JEFTA sperrt die Parlamente aus - und die Medien schweigen

Da steht der Bundestag nur im Weg: Freihandelsabkommen

Heute, am 1. Februar, tritt JEFTA in Kraft - das erste Freihandelsabkommen der EU, zu dem der Bundestag nicht gefragt wurde. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ermöglicht, dass Freihandelsabkommen zukünftig ohne die Zustimmung nationaler Parlamente beschlossen werden können. Der Aufschrei fehlt. Die deutsche Medienlandschaft schweigt.

Wir erinnern uns an die Proteste zu TTIP. An den Moment, als das wallonische Nationalparlament sich gegen CETA wehrte. An Diskussionen zu Investitionsschiedsgerichten und zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. An die Kritik an den nicht-öffentlichen Verhandlungen. An Schlagworte wie "Chlorhühnchen" und "Hormonfleisch". Wenn wichtige Freihandelsabkommen im Bundestag debattiert wurden, herrschte auch in der Bevölkerung Debattierstimmung. JEFTA hingegen, das neue Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan, hat kaum Aufsehen erregt. Heute, am 1. Februar, tritt es in Kraft - vielen sagt es nichts. Ist es unwichtig? Oder einfach makellos? Wohl kaum. Vielmehr ist es das erste Freihandelsabkommen, das die EU ohne Ratifizierung durch nationale Parlamente abschließen konnte - ohne den Bundestag, ohne Wallonen, ohne ungebetene Debatten und Proteste.

Wie kommt das? Die bisherigen Freihandelsabkommen der EU waren sogenannte "gemischte" Abkommen. Das heißt, sie berührten sowohl Kompetenzen, die bei den Nationalstaaten liegen, als auch Kompetenzen, die bei der EU liegen. Deshalb war nicht nur die EU Vertragspartner, sondern auch alle Mitgliedsstaaten einzeln. Im Mai 2017 hat der EuGH sich diese Kompetenzen vorgenommen - und beschlossen, dass Freihandelsabkommen auch weiterhin von den Mitgliedsstaaten unterzeichnet werden müssen, wenn ihre Kompetenzen betroffen sind. Wie schön! - sagten die Süddeutsche und die FAZ, die übersahen, dass der EuGH dabei auch die Kompetenzen der EU noch mal neu und sehr großzügig definiert hat. Michael Zornow (Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Uni Göttingen) kritisierte deshalb die kurzsichtige Freude der Medien. Tatsächlich sei nun alles, was den Handel betrifft (auch Arbeits- und Umweltschutz, sofern sie im Kontext von Handelsfragen stehen) reine Kompetenz der EU. Nach dem Gutachten des EuGH bleiben als gemeinsame Zuständigkeit nur Portfolioinvestitionen und die private Schiedsgerichtsbarkeit. Dabei hält Zornow es für realistisch, dass die Befugnisse in der Praxis noch weiter ausgedehnt werden. Er warnt von der Sogwirkung, mit der die EU immer mehr Kompetenzen an sich zieht, und davor, dass die Mitgliedsstaaten gerade ihre Rechtssubjektivität verlieren.

Damit die EU ihre neuen Kompetenzen nutzen kann, werden Freihandelsabkommen jetzt "kupiert": Alle Änderungen, die den Handel betreffen, kommen in ein EU-only Abkommen. Die paar Änderungen, die noch in die Zuständigkeit von Mitgliedsstaaten fallen, werden von den nationalen Parlamenten ratifiziert. Im Falle von JEFTA handelt es sich um Cyberkriminalität, alternde Bevölkerung, Energiesicherheit, und ähnliche Nebenschauplätze. Dieser Teil wird vom Bundestag in den nächsten Monaten ratifiziert, und sicher ist der auch für irgendjemanden interessant - aber den Zündstoff, den *Freihandel* im Freihandelsabkommen, den konnte die EU im letzten Monat ohne Beteiligung der nationalen Parlamente beschließen (immerhin: ohne Schiedsgerichte. Dafür dürfen die Wasserversorgung und weitere öffentliche Dienstleistungen privatisiert werden). Und schnell ging es auch: CETA hat von Verhandlungsbeginn bis zur vorläufigen Anwendung acht Jahre gebraucht - und da hatten die Parlamente noch nicht mal ratifiziert. Bei JEFTA war die Zeitspanne vier Jahre. Und mit JEFTA wird es nicht enden: Mit dem neuen Eilverfahren sollen Handelsabkommen mit Australien, Neuseeland, Japan, Mexiko und weiteren südamerikanischen Ländern abgeschlossen werden - alles bis zum Ende der aktuellen Amtszeit, innerhalb von 2019.

Wer in die Protokolle des Bundestags guckt, sieht, dass Linke und Grüne den Ausschluss der nationalen Parlamente wiederholt kritisiert haben. Anreiz genug, als dass auch die deutschen Medien sich das heiße Thema vornehmen könnten. Die berichten auch tatsächlich mehrfach von JEFTA. Meist mit dem Verweis auf das Signal, dass man damit an Trump und seinen Protektionismus sendet - ganz nach dem Motto: Trump ist so unumstitten ein Vollidiot, das alles, was er ablehnt, ein Schritt in die richtige Richtung sein muss. Doch erwähnen sie auch, dass die nationalen Parlamente nicht gefragt werden?

Die FAZ erwähnt das schon mal nicht. Ebensowenig der Spiegel oder die Süddeutsche Zeitung. Oder Euronews. Die Tagesschau berichtet viel von JEFTA, erwähnt die fehlende Mitbestimmung der nationalen Parlamente aber nicht - Halt Stopp, einmal doch. Mit der Rechtfertigung, man habe ja aus den Querelen mit CETA gelernt. Allein die TAZ schafft es – anders als die Tagesschau, den Ausschluss der nationalen Parlamente zu erwähnen, ohne zu beschönigen.

Und dann gibt es noch die eine Zeitung, die den Vogel abschießt: DIE ZEIT stellt in einem Frage-Antwort-Katalog tatsächlich die Frage: Werden nationale Parlamente befragt?“ - und antwortet sich dann selber lapidar: "Die EU-Staaten haben Jefta Anfang Juli zugestimmt". Das klingt, als wären sie befragt worden. Tatsächlich kann mit dieser Zustimmung nur eine Abstimmung innerhalb von EU-Institutionen gemeint sein. Im Bundestag ging es in dem Monat jedenfalls um den Haushalt und Verteidigung. Während andere Medien die Information einfach verschweigen, ist sich DIE ZEIT also nicht zu schade, das Gegenteil der tatsächlichen Situation zu implizieren und ihre Leser damit bewusst zu täuschen. Liebe ZEIT: Cui bono?

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