Der zweite Aufruf von Commercy: Den Aufbau der Versammlungen zu generalisieren
Unser zweiter Aufruf ist:
An alle gelben Westen. An alle, die noch nicht die Weste tragen, aber dennoch die gleiche Wut im Bauch haben wie wir.
Es ist jetzt mehr als sechs Wochen her, dass wir Verkehrskreisel, öffentliche Plätze und Straßen besetzt und provisorische Unterkünfte errichtet haben, wir in den Köpfen und den Gesprächen der Menschen präsent sind.
Wir behaupten uns!
Es ist lange her, dass ein Kampf so erfolgreich, so anhaltend, so ermutigend war!
Ermutigend, denn diejenigen, die uns regieren, haben gezittert und zittern immer noch auf ihrem Podest.
Ermutigend, weil sie begonnen haben, uns ein paar Krümel zu zugestehen.
Ermutigend, weil wir uns nicht mehr mit ein paar Knochen zum Abnagen abspeisen lassen.
Ermutigend, weil wir alle lernen, einander zu respektieren, einander zu verstehen, uns einander in unserer Vielfalt zu schätzen. Die Verbindungen sind gewebt. Neue Formen des sozialen Miteinander werden erprobt. Und das können sie uns nicht mehr wegnehmen.
Ermutigend auch, weil wir verstanden haben, dass wir uns angesichts der Widrigkeiten nicht spalten lassen dürfen. Wir haben verstanden, dass unsere wahren Feinde die Wenigen sind, die über einen immensen Reichtum verfügen, den sie nicht teilen: Die 500 reichsten Menschen in Frankreich haben seit der Finanzkrise 2008 ihre Vermögen auf 650 Milliarden Euro (!!!) verdreifacht. Steuer- und Sozialvergünstigungen für größere Unternehmen belaufen sich ebenfalls auf Hunderte von Milliarden pro Jahr. Es ist unerträglich!
Ermutigend schließlich, weil wir verstanden haben, dass wir in der Lage sind, uns selbst zu vertreten, ohne ein System der Delegation zwischen den Mächtigen und den Menschen, ohne Parteien, die unsere Vorstellungen für ihren eigenen Vorteil nutzen, ohne zwischengeschaltete Gremien, die eher dazu dienen, Erschütterungen abzufedern, das System zu ölen, anstatt uns zu verteidigen.
Heute trauern wir um die Opfer der Unterdrückung, mehrere Tote und Dutzende von Schwerverletzten. Verdammt seien Diejenigen, die das gestatteten, aber sie sollten wissen, dass unsere Entschlossenheit intakt geblieben, ja umso stärker geworden ist!
Wir sind stolz auf den Weg, den wir bisher gegangen sind, so zügig und voller Bewusstwerdung und somit voller Triumphe über ihr zerstörerisches System.
Und wir sind fest davon überzeugt, dass dieser Stolz von vielen Menschen geteilt wird.
Wie könnte es anders sein, wenn dieses System und diese Regierung, die es repräsentiert, dabei ist die sozialen Errungenschaften, die Beziehungen zwischen den Menschen und letztendlich unsere Erde zu zerstören.
Wir müssen weitermachen, das ist wichtig. Wir müssen diese ersten Erfolge vertiefen, ohne Hast, ohne uns zu erschöpfen, aber auch ohne uns selbst zu entmutigen. Nehmen wir uns die Zeit, um unser Denken und Handeln in Einklang zu bringen.
Deshalb rufen wir alle, die diese Wut und die Einsicht in die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Veränderung teilen, auf, weiterhin stolz ihre gelbe Weste zu tragen, sie ohne Angst überzustreifen.
Wir müssen uns jetzt überall versammeln und "Vollversammlungen" abhalten, auf der Basis von tiefster Humanität, auf der das gesprochene Wort und das Zuhören Priorität haben.
Versammlungen, in denen, wie hier bei Commercy, jede Entscheidung gemeinsam getroffen wird, in denen Delegierte ernannt werden, die die Entscheidungen anwenden und umsetzen. Nicht umgekehrt! Nicht wie im derzeitigen System. Diese Versammlungen werden unsere allgemeinen egalitären, sozialen und ökologischen Forderungen vertreten.
Einige erklären sich als nationale Vertreter oder erstellen Listen für zukünftige Wahlen. Wir denken, dass dies nicht der richtige Prozess ist. Jeder spürt es, unsere Sprache, unsere Worte, werden in diesem Labyrinth verloren gehen oder verfälscht werden, wie immer im gegenwärtigen System.
Hiermit bekräftigen wir noch einmal die absolute Notwendigkeit, uns nicht von irgendjemandem vereinnahmen zu lassen.
Sobald diese demokratischen Versammlungen geschaffen sind, an so vielen Orten wie möglich, werden sie eine Liste von Forderungen erstellen.
Die Regierung hat die Bürgermeister gebeten, ein Beschwerdeverzeichnis in den Rathäusern einzurichten. Wir befürchten, dass dadurch unsere Forderungen in den Hintergrund gedrängt und auf die ihnen genehme Art und Weise geregelt werden und dass sie letztendlich nicht mehr unsere Vielfalt widerspiegeln werden. Wir müssen unbedingt die Gestaltungsmöglichkeiten der Menschen in unseren Händen behalten! Aus diesem Grund fordern wir, dass diese Verzeichnisse öffentlich sind und von den Vollversammlungen geführt werden!
Mögen sie von den Menschen und für die Menschen geschaffen werden!
Von Commercy aus rufen wir in diesem Augenblick zu einem großen nationalen Treffen der lokalen Vollversammlungen auf.
Ausgehend vom Erfolgs unserer ersten Aufrufs aus laden wir Euch ein, uns im Januar, hier in Commercy, mit Delegierten aus ganz Frankreich demokratisch zu koordinieren, um unsere Forderungen zu sammeln und gemeinsam zu präsentieren.
Wir schlagen auch allen vor, gemeinsam zu diskutieren, wie es für unsere Bewegung weiter geht.
Wir schlagen letztendlich vor, gemeinsam auf einem wirklich demokratischen Weg der kollektiven Organisation der gelben Westen zu entscheiden, dabei vom Willen der Menschen auszugehen und die Prinzipien der wirklichen Repräsentanz zu respektieren.
Lasst uns gemeinsam die Versammlung der Versammlungen, die Gemeinde der Gemeinden, schaffen.
Dies ist die Bedeutung davon, Geschichte zu schreiben, das ist unser Vorschlag.
VIVE LE POUVOIR AU PEUPLE, PAR LE PEUPLE, ET POUR LE PEUPLE !
Anmerkung: Die Übersetzung erfolgte frei und sinngemäß, das im Deutschen belastete Wort vom 'Volk' haben ich vermieden, bzw. umformuliert. Bei der Schlussparole war dies einfach nicht mehr möglich ohne völligen Blödsinn zu produzieren.
Ergänzungen
Aufruf ...
... im Radio:
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