährungshelferin gehen, sowie einmal im Monat zur Forensischen Ambulanz. Den Wohnsitz- /Arbeitsplatzwechsel müsste ich melden, bzw. absprechen mit der Bewährungshilfe. Erfreulicherweise wurde keine elektronische Fußfessel angeordnet, dafür sehe man keine Anknüpfungspunkte, auch eine Meldeauflage (sich bei der Polizeidienststelle melden) sei nicht angezeigt.

 

Weiterer Verfahrensgang nach der Anhörung

 

Nun muss das Ergebnis in einen schriftlichen Beschluss gefasst und den Verfahrensbeteiligten, d.h. meinem Verteidiger, mir und auch der Staatsanwaltschaft in den nächsten Tagen zugestellt werden. Dann beginnt eine einwöchige Beschwerdefrist für die StA zu laufen. Legt sie innerhalb dieser Frist sofortige Beschwerde ein, werden die Akten dem Oberlandesgericht in Karlsruhe vorgelegt. Das Rechtsmittel hätte aufschiebende Wirkung, d.h. solange erfolgt keine Freilassung. Wie das OLG entscheiden würde, ist offen; im Regelfall entscheidet es lediglich nach Aktenlage, hört sich also die Beteiligten nicht persönlich an.

Thomas Meyer- Falk, z. Zt. JVA (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de

 

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